Monatsarchiv: April 2020

Wüste

Die feuchte Alkoholikerin zog ein
beim trockenen Alkoholiker
Sex hatte die Türen geöffnet

Es dauerte
bis sie trocken wurde
Es gab Rückfälle

Aber dann
wurde auch sie trocken
Hallelujah! trocken!

trocken trocken

So verdammt trocken
Die Frustration zog ein
Die Türen blieben geschlossen

Die Wüste lebt!

Da fing der trockene Alkoholiker an
zu saufen
Die vielen Jahre der Klarheit

Dahin! Die Flasche
war so feucht
so feucht

so wunderbar feucht!
Wie ein frisches Grab im Regen
Wie zwei Körper vor dem Zerfall


Trägheit

sie er
trägt ihn

er er
trägt sie

sie er
tragen sich

wohin?

träge
ertragen sie sich

ins tragische
ende


Schmutz

»Wir müssten«,
sagte sie, »mal wieder
die Fenster putzen.«

Ich sagte:
»Wer rauskucken will, muss putzen.
Ich will nicht rauskucken.«

Das stimmt
nicht ganz.

Wenn eine junge Frau
mit nackten Schenkeln vorbei
geht, will ich.

Aber dann steht mir
der Schmutz
eigentlich ganz gut.

Und ich sehe
genug.

Also – ich bin raus.
Mag putzen wer will.

Ich will
nicht.

Vielleicht will sie
ja.


Die Vorstellung der Weite der Vorstellung

Die Sterne betrachten,
ohne ins Freie zu gehen –
in einem Buch
über Astronomie

Die Weite des Raums
in geschlossenen Räumen

Das Freie im Kopf
Die Vorstellung der Weite

Die Sterne betrachten
Im Licht der Lampen

Die Augen schließen
Und sehen


Album der Spiegel

Ein Album voller Spiegel
Geöffnet ohne Brechungen
Aufgeschlagen ohne dass es splittert

Flüchtiges Album der Gegenwart
Das Ich als optisches Phänomen
Scheinbar verkehrt

Die Erinnerungen nicht festgehalten
Sondern losgelassen
Hinter der Stirn im Spiegel

verkehrt verblasst
getönt beschlagen

Das Blättern fällt
schwer ein Spiegel
wiegt mehr als

Papierene Vergangenheit
Und nur wer einem ganz nahe ist
wird reflektiert

Für einen Augenblick
Verkehrt verblasst
getönt verschwunden

Ein Album voller Spiegel
Geöffnet ohne Brechungen
Aufgeschlagen ohne dass es splittert

Papier Glas Silber
Seiten Blätter Farben

Nirgends ist Schwarzweiß
Doch in keinem Album gibt es Zukunft


Bei Trost

Als man noch Landkarten
& Atlanten wälzte,
suchte ich Trost

Wo lag dieses Kaff?

»Der ist wohl nicht ganz
bei Trost!« sagten die Leute
so oft von anderen

Was versteht man als Kind?

Man versteht
was die Erwachsenen nicht meinen
Und das ist oft mehr, als sie denken

Die nicht bei Trost Seienden, wo waren die –
Bei sich? Zu Hause?
Bei anderen?

Unterwegs? Kurz vor Trost
oder darüber hinaus – hatten sie sich verlaufen?
Auf der Suche –

Trost – wo liegt dieses Kaff?
Und wer will da wohnen?
Gibt’s da einen Campingplatz?

All diese Fragezeichen –
Wie das Muster der Tapete im Kinderzimmer
Und die Antworten schnarchen nebenan

oder sterben im Schlaf
Ich war noch nie dort
& möchte auch nicht

dahin

Es wäre mir zu laut
zu öde
zu voll


Penderecki & Pavese

Im Fernsehen lief etwas Kulturelles,
also drehte sie sich auf die Seite
& schlief ein.
Penderecki war gestorben, sein Leben wurde kurz
zusammengefasst. Als es vorbei war,
stellte ich den Ton ab & ließ einen
Porno laufen. Ich spielte
an mir herum, ich dachte
an Cesare Pavese, dessen Böser Blick
auf meinem Nachttisch lag. Pavese
& die Frauen. Ich schaltete
alles aus. Neben mir
Schlafatem. An die Frauen
sollte man nicht zu viel denken. Sonst macht man
Schluss kurz vor 42
& schafft keine 86 mehr.