Monatsarchiv: August 2012

In der Weite

Wenn ich mich
beengt
fühle
& eingeschlossen
sehne ich mich
nach der
Weite
Deiner Gedanken.

Dort
möchte ich
frei
leben

& atmen.


Die eifersüchtige Einsamkeit

Sobald die Frau zum ersten Mal
die Zuflucht des Mannes betrat
(es könnte auch umgekehrt gewesen sein),
eilte die Einsamkeit hinaus &
warf die Tür hinter sich zu wie eine
eifersüchtige Geliebte.
Zu zweit lachten sie
sie aus,
umarmten sich, redeten, tranken &
legten sich hin.
Die Einsamkeit schlich um das Haus,
lauschte an den geschlossenen Rolläden,
bewegte sich durchs Unkraut
der vergangenen Zeit,
fühlte sich verlassen
& wurde böse.
Böse
nur für kurze Zeit.
Sie hörte
in ihrer Ausgeschlossenheit
das Atmen, das Küssen, das Stöhnen,
die Musik
im Inneren des Hauses –
& wusste
beinahe
augenblicklich,
dass sie
eine neue Verbündete
bekommen würde.
Fast hätte sie
boshaft gelacht
in dem Moment dieser Erkenntnis.
Doch sie befürchtete,
gehört zu werden.
Niemand
hätte sie gehört.
Nicht einmal der Mann, der
in der Zuflucht lebte.
Zu laut
war seine Zufriedenheit,
zu verschlossen
seine Ohren von den Schenkeln der
Leidenschaft;
zu verschlossen
von der Musik.

Als die Frau das Haus verließ,
schlüpften sie
zu zweit
hinein:

Die Einsamkeit
&
Die Sehnsucht.

Die Sehnsucht
hatte den Geist,
das Gesicht
& den Körper
der Frau,
die gegangen war.

Die Einsamkeit
flüsterte ihr ins Ohr.

Dann

lachten sie
gemeinsam

zu zweit.

Hinter verschlossenen Türen.


Sinn genug

Sie saß auf dem Boden & rauchte.
Gelehnt an meine Beine.
Ich saß in dem einzigen Sessel, den es
in diesem Raum gab.
»Irgendwann werde ich dich
hassen«, sagte sie. »Für das, was
du mit mir machst. Dafür, dass ich
die Kontrolle verliere.«
»Ich weiß«, sagte ich.
Rauch kam aus ihrem Mund.
»Nein«, sagte sie, »ich werde dich
niemals hassen.«
»Warum auch?« sagte ich, »ich
bin doch ein nettes Kerlchen.«
Meine Antworten passten nicht
zusammen.
Noch weniger als
ihre Aussagen.
Vielleicht wir?
Meine
zweite Antwort ergab
für mich
keinerlei Sinn.
Aber die Frau richtete sich auf,
um mir
einen rauchigen Kuss zu geben.
Das war
für den Moment
Sinn genug.


Ganz dicht neben mir oder noch dichter

Ich höre
Deine Träume

Ich sehe
Dein Vergessen

Ich fühle
Deine Erinnerungen

Ich schmecke
Deine Phantasie

Ich taste
nach der Musik
die wie das Kopfkissen riecht
auf dem
Deine Gedanken
gelegen haben

ganz dicht
neben mir

oder noch
Dichter


Die Vertrautheit & die Selbstverständlichkeit

Die Vertrautheit &
Selbstverständlichkeit
mit der
ein
eigentl
ich
fremder
Mensch
nackt
durch mein Haus geht
erinnert mich
an das
Verhältnis
zum
Leben
das
ich
gerne
hätte.


Der Film auf der Brille

Zu spät
hatte ich die Brille abgesetzt.
Die Nähe kam so
schnell.
Die Küsse kamen so
schnell.
Ein Film entstand
durch Berührung
auf den Gläsern meiner Brille;
an der Außenseite.
Eine Art von
Weichzeichner.
Durch den ich
klarer
sehen konnte.
Es begann
ein neuer Film.
Und erst dann
setzte ich die Brille ab.


Höchstens 5 Minuten

Höchstens 5 Minuten
dauerte das Gespräch
vor über 10 Jahren.
Ein kleines Mädchen aus Amerika,
das im Rollstuhl saß.
Ich weiß nicht mehr, wie
es aussah,
weiß nicht mehr, wie
seine Stimme klang …..
Der Dialog war banal,
es ging nur um meinen Job.
Und doch
erinnere ich mich in
regelmäßigen Abständen
an das Leuchten
in dem Gesicht, an das ich
mich nicht erinnern kann;
an das Lachen
der Stimme, an die ich
mich nicht erinnern kann.
An die Lebensfreude,
deren Wärme
ich noch heute
spüren kann.
Wahrscheinlich
waren es
noch nicht einmal
3 Minuten.


Die Steckdose & das Nachtlämpchen

Sie
hockte sich hin
neben dem Bücherstapel
Der Saum ihres Kleides
glitt an ihren Oberschenkeln
hinauf
Sie zog
das Nachtlämpchen aus
der Steckdose
Steckte
den Stecker
ihres Ladekabels
in die Dose
um das Telefon aufzuladen
über das wir
gesprochen hatten

Als sie wieder fort war
tat ich das Nachtlämpchen
zurück an seinen
angestammten Platz

Dann kam sie wieder
hockte sich hin
neben dem Bücherstapel
Der Saum ihres Kleides
glitt an ihren Oberschenkeln
hinauf
Sie zog
das Nachtlämpchen aus
der Steckdose
Steckte
den Stecker
ihres Ladekabels ….

Als sie wieder fort war
nahm ich das Nachtlämpchen &
warf es in eine Schublade

die ich

normalerweise

niemals
öffne.


Das Klingeln an der Haustür

Es klingelte
um kurz vor 8
an meiner Haustür.
Wie immer
erschreckte es mich,
wie immer
wollte ich nicht öffnen.
Doch dann stellte ich mir vor:
Es könnte
SIE
sein …..
SIE
könnte mich
überraschen
wollen …..
So viel
Sehnsucht.
So viel
Hoffnung.
So viele
Wünsche.
So viel
Liebe.
Mein Verstand wusste,
SIE
konnte es nicht sein.
Und doch –
ich schaute aus
dem Küchenfenster ….
Beinahe erwartete ich
SIE
zu sehen.
Ich sah:
den alten Nachbarn.
Ich wusste, was er wollte –
er wollte
sich beschweren
über den Zustand meines Gartens,
über die Samen, die
hinüberflogen
in seinen Garten.
Über mein Unkraut, das
zu seinem wurde.
Der alte Mann
liebt seinen Garten,
seine Ordnung.
Ich
hasse meinen Garten.
Liebe
meine Unordnung &
liebe
SIE
deren Ankunft ich erhofft hatte
beim Klingeln an meiner Haustür.
Ich öffnete nicht.
Es gab keinen Grund dafür.
Wie meistens
in meinem Leben.


Katzenkratzer auf Frauenbeinen

Ich liebe es, wenn meine
Lieblingstiere
ihre Spuren
auf meinen
Lieblingsgliedern
hinter-
lassen

Rote
feine
Striemen
auf glatter Haut

Muster unter
kurzen Röcken
langen Röcken
kurzen Kleidern
langen Kleidern
kurzen Hosen
langen Hosen

Das Spiel der Katzen
Die Leidenschaft der Katzen

ungeschliffene Berührungen

schnurrend
fauchend

Zarte Verletzungen
der Schönheit

Ich liebe es, wenn meine
Lieblingsglieder
von meinen Lieblingstieren
verletzt werden.


Kakerlaken

All diese Gedanken & Ideen
All diese Erinnerungen
die
in Dunkelheit
in Finsternis
durch die Schädelräume huschen
wie Kakerlaken …..

faszinierende Tiere
schnelle Tiere
ekelerregende Tiere
gepanzerte Tiere
schillernde Tiere
wimmelnde Tiere
schwarze Tiere
feige Tiere
dreiste Tiere
kopulierende Tiere
stinkende Tiere
changierende Tiere
fühlende Tiere
gehasste Tiere
fressende Tiere
geliebte Tiere
kitzelnde Tiere
scheißende Tiere
widerstandsfähige Tiere
unausrottbare Tiere

Tiere der Nacht

die in dunklen Schädelräumen
Schädel
träumen

husch

hush
hush

Doch
sobald
das Licht an-
geht

suchen sie
ihre Verstecke
auf

verschwinden
scheinbar
in Ritzen & Winkeln

in Löchern &
Hinter-
gründen

wo
das Licht
….. des Tages
das Licht
….. der Lampen
das Licht
….. der Glücksgefühle

niemals

hin

kommen

kann

…..

Dort
warten sie

Dort
lauern sie

immer wieder

auf Blicke
die sie nicht treffen
können

auf die Dunkelheit
des Vergessens

auf den nächsten Moment der
Finsternis

der
mir
willkommen
ist.


So geht das nicht weiter

»So geht das nicht weiter«, sagte sie. »Ich
werde dich unglücklich machen müssen, damit
du wieder schreiben kannst.«

»Ja«, sagte ich, »ich find’s auch scheiße. Mir
fällt nichts mehr ein. – Aber keine Sorge,
das wirst du. Da bin ich mir sicher.«

Sie blies Zigarettenrauch in die
warme Nachtluft. Und sie sagte:
»Ja. Ich auch.«


Die Armbanduhr

Beinahe hätte ich geschrieben:
»Ich wusste nicht, warum sie mich
irritierte….«
Die Armbanduhr an ihrem Handgelenk,
während sie
meinen Schwanz lutschte.
Doch die Wahrheit ist:
Ich wusste es.


Jägermeister & Fleischwurst

Ich bestrich die Fleischwurstscheiben
großzügig mit Mayonnaisse, rollte sie,
aß sie.
Eine nach der anderen.
Dazu trank ich Jägermeister.
Ich war 14.
Saß in meinem Zimmer auf der Matratze,
die auf dem Boden lag.
Es war die Zeit, als ich noch
unordentlich war.
Bücher & Zeitschriften lagen überall
in wildem Durcheinander.
Wie viele Scheiben Wurst mit Mayo
brauchte es? Wie viele Gläser
Jägermeister?
Ich weiß es nicht mehr.
Ich kotzte.
Kotzte wie selten.
Auf die Bücher, auf die Zeitschriften.
Man konnte die Wurst noch erkennen,
dazu die Farbe des Getränks.
Irgendwie schaffte ich es ins Bad, um dort
weiterzumachen.
Mein Bruder & seine Frau saßen im Wohnzimmer.
»Oh, mein Gott«, hörte ich sie sagen.
Denn ich war sehr laut.
Mein Bruder sagte nichts.
Er war es, der
in mein Zimmer ging, um dort
sauberzumachen.
Es machte ihm nichts aus.
Ich hätte das nicht
gekonnt.
Wie so vieles.
Ich bewunderte ihn dafür.
Wie für so vieles.
Liebte ihn.
Liebte bereits
SIE
die »Oh, mein Gott« gesagt hatte.
Alles ändert sich
irgendwann.
Natürlich.
Natürlich wie der Vorgang des
Kotzens.
Ich besitze noch einige der
Bücher von damals.
Man sieht die Spuren.
Zum Teil habe ich vergessen, was
ihn ihnen stand. Es war
weniger wichtig.
Weniger wichtig als ihre
bekotzten Einbände.
Es dauerte lange
bis ich wieder
Fleischwurst essen,
lange
bis ich wieder
Jägermeister trinken konnte.
Ich kotze nicht mehr.
Obwohl ich weiterhin
esse & trinke.
Da wäre auch niemand mehr, der es
wegmachen würde.
Und da ist auch
Niemand mehr, der
»Oh, mein Gott« sagt.


Die Temperatur der Leere

Irgendwann hatte ich dieses Thermometer
in meinen Kühlschrank gelegt, um
die Temperatur zu überprüfen.

Und dann war die Temperatur
perfekt,
als der Kühlschrank
leer war

& ich Durst & Hunger hatte.

Schließlich
kaufte ich ein &
füllte den Kühlschrank.

Es wurde warm
in ihm –
warm
in mir.

Die Leere
hatte die perfekte Temperatur
gehabt.

Die Fülle
war zu warm.

Die Leere konnte nicht
verderben.

Die Fülle
konnte es.

Und es dauerte
bis sie die Temperatur der
Leere
angenommen hatte.

Und plötzlich war da
diese Frau
öffnete den Kühlschrank &
nahm sich ein Bier.

Die Flasche war
beschlagen.


Meine Trägheit

»Normalerweise
liebe ich meine Trägheit.

Genieße sie.

Ein Gesetz.
Mein Trägheitsgesetz.

Müßiggang
was für ein schönes
widersprüchliches Wort!

Doch dann:

Du kletters-
test
aus dem Bett
(so schön)
um Dir ein Bier zu holen
aus meinem Kühlschrank

Nackt

& ich
träge Sau
blieb liegen!

Ich hätte Dir
hinterhergehen
müssen.

Um Dich
zu beobachten
zu betrachten.

Deinen Anblick
& jede Schwingung
zu genießen.

Im Licht der Lampen.

Im Gegenlicht des
Kühlschranks.

Nun sehe ich dieses Bild
nur in meiner Phantasie.

Aber was ist schon
meine Phantasie!

Ja, manchmal
hasse ich meine Trägheit!«

– – –

»Aber«, sagte sie, »im Keller
war ich doch auch allein …. & nackt.
Und habe auf deinem Sessel gesessen,
entspannt.«

Es stimmte. Sie war
zum Rauchen in den Keller gegangen,
in den Raum mit den
vom Zigarrenrauch gebräunten Tapeten.

Und auch das stellte ich mir vor.
Sie
nackt &
allein
in diesem Raum
auf meinem Sessel.

Und die Spinnen unter dem Heizkörper
beobachteten sie.

Während ich
träge
im Bett lag.


Zigarettenkippen in Zigarrenasche

Dann kam der Zeitpunkt, als ich
in den Aschenbecher blickte ….
um in der Asche & zwischen den
Stummeln meiner Zigarren
ihre Zigarettenkippen zu betrachten.
Aus all dem Grau meiner Asche
stachen sie hell hervor &
erinnerten an
Leben.


Die aufmerksame Leserin

Es war offensichtlich:
Sie war eine
aufmerksame Leserin
meiner Texte.

Denn als sie
an meiner Tür klingelte,
trug sie einen dünnen Rock, der
oberhalb der Kniee endete.

Sie zog ihre Schuhe aus.

Sie schnupperte an meinem
Cocktail.

Ich fragte sie, was sie
trinken wolle.

Sie sagte:
»Ein Bier.«

Ich hielt ihr
(Test) die Flasche &
ein Glas hin.

Sie nahm
nur
die Flasche;

öffnete sie
mit einem Feuerzeug.

Sie kannte meine Unsicherheiten &
setzte sich rittlings auf
meinen Schoß.

Und unter dem dünnen Rock
trug sie
nichts als ihre
feuchtfröhliche Sehnsucht, die

auf meine Hose tropfte.

Bild2


Wozu dazu

Nur um sich dazu-
ge-
hörig
zu fühlen
machen so
Viele
so Vieles
mit
was Viele tun
um sich
dazuge-
hörig
zu fühlen.

Wozu?

Zur Herde?

Wozu will man
das?

Ich kann’s mir denken.

Wozu sollte man das
wollen?

Ich
habe keine Ahnung.

Mehr fällt
mir
dazu
nicht ein.


Die langen blonden Haare

Die Einsamkeit war lang gewesen
So lang
So viel länger als
die blonden Haare, die plötzlich überall
in meinem Haus zu finden waren

ohne dass ich sie suchen musste

Die Einsamkeit war lang gewesen
Zu lang
& ich bekam
einen Krampf im rechten Fuß:
im 2. Zeh von rechts –

als gewisse Punkte meines Körpers
ungewohnt berührt wurden

Ich sprang nackt aus dem Bett
um den Krampf zu lösen

Es war zum Lachen
Also lachten wir

Vieles
löste sich

Ich schmeckte mein Bier
auf fremder Zunge

& die langen blonden Haare
fielen überall
auf meine ramponierte Haut

bevor
der Besuch zu Ende war.

Und irgendwann werde ich anfangen
die langen blonden Haare
zu suchen.

Sie
zu suchen
um sie zu betrachten &
SIE
zu riechen.


Selbstverteidigung

»Du hast gestern zu schnell & zu viel
getrunken«, sagte er.

»Da lief plötzlich eine große flinke
Spinne über den Fußboden«, sagte ich.
»Ich brauchte das Glas, um sie zu fangen.
Und dann waren da plötzlich
ganz viele
Spinnen.«

»Ich verstehe«, sagte er.


Die Romantische Ader

Immer wieder diese verdammte
Romantische Ader in mir!
Wenn ich durch mein
menschenleeres Haus gehe,
kann ich sie spüren.
Und ich spüre die
Fußsohlen der Frau, die
nackt durch die Flure & Zimmer ging;
ich fühle, wo sie den Boden berührten,
sehe die Erinnerung an ihre Nacktheit
auf der Kellertreppe &
rieche, was längst
verflogen ist.
Und diese verdammte
Romantische Ader in mir –
platzt wie ein Ballon – &
überall ist
Blut
Blut
Blut.
Und überall ist
Leben
& Rote Dämmerung
& Sehnsucht
in mir.


Ich & nachdenklich?

»Du nachdenklicher Mann, Du«, sagte sie &
knabberte an meinem Ohr.
Ich denke, sie hatte den Schrott gelesen, den ich
schreibe – manchmal.
Als sie das sagte & knabberte &
ihr Atem so nah war,
vergingen mir
Hören & Sehen &
Nachdenken.


Spannweite

Der Hammer liegt manchmal
3 Meter weit entfernt
während ich die Spitze des Nagels
bereits angesetzt habe
an einer unmarkierten Stelle.

Ich hatte ihn näher vermutet.

Wenn ich den Hammer hole
muss ich die Stelle für den Nagel
erst erneut suchen
denn auf der Oberfläche dieser Wand wäre
eine Markierung mit der Nagelspitze
nicht sichtbar.

Manchmal habe ich die Befürchtung
die optimale Stelle nicht mehr
wiederzufinden.

Und da ist niemand
der mir den Hammer reichen könnte.

3 Meter.

Das ist einfach
nicht
meine
Spannweite.


Verschwendung

Keine Ahnung, wer der Typ war, der
an meinem Totenbett stand.
Grinste er, oder blickte er traurig auf mich
herab?
Keine Ahnung.
Er fragte:
»Wieviel Zeit hast Du
verschwendet?«
Ich antwortete:
»Keine Ahnung.«
Er sagte:
»Ich weiß. Und ich weiß auch:
Es war zu viel.«
Ich sagte leise, denn mein Atem wurde
knapp:
»Ich ahnte es. Ich wollte es nur nicht
zugeben.«
Er sagte:
»Anstelle der Zeit hättest Du
lieber –
Dich selbst
verschwenden sollen.«


Zeit versetzt

Die wirkliche Wahrnehmung
kommt nicht selten zu
spät, wenn mich
der Augenblick, den man
Jetzt
nennt,
über-
wältigt.
Meine Wirklichkeit ist
später.
Meine Wahrnehmung
versetzt mich;
versetzt meine Wirklichkeit,
mein Leben.
Dann
schreibe ich über das
Jetzt.
Das ist mein
Leben.
Eine Art von Pfandhaus, in dem
Alles
versetzt wird, was einmal
teuer war – & man bekommt nur
wenig dafür
zurück.
Und man verliert wahrscheinlich noch
den Pfand-
schein.
Ich weiß, wie die
Psychologen das nennen – & es
ist mir egal.


Die Lichterkette

Eine Lichterkette
liegt verschlungen
über dem Leben

& fesselt es.

Menschen
Augenblicke
Phantasien
Gedanken
Träume

leuchten
bunt.

Und
nach & nach

wird
ein Lämpchen nach dem anderen
herausgedreht

oder
brennt durch.

Und am Ende herrscht
Finsternis &
die Fessel verschwindet
in ihr.


Selbst Vergessen

Manchmal sitze ich
selbstvergessen
in meiner
Erinnerung
& beobachte
die Toten.


Das vergessene Gedicht

Nun ist es mir also zum ersten Mal passiert:
Nach dem Erwachen konnte ich mich
nicht mehr an das Gedicht erinnern, das ich
vor dem Einschlafen in meinem Kopf
geschrieben hatte.
Nicht einmal eine Ahnung davon,
um was es ging, ist zurück geblieben.
Ich notiere mir nie etwas.
In meiner finsteren Schlaflosigkeit fallen
mir 2 oder 3 Texte ein – dann
schlafe ich, träume ich – &
am Abend, nach dem Frühstück,
brauche ich sie nur noch von meiner
Erinnerung abzuschreiben.
So war es bisher.
Nun gut, ich hatte zu viel getrunken,
aber das habe ich meistens. Für mich
ist das keine Erklärung.
Und es war doch nur 1 einziges Gedicht;
keine 2 oder 3.
Irgend etwas Besonderes muss es
auf sich gehabt haben mit diesem Gedicht;
etwas, das eine Verdrängung
in Gang gesetzt hat.
Vielleicht war es das beste Gedicht, das
mir jemals eingefallen ist (was nicht
viel heißen will).
Vielleicht kommt es irgendwann zurück?
Vielleicht tarnt es sich dann als
neuer Einfall ….
Werde ich es wiedererkennen?

Wahrscheinlich
interpretiere ich in das alles
mal wieder
zu viel hinein.
Wahrscheinlich war es nur ein
Scheißgedicht – wie
so viele andere.


Geblendet

In meinen Gedankengängen
war es immer so
dunkel
gewesen.

Oft hatte ich mich
umherirrend
in ihnen
verlaufen.

Nun
leuchtet
Dein Licht
in ihnen.

Fast
ist es mir zu hell
hier.

Aber auch nur
fast.


Bigott

Der Lehrer fragte mich vor der
versammelten Klasse:
»Was bedeutet bigott
»Frömmelnd«, sagte ich.
»Richtig«, sagte er, »aber
nicht zu vergessen: Mit
einem Schuss Heuchelei.«
Ich dachte: Das ist doch in
‚frömmeln’
bereits enthalten;
sein Hinweis wäre nur korrekt
gewesen, wenn ich
‚fromm’
gesagt hätte.

Ich wurde rot, ich
schwieg.
Ich war zu schüchtern.
Und noch heute,
mehr als 3 Jahrzehnte später,
kann ich das Wort bigott
nicht hören oder lesen, ohne
ohne an diese Episode zu denken.
Eine von vielen
ähnlichen.
Mein Einwand, den ich
nicht ausgesprochen, den meine
Schüchternheit unterdrückt hatte,
nagte an mir
lange Zeit.
Das war
lächerlich.
Ich weiß.


Der Hochsprung der Frauen

Sport
interessiert mich nicht.

Eigentlich.

Doch
ich sehe gerne den
Hochsprung der Frauen.

Sie alle haben diese
besonders langen Beine &
tragen diese
knappen Höschen ……

Sie konzentrieren sich
Sie nehmen Anlauf
Sie heben ab
Sie springen rücklings
über die Latte &
landen auf der Matte ……

Manchmal streifen sie die Latte
mit ihrem Popo &
sie fällt mit ihnen …..

Auch mag ich es, wie die Frauen
nach dem Sprung
manchmal
kurz liegenbleiben

& wie sie dann
wieder
aufstehen.


When a blind man cries

Wie viele Tausende von Malen
hatte ich dieses Gitarrensolo gehört
das ich mehr liebe als
alle anderen

So gefühlvoll
dachte ich
so (scheinbar) simpel
so unaufgeregt

Dabei hatte ich gelesen
dass Mr. Blackmore diesen Song
hasste

Er war ihm zu
kitschig

Nur seinetwegen war er nicht auf
Machine Head
erschienen

Der Song landete als
B-Seite
auf der Single
deren A-Seite
Smoke on the water
war

Und dann
eines Tages
traf mich die Erkenntnis
mitten ins Herz

Wenn man ganz genau
oder eben nicht ganz genau
hinhört
kann man dieses Solo
ganz leicht
interpretieren
als

Höhnisches Gelächter!