Monatsarchiv: Mai 2011

Chronistenpflicht

Ich kannte sie
die junge Frau
deren Blut sie im Fernsehen zeigten
Ich saß mit meinem Bier auf dem Sofa
schaute die Nachrichten
Ein Unfall
ein zerstörtes Auto
Sie mußten
natürlich
das Innere
zeigen
Chronistenpflicht
Scheiß auf die Menschen
die sie kannten
die mit ihr gelacht hatten
Vergesst ihre Familie
das Innere ist wichtig
das Innere des Autos
in dem sie gestorben war
»Hast du die Blutlache im Bild?«
Sie war 20 Jahre alt
gewesen
Ich kannte sie
Kannte die Frau, die
ihre letzte SMS erhalten hatte
Die letzte SMS – kurz
vor der letzten Kurve
abgesendet
Ich ging in die Küche
Bier reichte da nicht


Spaziergang

Sie treten in die Fresse
die nichts zu fressen hat
Ihr Spaziergang um
Lust zu schnappen
in der dummen Sinnlosigkeit
ihres Daseins
Stiefel im Gesicht
rot vom Fusel
rot vom Blut
Das Leben fließt
gefühllos

Sie treten vorbei
gehen vorüber
Ihr Spaziergang um
Luft zu schnappen
in der sicheren Nutzlosigkeit
ihres Hierseins
Angst im Gesicht
Rot vor Scham
sollten sie werden
Das Leben flüchtet
gedankenlos

sie + sie =


Die unbekannte Welt

Du gehst durch die Welt
Die Welt, die du kennst

Du meinst, sie zu kennen
aber
es ist nicht dieselbe Welt

Du dachtest,
alles sei gleich,
alles dasselbe

und dann erfährst du
jemand ist gestorben
gestorben vor Jahren

Jemand, der zu deiner Welt
gehörte
(kein Kontakt seit Jahren, aber
das hatte keine Bedeutung)

Du bist gegangen
durch die Welt
die du glaubtest zu kennen
(alles schien vorhanden, im
Hintergrund, über den man
nicht nachdenkt)

Aber es war eine
andere Welt
durch die du gegangen bist
schon seit Jahren

eine unbekannte Welt
durch die du
unwissend
gegangen bist

seit Jahren


Narben

Deine Narbe hat dasselbe Muster
wie meine, sie
sieht aus wie der Weg auf einer
Landkarte

Ich kenne diesen Weg
ich weiß, wohin er führt

Ein Ziel
das wir beide
kennen.


Zirkus

Seht zu, wie ich über das Seil laufe
Seht zu, wie ich auf dem Seil springe
Seht zu, wie ich auf dem Seil tanze

Das Seil ist meine Welt
Das Seil ist die Zeit
Das Seil ist das Sein

Seht zu, wie ich
abstürze &
lächelt


Selbstzerstörung

Wenn ich mich selbst zerstöre
bin ich der Welt voraus
Der Tod ist mein Sklave
er muss tun was ich will

Die Selbstzerstörung ist mein Spott & meine
Verachtung für alles
was mir anerzogen wurde

Sie ist Flucht aber
sie ist auch Verfolgung

Freiheit im Gefängnis


Der große Gedanke

2 Sekunden zuvor hatte ich
den großen Gedanken

Er erklärte mir
die Welt

Plötzlich verstand ich
Alles

Die ganze Scheiße, das Leid,
die Freude

2 Sekunden zuvor saß ich still
in meinem Sessel

Ich fing an
Alles mit Humor zu sehen

Ich trank ein weiteres
halbes Glas

Und plötzlich war Er
weg

Aber ohne den Alkohol wäre er
niemals da gewesen


Betten

Du siehst durch Gitterstäbe
in die Welt
zauberhaftes Gefängnis
in dem Du träumst
Große Menschen beschützen
Dich

Gitterlos & schmal
Große Menschen kotzen Dich an
Du wichst 5 Mal am Tag oder
in der Nacht
Du träumst & träumst &
spritzt & spritzt

Weite Freiheit
voll von Gerüchen
4 Beine die auf 4 Beinen
sich winden
Flecken wie Landkarten
Feuchte Kontinente

Breite Gefangenschaft
Karussellene Langeweile
trottende Jahre
schweigend geteilte Einsamkeit
Argumente &
Ertragen

Schmale Vorbereitung auf
das Ende
weißes Metall
hochgeklappte Begrenzung
in fremder Umgebung voll von
Scheiße & Schmerz

Du siehst ins
Nichts
hölzernes Gefängnis
die letzte Enge
die ins Weite fließt
Ende & Vergessen


Die tote Katze

Die tote Katze lag auf der Landstraße.
Der Wagen vor mir nahm sie zwischen die Räder.
Ich nahm sie zwischen die Räder. Sah
keine äußeren Verletzungen. Wie im
Schlaf lag sie da. Jung gestorben. Eine
Anfängerin auf der Straße.
Ich sah sie im Rückspiegel, ich
entfernte mich. Im Rückspiegel sah
ich, wie sie aufrecht & fast durchsichtig am
Straßenrand saß. Sie blickte mir nach.
Ich hörte sie denken. Warum fahren
alle vorüber? Warum hält niemand an?
Warum legt niemand meine Leiche an
die Seite? – Im Dunkeln wird mich jemand
überfahren. Meine Eingeweide werden
über die Straße verteilt werden. Warum
fahrt ihr vorüber?
Sie blickte hinüber
zu ihrer Leiche.
Ich fuhr weiter. Schaute nicht mehr
in den Rückspiegel.
Fuhr 1 Kilometer, fuhr 1 ½ Kilometer.
Der Motor schnurrte. Ich fuhr 2 Kilometer.
Dann hielt ich an &
wendete.


Der Mond & seine Unterhose

Wir saßen auf der Terrasse
Sonne vergangen, TagesEnde
unsere Beine verschachtelt
Es war warm, Baumsilhouetten
im Mondlicht
Der Mond war voll &
von einer Farbe, die warm war
Gartenduft mischte sich mit
dem Duft ihrer Haare
»Schön«, sagte sie leise,
»der Mond.«
»Ja«, sagte ich, »als hätte
er sich die vollgekackte
Unterhose über den Kopf
gezogen.«
Sie kicherte. Stupste mich
an. »Du bist sooo romantisch,
du Arsch.«
Der Druck ihrer Oberschenkel
Ihr Kicheratem in meinem
Gesicht
Sie hatte recht
Ich war so verschissen
romantisch!


Alkohol-Werbung

Junge schöne Frauen in Hotpants
an SonnenStränden, blaues Meer, weißer Sand;
Sand, der zwischen ihren Zehen rieselt
Braune Locken, braune Beine, knappe Oberteile
blendende Zähne, schluckende Münder
funkelnde Gläser

Ich sitze vor dem Fernseher mit
einem Ständer; doch: andere Bilder
mischen sich ein :
Das Schaufenster eines Elektrohandels,
darin TVs, es läuft dieser Spot,
davor liegt jemand in seiner Kotze,
bewußtlos …………………
Menschen gehen vorüber, unbeteiligt,
Nasen rümpfend. Ich, der
ich die Treppe herunterfalle; ich
sehe ……………………..
mein Spiegelbild ….. &

mein Ständer
bricht zusammen

Ihr Heuchler!


Das Fotoalbum

Dieses Fotoalbum war typisch für
meinen Bruder. Ein auf den ersten
Blick normales Album mit Familien-
fotos, Urlaubsschnappschüssen,
Kinderbildern, Bildern vom Hund,
von den Katzen. Ein Album, in dem
Besucher blättern. Man blätterte,
mehr oder weniger gelangweilt.
Und dann gab es da diese kleinen
zufällig verteilten ÜberraschungsTupfer :
Fotos seiner Frau : zB Rückansicht
im langen Abendkleid

welches sie hinten hochhebt, über die
Schulter in die Kamera lächelnd;
ein nackter Hintern, eine
flirrende Oase in der Wüste des
EwigGleichen.
Ein Fotoalbum, das den Gesichts-
ausdruck des Blätternden verändern
konnte. Ihre Muschi zwischen den
Katzen. Sie saß, scheinbar gelassen,
daneben, sagte:
„Ihr kennt ihn doch.“ (Ich fühlte
das Blut, das in ihr Gesicht fließen
wollte; wie ich Alles in ihr fühlte.)
Ja, man kannte ihn.
Ich liebte dieses Album.
Wie oft hatte ich mir damit
einen runtergeholt. Sagte mir,
sie hätte bestimmt nichts dagegen.
Und dann brauchte ich irgendwann
das Album nicht mehr. Denn
ich hatte sie. Wir uns. Er hätte
das Album – rechtzeitig –
verbrannt, wenn er so weit hätte
denken können.


Ab-Sturz

Als ich aufwachte, tat mir der Arsch weh
Ich wusste nicht, warum
Die Schlafzimmertür stand offen
ich hatte sie nicht mehr schließen können
Die Hose lag am Boden, Knopf geschlossen
ich hatte ihn nicht mehr öffnen können
Im Briefkasten eine Benachrichtigung
Jemand hatte geklingelt, ich war
nicht aufgewacht
Ich kochte mir ein Ei
ging ins Bett zurück
aß vorsichtig
Schlief wieder ein

Am nächsten Morgen
wachte ich auf
ging in den Keller, wo
mein Rauch- & Saufzimmer ist

Bücherstapel auf der Treppe waren
zusammengebrochen
Flaschen lagen überall &
ich erinnerte mich:

Ich war die Treppe runtergefallen
Das erklärte den Schmerz
beruhigend

Hier unten
am Fuß dieser Treppe hatte
viele Jahre zuvor
meine Mutter gelegen
mit gebrochenen Rippen
Um Hilfe rufend, aber ich
hatte geschlafen

Es war das erste Anzeichen gewesen:
Sie konnte es sich nicht erklären –
eine Stufe passte nicht in ihren SchrittRhythmus

: Parkinson


Multiple Choice

Willst Du mein Freund/in sein? Ja [ ] Nein [ ] Vielleicht [ ]
Bist Du mein(e) Feind/in? Ja [ ] Nein [ ] Vielleicht [ ]
Willst Du mich halten? Ja [ ] Nein [ ] Vielleicht [ ]
Willst Du mich quälen/töten? Ja [ ] Nein [ ] Vielleicht [ ]
Vertraust Du mir? Ja [ ] Nein [ ] Vielleicht [ ]
Hasst Du mich? Ja [ ] Nein [ ] Vielleicht [ ]

Alle Stifte sind zerbrochen
Die Minen liegen am Boden
unterm Boden
Kein X, dass man mir fürs U vormachen könnte
Kreuze, die ich trage
Kreuze, die ich mache

Die Wahl ist
keine Wahl

Kreuze & Nägel & Hämmer


Der Briefkasten

Wenn das Schreiben nicht mehr hilft
Wenn der Alkohol nicht mehr hilft
Wenn die Musik nicht mehr hilft
Wenn schlechte Nachrichten kommen
Wenn die Angst auf deinen Rücken springt &
sich an deinem Hals festhält

Was bleibt?

Du wähnst dich allein im All
auch wenn Unzähligen das Gleiche
passiert

Ruhig erwachte ich in der bekannten Welt
Wußte, was ich tun würde
….gelassen…..
ging ich zum Briefkasten &

fiel in eine unbekannte Welt

in der meine Existenz
zittert


Shorts

Manchmal fahre ich in die Stadt
in die Sonne
Ich setzte mich auf den Marktplatz
um Beine zu sehen

[Beine = Frauenbeine
denn Männer haben nichts
was diese Bezeichnung verdient.
Wir haben Gehwerkzeuge.]

Und manchmal geht eine
junge Frau vorüber
deren Jeans ungleichmäßig
kurz geschnitten wurden
Die Fransen sind ungleichmäßig
alles ist schief
Keine maschinelle Fabrikation

Das ist der Wille
denke ich
Der Wille
die Beine zu zeigen

Sie hat sich eine Schere genommen
zu meinem Glück &
dachte vielleicht:
Ein Stückchen kürzer geht’s noch

Und ich freue mich
& beneide sie
maßlos


Licht

Ich bin so ein kleines Licht
aber das kleinste Licht
reicht aus
die Finsternis zu killen


Gänsehaut

Wenn Du Deine Gänsehaut
auf meine legst
passen wir ineinander
wie Zahnräder


In der Nachtbar

Buntgedämpftes Licht, Kerzenflämmchen
glänzende Gläser
Stimmenteppich, vereinzelt Lachen
Nutzloses Klaviergeklimper
gesichtslose Menschen an Tischen & Theke

Ich trinke Rotwein mit
Allem, was sich darin spiegelt

Am Nebentisch sitzt das Leben
wie immer
Es sitzt immer am Nebentisch
allein
Es ist eine Frau, abgewandt
sie sieht mich nicht

2 Tische weiter sitzt der Tod
allein
Der Tod ist heute eine Frau, sie
ist schön, sie
beobachtet mich
Ich proste ihr zu, lächle

Sie grinst verächtlich

An meinem Tisch sitzt die Einsamkeit
sie trägt ihre Tarnkappe, un sicht bar
Sie schweigt
Nur zuhause spricht sie mit mir
oftmals mit meiner Stimme
Dort nimmt sie manchmal die Tarnkappe ab
Manchmal ist sie schön & begehrenswert
Manchmal ist sie häßlich & abstoßend
oftmals ist sie
ich

Auf einer kleinen Bühne tanzt die Nacht
nackt unter schwarz-diaphanem Schleier
eine perfekte Silhouette von dunkler Grazie

Ich bestelle noch einen Wein
Die Bedienung hat kein Gesicht, kein
Geschlecht, kein Gefühl
Das Glas klopft auf Holz

Der Tod schaut mir gelangweilt zu
Das Leben hat einen schönen Rücken

Ich verstehe kein Wort von dem
was gesprochen wird
in einer Sprache, deren Klang ich
noch nie gehört habe

Die Einsamkeit legt mir ihre
durchsichtige Hand zwischen die Beine
während ich den Tanz der Nacht
beobachte

Ich trinke aus
Ich stehe auf
Nähere mich dem Tisch, an dem
das Leben sitzt, abgewandt
Das Leben ist eine Frau, ich
möchte nur ihr Gesicht sehen
einmal
nichts weiter
Ich gehe ein Stück am Tisch vorüber
um mich dann umzuwenden

Der Tod beobachtet mich
amüsiert

Ich drehe mich herum &
blicke in das Gesicht des
Lebens

Ich unterdrücke einen Schrei

Dann renne ich durch die Straßen
renne durch Laternenlicht
Verdunkelte Häuser spielen mit dem Klang
meiner rasenden Schritte

Die Einsamkeit folgt mir unsichtbar
folgt mir nach Hause, wo wir
uns einsperren werden
Mir fällt ein:
Ich habe nicht bezahlt, ich bin
geflohen
Niemand hat mir nachgerufen
Niemand hat’s bemerkt, oder
es war ihnen egal

Aber ich weiß:
Ich werde zurückgehen
irgendwann
& dann werde ich
bezahlen

Alles werde ich
bezahlen

 

(Inwendig vorgetragen:)


Schrecken

Als Kind
im Dunkeln wußte ich
dass hinter den Büchern im Regal
in meinem Zimmer
eine schwarze schreckliche Welt
existierte
unendlich & kleine Kinder stehlend
Ich wagte nicht aufzustehen &
ins Regal zu fassen
Ich zog die Decke über den Kopf
in dem die Unendlichkeit sich spiegelte
Ich sah Arme hinter den Büchern
Hände die nach mir greifen wollten

In andern Nächten
lag ich im Dunkeln & stellte mir
das Nichts vor
in das der Tod mich werfen würde
Es gelang mir
das Nichts zu denken
Ich war zu Tode erschrocken

Ich wurde älter
wurde weniger
Welten zogen sich zurück
von mir
Depressionen stahlen Bilder
Neurosen betäubten

Noch einmal möchte ich
zu Tode erschreckt werden
von meiner
Fantasie
aber meine Fantasie
ist fast schon
tot


Als ob

Aus dem Mülleimer
nahm ich mir das Bruchstück einer
Gardinenstange

Ich war 5
Ich stellte mich vor den Fernseher
Es lief ein Symphoniekonzert

Ich dirigierte
Ich wußte: sie folgen mir
Der Dirigent tut nur so
als ob

So
blieb
es


Fickende Hunde

Die Hündin spazierte durchs Dorf. Frei, allein, suchend. Eine wunderschöne Husky-Dame im Sonnenlicht. Man kannte sie, man wußte, wo sie wohnte. Bewundernde Blicke folgten ihr. Die Kinder liebten sie.
Wir lagen angezogen auf dem Bett. Oben im Schlafzimmer, quer auf dem Ehebett, die Füße auf dem Boden, frontal zur Tür. Es war Tinas Bett. Ich war nur zu Besuch. Das Fenster weit offen, Wärme kam herein, Helligkeit überall. Meine Hand war im Schatten. Unter ihrem Kleid. Ihre Hand spielte mit meinem Schwanz, ich spürte die Zähne vom Reißverschluß.
„Keine Sorge“, wiederholte sie (warmer Atem, auf meine Nase gehaucht), „er kann unmöglich vor 3 zurück sein.“
Das waren noch 2 Stunden. Aber eine gewisse Unsicherheit blieb immer. Er konnte sich seinen Job selber einteilen; es war immer möglich, dass er plötzlich wieder zu Hause auftauchte. Aber diesmal hatte Tina den Termin überprüft. Sie war sich sicher. Ich hatte kein Verlangen nach Eile, nach albernen Szenen, nach Slapstick. Ich hatte mir schon einmal ein bißchen Haut im Reißverschluß eingeklemmt. Der Charlie Chaplin der Ehebrecher. Darauf konnte ich gut verzichten.
An der kleinen Brücke, die über das Bächlein führte, kam der Promenadenmischling auf sie zu. Schnüffeln vorne, Schnüffeln hinten. Allzu lange wurde nicht gefackelt. Er sprang auf. Jaulende Fickerei.
Das Bett roch nach Ehe. Zumindest roch es nicht nach Tina allein. Und dadurch roch es auch irgendwie nach meiner Freiheit. Meiner Unabhängigkeit. Ich schob ihr Kleid ein kleines Stück höher. Ihre Hand hatte mich fest im Griff.
„Schön hart“, flüsterte sie, „wie wär’s mit Ausziehen?“
Jemand stand im Zimmer. Wir hatten nichts gehört. Tina ließ meinen Schwanz los, nun kriegte er wieder Sonne. Meine Hand blieb im Schatten.
Es war ein Mädchen aus der Nachbarschaft, 10 oder 11 Jahre alt. Ich war so überrascht, dass ich mich nicht bewegte. Tina richtete sich etwas auf.
„Ich wollte nur sagen, dass Ihr Hund draußen rumläuft, und ein anderer Hund ist grad auf ihm drauf. Bei der Brücke.“
Das Mädchen drehte sich um & war so schnell verschwunden, wie es gekommen war.
„Danke“, rief Tina ihm nach.
„Verdammt“, sagte sie dann, „wir hätten die Terrassentür zumachen sollen.“
„Tja, jetzt isses eh zu spät“, sagte ich.
„Du hättest ruhig mal deinen Schwanz bedecken können.“ Sie grinste.
„Du hättest ihn ja nicht loslassen müssen. Tatsächlich hab ich vor Schreck an gar nichts mehr gedacht.“
Sie ließ sich wieder zurücksinken.
„Sollen wir sie reinholen“, fragte ich.
„Wie du schon gesagt hast: Jetzt ist es eh zu spät. Sie kommt ja immer zurück. Wo waren wir gerade?“
„Für den Fall, dass noch jemand kommt, könntest du ihn sicherheitshalber schon mal in deinem Mund verstecken..“
„Erst ausziehen“, sagte sie.
Kleiderstaub tanzte in der Sonne. Wärme, Gerüche, Geräusche.
Stille, als sie mir mit den Oberschenkeln die Ohren zuhielt.

„Ein halbes Stündchen haben wir noch“, sagte sie. „Dann müssen wir das Bett beziehen.“
Wir rauchten, lagen nackt auf der Bettdecke, die Beine ineinander verschränkt.
Ich sagte: „Gut, dass ihr keinen näheren Kontakt zu den Nachbarn habt. Oder meinst du, dass er’s auf diesem Wege doch erfährt?“
„Glaub ich kaum.“
Der Zigarettenqualm leuchtete. Wir küssten uns. Und wieder kam jemand ins Zimmer.
„Na, du kleine Schlampe“, sagte ich.
Sie wedelte. Kam ans Bett.
„Wie redest du mit meinem Schatz“, sagte Tina.
Wir streichelten sie beide.
Ich fragte: „War’s wenigstens schön für dich?“
Tina sagte: „Das sieht man doch. Dieser zufriedene Gesichtsausdruck.“

Die Welpen sahen zum Teil nach Boxer aus, zum Teil nach Schäferhund. Von Husky sah man nichts.


Spinnen

Meine Phobie ist differenziert:

Ich habe nichts gegen ganz dünne Spinnen,
mit kleinem Körper;
sie sind behäbig, beschaulich,
langsam, sie verlassen selten ihr Netz,
erweitern es nur ab & zu; sie
überraschen einen nicht, man kann
sich auf sie verlassen. Solche Spinnen
haben bei mir eine gute Lebenserwartung;
ich gehe an ihnen vorbei, grüße sie, und
sie danken es mir mit Ruhe.

Was ich hasse, was ich fürchte, was mich
anwidert, sind die dicken großen schwarzen Spinnen;
plötzlich sind sie da, man weiß nicht, woher;
plötzlich sind sie weg, man weiß nicht, wohin;
Sie sind schnell, sie huschen, sie jagen, sie
scheinen kein festes Wohnnetz zu haben;
nirgends ist man sicher vor ihrer
rasenden Gegenwart; sie beobachten
dich, sie fliehen vor dir.
Meine Mordgier kennt keine Grenzen,
wenn es um diese Einbrecher geht.

Ich bin dünn. Ich lebe beschaulich.
Ich bin langsam. Ich verlasse selten mein
Netz.
Draußen sind die Raser, die
Huscher, die Jäger, die Störer.
Ich ruhe.

Ich spinne.


Sternenhagel

Sterne hageln
bis mir der Schädel platzt
nachts liege ich auf der Terrasse
voll
Pisse in den Garten
hoffe dass das Gras verreckt
Vögel die erwachen
beschimpfe ich
ich will nicht
dass der Tag
kommt


Verklemmt

3 Gewehre gibt es in meinem Haus,
1 Pistole, 1 Revolver.
Alle haben sie Macken, ich
befürchte sie funktionieren nicht.
Ich befürchte, sie werden nicht
funktionieren, wenn es darauf
ankommt. Ich habe eine
Macke. Und die Pistole ist
verklemmt.


Selbstkritik

Übelkeit & Schwindel.
Schlimmes ahnend & verkatert
nähere ich mich den Blättern, die ich
in der Nacht beschrieben habe.
Bevor ich vom Stuhl kippte.
Lass es nicht zu sentimental geworden sein,
bete ich zu mir.
Ab 3 Promille aufwärts sitzt mir der
Kitsch sehr locker. Gefühle schreien:
Ausverkauf! Alles muss raus!
Ich schmiere Schmalzbrote &
haue sie mir selbst um die Ohren.
Ohren, die mich auspfeifen, wenn
ich es schließlich bis ins Bett
geschafft habe. Taub von zu lauter
Musik. Wenn ich
erwache, erinnere ich mich
dunkel an all die ausgekotzten
Gefühle der Nacht. Dann ist es mir
peinlich. Schlimmes ahnend
nähere ich mich den Blättern, die
wie weggeworfen daliegen. Ich
lese. Und denke: Scheiße, es ist
wieder passiert!

Und doch – ich
lasse alles wie es ist. Wer Angst vor
Peinlichkeit hat, sollte gar nicht
schreiben. Was der Alkohol mir
diktiert, war irgendwo
verschüttet. Und
zumindest
ist es ehrlich. Das
reicht.


Astronomie

Schwarz ist das Universum
Du : ein Stern
Ich : Dein Mond

Planeten :
bewegen sich
um &
in uns

Die Sonne ist –
Dein Blick


Du sollst

Angst sollst du haben – vor mir,
damit ich dich überraschen kann
durch Freundlichkeit

Hilflos sollst du sein,
damit ich dich überraschen kann
durch Beistand

Einsam sollst du sein,
damit ich dich überraschen kann
durch Mitgefühl

Unruhig sollst du sein,
damit ich dich überraschen kann
durch Ruhe

Kalt sollst du sein,
damit ich dich überraschen kann
durch Wärme

Traurig sollst du sein,
damit ich dich überraschen kann
durch Glück

Lieblos will ich sein,
damit du mich überraschen kannst


Fremd

Schreie, die in Taubheit sinken
Gesten, erstickt in Blindheit
Berührungen sterben in der Lähmung

Warum sind wir Fremde?
Vereinzelt & hilflos

Keine Rettung –
der Fremde geht vorbei,
versunken in sich

Versunken in der Welt,
die niemand mit ihm teilt


Herrenlos

Der Mann schlug den Hund.
Der Hund heulte, der Hund schrie.
Der Junge sah den Mann, der Junge sah
den Hund. Der Junge dachte:
Geh doch endlich wieder zurück.
Zurück ins Krankenhaus.
Du Quäler
.
Der Mann lag im Sarg. Der Sarg war offen.
Der Junge betrat die Kapelle.
Der Junge sah den Mann.
Der Junge erkannte ihn nicht.
Der Junge schrie, der Junge heulte.
Er brach zusammen.
Man brachte ihn nach Hause.
Der Junge streichelte den Hund.
Der Hund war herrenlos.


Schwarze Regenschirme in Halbmondnächten

Der Wahnsinn :
ein Freund, der in alten Lampen wohnt.
So. Ist. Es. Es ist so.
So : Woche. Für. Woche :
2 Tage : Arbeit : sehe & spreche
Menschen; wenige;
5 Tage : HausArrest : gehe nicht ans
Telefon; an die Haustür nur …
wenn ich zu besoffen bin, mich daran
zu erinnern, dass ich nicht an die Haustür gehe.
Lade niemanden ein. Besuche niemanden.
Müll : bringe ich nachts raus, im
Licht der Straßenlaternen,
höre dabei, wie die Musik aus
dem Haus in den Garten schwingt.
Keine Rücksichten. Ich tue
was – Es – will – in – Mir. In
sternenklaren Halbmondnächten :
nehme ich einen von 21 schwarzen
Regenschirmen & trage mich
durch die Straßen. Sehe :
dunkle Fenster glänzen. Wann bin ich
zum letzten Mal wirklich
aufgewacht. Ich erinnere mich
nicht. Was für ein Leben – –
der Euphorie! Was – für ein Tanz!
Das Ich : ein steppender Zombie,
Gene Kelly nach der Auflösung,
ein flüssiger Fred Astaire, ins Erdreich
gesickert. Der Halbmond :
mir zu grell, ich
spanne den Schirm auf. Pfeife,
bevor der erste verdammte Vogel es tut.
Zuhause : fülle ich mir Einsamkeit in
Flaschen; streiche Trauer aufs
Brot. Saufe, beiße zu – mit Genuß.
Stolpere & falle : in das Licht
meiner alten Lampen.


Hund & Geier

Ich saß auf dem Klodeckel & schaute ihr beim Schminken zu.
„Wie spät isses?“ fragte sie. Sie trug ein weißes T-Shirt. Stand vorm Waschbecken.
„5 Minuten später als eben“, sagte ich.
„Verdammt.“
Ein T-Shirt, sonst nichts. Die Sonne schien.
„Entspann dich, du kommst schon nicht zu spät. Und selbst wenn, scheiß drauf.“
Sie hatte seit einigen Wochen einen Job als Kellnerin in einem Café.
„Du kannst dir das doch erlauben.“
„Das ist genau der Punkt“, sagte sie. „Ich will diesem verdammten Geier keine Munition liefern. Wofür auch immer.“
Ihr Chef war geil auf sie; ständig machte er anzügliche Bemerkungen oder ließ zweideutige Sprüche ab. Er kreiste um sie herum wie der Geier ums Aas, deshalb nannte sie ihn nur noch so.
„Du brauchst bloß 2 Mal mit dem Hintern zu wackeln, und schon darfst du 2 Stunden zu spät kommen.“
„Du Arsch.“ Sie grinste.
„Genau.“
Ich streichelte ihre Beine. Bei den Kniekehlen sagte sie: „Nicht. Das kann ich jetzt nicht gebrauchen.“ Die Kniekehlen waren ein ziemlich sicherer Schalter, wenn man bei ihr etwas in Gang setzen wollte.
Ich rutschte vom Deckel & hockte mich hinter sie. Streichelte ihre Oberschenkel. Hob das T-Shirt etwas an & und küsste ihren Hintern.
„Vorsicht“, sagte sie, „sonst verschmink ich mich noch.“
„Du bist schön genug“, sagte ich. Und konnte es mir nicht verkneifen, hinzuzufügen: „Zumindest für den Geier.“
Sie drückte mir den Hintern ins Gesicht, eine nette Art von Ohrfeige.
„Das ist nicht komisch“, sagte sie. Aber ihre Stimme sagte etwas anderes.
Ich biß zu. Sie ließ sich nicht stören. Sie hatte ein Geburtsmal auf der linken Wange, einen roten Kreis mit ungleichmäßiger Oberfläche; den deckte sie immer so kunstvoll ab, dass er nicht einmal mehr zu erahnen war. Das nahm einige Zeit in Anspruch.
Ich streichelt weiterhin ihre Beine, ließ die Zunge wandern ….. & irgendwann hatte ich meinen Schwanz draußen & streichelt damit ihre Wade. Wir sagten beide nichts mehr. Das Streicheln wurde schneller. Und es dauerte nicht lange, da spritzte ich ihr aufs Bein.
Wortlos nahm sie ein Handtuch vom Halter & reichte es mir. Ich wischte erst ihr Bein ab, dann meinen Schwanz, packte ihn wieder ein & setzte mich zurück auf den Klodeckel.
Sie grinste mich an. „Na, geht’s dir jetzt besser?“
„Und ob“, sagte ich, „das war dringend.“
Sie tupfte immer noch an ihrer Wange herum. Sie sagte:
„Ich hab erst gar nicht gemerkt, was los war. Und als ichs dann gemerkt habe, dachte ich mir, lass ihn mal machen. Das war wirklich mal was Neues.“
„Ich bin halt ein Hund. Und Hunde ficken Beine.“
„Soll ich dich von jetzt an Lumpi nennen?“
„Nein danke, lieber nicht.“
Schließlich war sie fertig mit ihrem Kunstwerk. Fehlte nur noch der Lippenstift. Ich hasse Lippenstift. Bevor sie ihn auftrug, gab sie mir einen Kuss. Dann gingen wir ins Schlafzimmer, sie zog das T-Shirt aus & ihre Arbeitsklamotten an. Weiße Bluse, enger schwarzer Rock, dunkle Strümpfe. Da sie Strumphosen nicht mochte (und ich noch weniger), waren es selbsthaftende Strümpfe. Zum Schluß kamen die bequemen Schuhe dran.
„Also, dieses Arbeitsoutfit hat was“, sagte ich. „Kein Wunder, dass da der Geier zum Geier wird. Vor allem der Rock. Was das angeht, hat er einen guten Geschmack. Auch sonst natürlich.“
„Pass auf, was du sagst, du Hund.“ Sie lächelte & gab mir einen vorsichtigen Abschiedskuss.
„Scheiß Lippenstift“, sagte ich.
Und dann war sie auch schon weg. Ich schätzte, dass sie vielleicht 5 Minuten zu spät kommen würde.
Ich machte mir eine Kanne Tee, stellte sie neben das Bett, zog mich aus & machte es mir gemütlich. Ich las Oblomow. Das passte zu mir.
Nach ein paar Stunden, stand ich auf, schnappte mir den Staubsauger & machte mich nützlich. Anschließend setzte ich mich aufs Sofa & schaltete den Fernseher ein.
Sie kam 2 Stunden zu früh nach Hause. Schöne rote Dämmerung.
„Wassn jetzt los?“ sagte ich. Stellte den Ton ab.
„Das war’s mit dem Job. Ich hab gekündigt. Bin einfach gegangen.“ Sie zog die Schuhe aus.
„Was hat er gemacht?“
„Mir an den Hintern gepackt.“ Sie zog den Rock aus, warf ihn über einen Sessel & setzte sich neben mich aufs Sofa. Gab mir Lippenstift.
„Soll ich ihn zusammenfalten?“ sagte ich.
„Ach Quatsch. Isser nicht wert. Und so dramatisch isses ja nun auch wieder nicht. Ich hab da nur einfach keinen Bock mehr drauf. Solche Jobs gibt’s wie Sand am Meer. Dann geh ich halt woanders hin.“
„Erzähl mal.“
Sie lächelte. „Geiler Hund. Willst alles ganz genau wissen, was?“
„Rein wissenschaftliche Neugier“, sagte ich.
„Ging natürlich schon damit los, dass ich nicht ganz pünktlich war. Die üblichen dummen Bemerkungen. Was ich denn noch vorher so Wichtiges getrieben hätte. Getrieben natürlich schön betont. Und das ging dann die ganze Zeit so weiter. Und immer diese Geiervisage um mich rum. Wo der immer überall hinstarrt.“
„Lohnt sich ja auch“, sagte ich & starrte auf das Stück Oberschenkel zwischen Strumpf & Bluse.
„Sehr witzig. Jedenfalls, irgendwann saß er dann hinten in seinem Büro & hat mich gebeten, ihm ne Tasse Kaffee zu bringen. Bin ich also hin. Er sitzt am Schreibtisch, ich stell die Tasse ab, er sagt Danke & tätschelt mir den Arsch. Da hab ich ihm gesagt, dass er sich den Job in seinen Arsch schieben kann.“
„Wortwörtlich?“
„So ungefähr.“
„Und dann?“
„Wollte er natürlich beschwichtigen. Das wär doch ganz harmlos. Ihm sei die Hand ausgerutscht. Und so weiter & so weiter. Ich bin einfach gegangen & hab ihn da sitzen lassen. Wahrscheinlich dachte er nicht, dass ich sofort nach Hause fahre.“
„Isser bei den andern auch so?“
„Nee, eben nicht. Es sei denn, die hätten nicht die Wahrheit gesagt, aber das glaub ich nicht.“
„Tja“, sagte ich, „er weiß halt, was gut ist. Hat sich den richtigen Arsch ausgesucht.“
„So so“, sagte sie, ihr Gesicht ganz nah, in Haarduftnähe, „es stört dich also nicht, dass er deinen Arsch angefasst hat?“
„Es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel Sturmfluten.“
Sie legte mir ihre Hand zwischen die Beine. „Ich scheine gut erzählt zu haben“, sagte sie.
„Ich habe es praktisch vor meinem geistigen Auge“, grinste ich.
„Dein geistiges Auge kenne ich. Ich werds mir gleich mal ansehen.“ Sie öffnete den Reißverschluß.
„Weißt du“, sagte ich, „ich stell mir gerade vor, du hättest dort in einem superkurzen Minirock arbeiten müssen, ohne Strümpfe, offene Schuhe, durchsichtiger Slip. Meine Fresse, kaum auszudenken.“
„Als ob es irgend etwas gäbe, was du dir nicht ausdenken kannst“, sagte sie & gab mir die Reste ihres Lippenstifts.


Auf dem Minigolfplatz

Sie hatte eingelocht….
bückte sich nach dem Ball….
sagte: „Hast du gesehen, wie der Typ
mich angestarrt hat?“
Ich nickte.
„Ich finds nicht ok, dass du rumläufst
wie ein Penner. Solche Typen denken
dann ‚Hey, die kann ich auch haben, wenn
der sie haben kann.’
Sie trug diese engen weißen Jeans….
„Das ist der Punkt“, sagte ich, „nobody is
perfect; ich sollte sowas nicht denken, aber
ich denke, die denken, was muss dieser
Bursche für Qualitäten haben, wenn so
eine Frau mit dem zusammen ist
.“
Sie lächelte.