Monatsarchiv: Februar 2020

Die Wolle der Schafe

Erwacht
Ginnungagapisch gegähnt
Was hatte mich –
Ach ja: die Wolle der Schafe wuchs zu laut
Auf der Weide, 3563 Schritte
Von meinem Schlafzimmer entfernt
Aufstehen, auf, stehen, gehen
In den Spiegel schauen, aus dem Spiegel schauen
Toast springen lassen
Den Aufstrich der Kindheit verstreichen
Der Kaffee ist verbittert
Ich will ihm nicht ähneln
Die Sonne ist untergegangen
Ich will ihr nicht folgen
Im Radio wird ein Xylophon beklöppelt
Leben, heißa hopsasa
Ist das noch Traum, oder ist das schon
Nichts? Kaum
Aufgestanden, könnte man sich gleich
Wieder hinsetzen
Und zum Frühstück gemächlich ins Gras beißen
3563 Schritte von meinem Schlafzimmer entfernt
Ruhe da!
Sanft

Der Lärm des Pullovers
Echo der Strickmaschine
In den Spiegel schauen, aus – nee, halt
Da kommt nichts zurück
Gefangener Blick
Ein Sprung in der Oberfläche
Schnell nochmal die Zähne putzen
Damit der Bestatter nicht über Mundgeruch zu klagen hat
Alles fault gemütlich
Vor sich hin, hinter mir her
Ist das Noch, oder ist das Schon?
Wurde man jemals verstanden
Wenigstens von sich selber?
Das versteht sich
Von selbst
Nicht

Dann sattelten wir den Drachen
Das Brot zu erjagen
Wir schossen es von den Bäumen
Hangelten uns von Urlaub zu Urlaub
Wie weiland sich der Oberförster
Von Kronleuchter zu Kronleuchter geschwungen hatte
Um den Teppich zu schonen
Den Teppich, auf dem wir alle bleiben sollen
Für was? Für was denn, Hugo?
Nacht wird auf Nacht geschichtet
Am Ende: eine Mauer aus Nächten
Und dahinter – –
Ist das noch Leben, oder ist das schon
Nichts? Immerhin
Der Wurm, der dem Vogel zum Halse heraushängt
Wird nimmermehr dein Grab besuchen
Heißa hopsasa! Du blut-rotes Ding
Noch einzwei Zucker, dann isses vorbei
Mond geht auf, Hose geht auf
Abstrich des Alters
Im Keller stehen die Gläser mit Eingewecktem
Pfirsichmumien, von der Großmutter gepflückt
Sie strickte Socken, auf die man sich machen konnte
Sogar wenn man ziellos war
Irgendetwas glaubte man
Immer zu finden
28 Butterblumen, 17 Kieselsteine, des Müllers Lust

Es tropft die Zeit
Dann fließt, dann strömt sie
Flutet, überflutet
Gischtender Zeitfall gen Ende
Sintflut

Erweckt erwacht ertrunken
Knack end es Kiefer gelenk
Chaotisches Gedankenknäuel
Zu viel fallengelassen
Zu sehr verstrickt

Mählich wächst das Gras
Doch man ist fast schon taub
Noch dreimal schnell auf Holz geklopft +++
Klingt gut, der Sarg
Spiegelglatt, und riecht nach Pronto

Wie die Möbel in der Kindheit
Man glaubt beinah, bei Trost zu sein
Hohl über, Fährmann!
Reich mir die Hand
Reicht.


Evolutionsleere

Ich ging vorbei
Ich konnte gar nicht schnell genug
Vorbeigehen

Am Sportplatz
Ein Globus wurde getreten
Gefangene Luft in Tierhaut

Schreie & Gegröle
O Darwin! ich befürchte, der Mensch
Stammt vom Fußballer ab


Der Dritte Weltkrieg

Der Fischer blätterte um
Eine Frau stolperte
Fiel auf die Seite

Das löste den Dritten Weltkrieg

Aus

Ganz langsam
legte der Fischer das Buch
auf den Nachttisch

»Entschuldigung« flüsterte er
Er nahm sich vor
künftig vorsichtiger umzublättern

Dann schlief er

Ein


Das Lyrikregal

Alle anderen stehen
fest stabil massiv
bei

nahe unverrückbar
an den Wänden voll
von Prosa Wissenschaft

Philosophie Nur
das Regal mit den Gedichten
wackelt

Wannimmer man ein Buch herausnimmt
scheint es kurz vor dem Zusammenbruch
fragil & klapprig

Ohne Rückwand
schwankt es von links nach rechts
wie ein besoffener Poet

Eigentlich hatte ich es
festnageln wollen
ganz zu Anfang

Was für ein oberflächlicher
Gedanke denke ich
heute


Kaum hinaus

Kaum bin ich zur Tür
hinaus
erinnere ich mich nicht mehr
an meinen Namen

Da geht ein Fremder
in Allem was spiegelt
Man kann ihn nicht rufen
denn er weiß nicht

wie er heißt