Monatsarchiv: Oktober 2019

3 Bücher

Wir lesen 3 Bücher
Mein Schatten, mein Spiegelbild & ich

Ein dunkles, ein verkehrtes, ein humoristisches
Das humoristische ist das schwerste

Verstehen wir sie?
Immer wenn ich zu den anderen hinüber schaue

Schauen sie zu mir herüber und lesen nicht
Vielleicht ist meinem Schatten das dunkle zu flach

Meinem Spiegelbild das verkehrte zu leicht
Wenn wir fertig sind, wollen wir tauschen

Mein Schatten nickt
Mein Spiegelbild lächelt


Unkonzentriert

Wie unkonzentriert
ich doch manchmal beim Gedichte-Lesen bin!

Des Dichters Asche
könnte feucht werden.

Bitte, lesen Sie dies
unkonzentriert.

Denken Sie
an etwas anderes.

Es geschieht mir recht.


Keine Bilder

Ein Säugling schrie verborgen
durch den Körper einer Frau

Wartezimmer, oder doch eher -halle: hohe Decke, harte Stühle hahaha
Menschen mit geschlossenen Augen & erweiterten Pupillen
Gut dass wir kein Kind haben

Die Frau, die für mich nur Rücken & Hinterkopf war,
legte sich ein Handtuch über die Schulter –
Schmatzen Saugen Grummeln
Das Auto stand im Absoluten

Halteverbot
Blick durchs Fenster
ob’s schon abgeschleppt – nee, da steht’s

noch
Wenn Gott oder Jesus persönlich
in schlechten Filmen auftreten

umgibt sie ein Leuchten, ein Schein ….
So sah ich
Alles im Moment

Ein paar Tropfen in die Augen
und Alles scheint heilig
im scheinheiligen Heiligenschein

Schmatzen Saugen Grummeln aus dem Jenseits
Jenseits der Frau
Stille Zufriedenheit

»Komisch« sagte die Geliebte
(auch sie besaß einen harten Stuhl; gleich
neben mir) – »keine Bilder«

tat
sächlich es
stimmte

Kahle Wände
Leer wie die Seite vor dem ersten Einfall
oder – nach den Einfällen – der Raum

zwischen den Zeilen

Aber: keine Bilder ist doch auch nur ein Bild

oder eine Metapher

Selbst keine Bilder lassen sich interpretieren
Schließlich waren wir in einer Augenklinik
– – – war das nun

Hoffnungslosigkeit
oder Rücksicht
Gedankenlosigkeit

oder einfach Das Große Garnichts?
(Sich vor eine Wand stellen & fragen:
»Was will uns das sagen?«)

Nüscht wie Nix
wahrscheinlich

Und wieder kam jemand vor mir dran
der nach mir gekommen war
(Auch so’n Lebensmotto)

Ich hatte Durst
Nicht dass ich auch unter das Handtuch gewollt hätte
Aber der Wasserspender in der Ecke

sah aus als hätte
Charlton Heston in einer Drehpause
sich einen Becher daraus abgefüllt

verkleidet als Moses
Ob der Säugling schlecht sieht?
Oder doch die Mutter?

Eine Uhr gab es hier auch nicht
die ich nicht hätte lesen können
Ein orangenes Blinklicht

hinter der Scheibe
jetzt? jetzt? –
nein, da steht’s noch

Das Vergehen der Zeit
ist kein Verbrechen
Oder doch? (Nur wenn man sich amüsiert)

Jemand hob die Lider
& sah mich an
Ja, schau nur her, ich bin’s

Simon Templer! – oder einer von den anderen
Da öffnete sich eine Tür
als ob eine Tür sich öffnen könnte

und eine Frau in Weiß sagte
meinen Namen


Rockgedicht

Beinahe hätte ich
ein langes Gedicht geschrieben

Aber nein. Mit Gedichten
verhält es sich wie mit Röcken

Die kürzesten
sind oft die schönsten

& was sich dahinter verbirgt
ist das Eigentliche.

Sieh, da liegt etwas
auf dem Grund…..

Heb es auf!


Bong Bong

Es war keine Kindheit
wenn dir nie ein Bonbon im Halse steckenblieb
& du dachtest ›Jetzt muss ich
sterben!‹

Aber dann
kam jemand & hielt dich
kopfüber in den Armen,
und du hörtest das Klickern
auf dem Fußboden

wie eine Murmel

Ein paar Tage später
bist du 59 Jahre alt
& erinnerst dich an
dieses Geräusch & das Gefühl

in der Kehle

Du hast noch fast alle
eigenen Zähne, aber klar –
sterben musst du trotzdem.

Doch vielleicht
schon wieder
nicht jetzt.