Monatsarchiv: Juni 2013

Hatten wir sie wirklich?

Hatten wir wirklich
irgendwann einmal
so
viel
Zeit
wie wir
verloren haben?

Haben wir sie überhaupt
verloren?
Haben wir sie nicht
eher
weggeworfen
liegengelassen
vergessen
?

Weggeworfen in Menschenmengen …..
wo sie zu Tode getrampelt wurde.

Liegengelassen an Orten …..
wo wir
nichts
zu suchen & daher
nichts
zu finden hatten.

Vergessen
weil unsere Sinne abgelenkt waren
durch Alles
Laute
Grelle
Aufdringliche

durch Alles
was trotz seiner offenkundigen Schwäche
stärker war als unsere Erkenntnisfähigkeit.

Vergessen
weil unser Empfinden gefesselt war
durch alberne Ziele
in einer lächerlichen Welt.

Diese unfassbare Dummheit –
sich der eigenen Sterblichkeit bewusst
& dennoch so verschwenderisch zu sein!

Hatten wir wirklich
irgendwann einmal
so
viel
Zeit?

Ja, wir hatten sie.

Und
noch
ist
Zeit
übrig.

Eine andere Zeit.

Noch
ist
Zeit

zu lernen

es
anders
zu machen.

Zeit
zu gewinnen.

Durch
Bewahren.


Dieser Stolz

Dieser Stolz
der verhindert
dass man

sein innerstes Selbst auslebt
genießt
liebt
überlebt

Dieser Stolz
der verhindert
dass man

sein innerstes Selbst erkennt
& die Wahrheit sieht

Dieser Stolz
der

nichts ist
als
Betrug –

Selbstbetrug
vor allem.

Der oder die
Stärkere
will man sein

Das eigene Wunschbild
im Spiegel fremder Augen

Ein Herrscher oder
eine Herrscherin
der oder die
den Heldentod nicht scheut.

Doch der sogenannte Heldentod
ist auch nur
ein Haufen dampfender Gedärme
im Dreck.

Sie sagte:
»Die Männer, die gerne betonten, dass
ich sie unbedingt hatte haben wollen –
hatten mich nicht lange.«

Er dachte:
Man wird mir einen Orden umhängen.
Mein Name wird mich überleben
in der Geschichte.

Am Ende
war sie allein
(& es störte sie kaum –
was das Schlimmste daran war).

Am Ende
war er
verwest & vergessen
(& es kümmerte
niemanden –
was nicht weiter schlimm war).

Dieser Stolz
tötet
Alles

in
Liebe

& Krieg.

Er ist
etwas
für Schwächlinge.

Und was der Stolz nicht wahrhaben will
ist
oftmals
die Wahrheit.


Der Schein trügt

Am Ende wird es aussehen
als hätte es einen nicht interessiert.
Als hätte man nichts darin
merk-
würdig
gefunden.

Vielleicht sogar
wird es so aussehen
als würde man es
nicht kennen ….

…. hätte es
nie
gelesen.

Fast
wie
neu

könnte es aussehen

am Ende –

Das Buch,
in dem man
jeden Satz
unterstreichen möchte ….
& deshalb
NICHTS
unterstreicht.


Die Schlange auf der Socke

In der Einöde des Jobs
fiel mein Blick
wie zufällig
auf die schwarze Socke meiner Arbeitskleidung.
Eine feine Schlange wand sich darum:
Ein langes blondes Haar.
Und die Erinnerung an das Lachen
reichte für ein Lächeln.
»Du reisst mir noch mal alle Haare aus«,
hatte sie gesagt.
Und tatsächlich
fand ich sie
überall.
Zuhause
wo ich jetzt gern gewesen wäre.
Mit meiner Erinnerung.
Und den Schlangen.
Eng umschlungen.
Mit ihr.
Die sie zurückgelassen hatte.
Ich
ließ das Haar, wo es war.
Und die Erinnerung an das Lachen
reichte für ein Lachen
in der Einöde des Jobs.
»Übrigens«, hatte sie gesagt
(& es war ein historischer Satz),
»Du hast mir genau
aufs Zäpfchen gespritzt.«


Der Verlust des Unbewussten

Der Mann liebte
ganz besonders
diese eine Bewegung,
die sie
unbewusst
immer wieder machte.

Sie gehörte zu ihr
wie ein winziger Tick.

Eines Tages
sagte er es
der Frau.

Ab jenem Tag
schien
für ihn
das Unbewusste dieser Bewegung
verloren zu sein.

Er glaubte,
Absicht zu erkennen.

Und er hörte auf,
diese Bewegung zu lieben.

Er begann,
sie zu hassen.

Er fühlte sich
manipuliert.

Sah
einen Trick
im Tick.

Mag sein,
so dachte er,
dass ich mich irre.
Mag sein,
dass die Absicht
nur in meiner Wahrnehmung
existiert.

Es machte
fast
schon keinen Unterschied mehr.

Bewusst
oder
unbewusst.

Die eigenen Worte
hatten seinen Blick verzerrt.

Und der Mann dachte:
Hätte ich doch nur
geschwiegen!


Zu leben verstehen

Der Eine sagte:
»Ich verstehe zu leben.«

Und er begab sich
unter Menschen
handelte
arbeitete
zerstreute sich.

Der Andere dachte:
Wenn das Leben ist –
möchte ich es nicht verstehen
zu leben.

Und er blieb
allein
betrachtete
dachte
konzentrierte sich.

Da draußen:
die Welt
wie man sie
vorfindet.

Da drinnen:
die Welt
wie man sie
sich vorstellt.

Ich verstehe
zu träumen.


Immer weniger

»Du wirst tatsächlich immer dünner«, sagte sie.
Ihre Hand auf Testfahrt
unter der Bettdecke
auf meinem Oberschenkel
meinem Arsch
meinem Bauch ….
»Tja«, sagte ich, »so ist das.«
Ihre Stimme klang besorgt. »Du wirst
immer weniger.«
»Mehr von mir würdest du gar nicht
ertragen; deshalb sehen wir uns doch
so selten.«
»So meinte ich das aber nicht«, sagte sie.
»Ich weiß. Aber ich
meinte es so.«
»Du solltest mehr essen &
– hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde –
mehr Alkohol trinken.«
»Mehr ist gut«, sagte ich. »Mehr als
nichts. – Aber keine Sorge. Das werde ich. Irgendwann.
Sobald die Nüchternheit genau so zum Ritual geworden ist,
wie es das Saufen zuletzt gewesen war. Manche
Gewohnheiten langweilen mich einfach. Irgendwann.
Ebenso wie manche Abhängigkeiten.«
Ich konnte sie
nachdenken
hören.
Unter der Bettdecke.
Und ich stellte mir vor, wie ich
immer weniger wurde …..
So lange
bis ich
verschwunden war.


Phantasiegekitzel

Die einzige Lichtquelle
im Schlafzimmer
war das Display des Handys.
Ich lag im Bett & las.
Es ging um Spinnen.
Sobald es finster wurde spürte ich
ein Kitzeln auf dem Oberarm ….
Verdammte Phantasie, dachte ich.
Wie immer.
Was ich lese, spüre ich.
Doch
Etwas
war
Anders
als
sonst.
Ein wenig mehr
Realität
vielleicht …..
Mit der Hand wischte ich
das Kitzeln
hinweg;
schaltete die Lampe ein ….
Eine Zitterspinne
– groß & dünn –
verschwand zwischen den Büchertürmen
auf dem Boden.
Langsam –
& doch
zu schnell
für mich.
Ich suchte sie.
Schob Bücher beiseite.
Fand sie nicht.
Zu viele Winkel,
zu viele Verstecke.
Zu viele Bücher
mit ihrer Realität.
Ich machte das Licht aus.
Die Spinne war da
in der Dunkelheit;
sie war keine
verdammte Phantasie.
Vielleicht würde sie ja
zurück ins Bett kommen
während ich schlief,
würde mir über das Gesicht &
in meinen Mund klettern …..
Das war
höchst
un-
wahrscheinlich
– ich wusste das -,
doch ich spürte bereits
den Kitzel.


Die Zunge

Noch heiß
von den Worten
die sie eben formte
fährt die Zunge
über fremde Haut

stumm
tastend
schmeckend

Eine Flamme
aus Fleisch

& Blut

die brennt
& tropft

kennenlernt
& verzehrt

im
Über-
fluss

Nichts
löscht das Feuer
wenn sie
auf eine Andere
trifft

in gemein-
samem
Schweigen.


Gefallen

….. & dann fällt
ein Buch
dir plötzlich
in die Hände

Ein Buch
das du
vielleicht
nur vergessen hattest

Versteckt
zwischen anderen
ungelesenen Büchern

Ein Buch
das dir
der Zufall
in die Hände
gespielt hat

Du blätterst
Du liest …..

& fragst dich
Warum erst jetzt?

Wäre es
mir früher in die Hände
gefallen

hätte ich es
länger
in meiner Erinnerung gehabt

Die Schuld
des Vergessens

Die Schuld
des Zufalls

Doch vielleicht
ist nur dieser Zeitpunkt
der richtige

….. & dann fällt
ein Mensch


Nur für Miss Verständnis

Es gibt sie tatsächlich –
Menschen,
die gut finden,
was ich schreibe;
Menschen,
denen meine Worte
irgend
etwas
sagen,
bedeuten;
Menschen,
die neugierig werden &
sich angezogen fühlen …..

»…. seit fast 5 Monaten frage ich mich,
wer der faszinierende Typ hinter den Worten ist ….«

»…. die Gedichte erinnern mich manchmal
an die Möglichkeiten ….«

»…. bilde mir ein, dass Du nur für mich schreibst ….«

Gleiche Wellenlängen
Gleiche Sehnsüchte
Gleiche Hoffnungen
Gleiche Träume

Alles
offen-
bar
nur
schein-
bar.

Sie lesen die Texte
& glauben doch,
ich sei

ein Anderer ….

Einer, der
funktioniert
wie gewünscht.

Einer, der
sich einfügt.

Einer, der
sich fügt.

Und der Fluss der Worte,
der sie mitreißt,
soll
einer leise säuselnden Quelle entspringen.

Zahm
Sanft
Gleichbleibend
Geradlinig
Klar
Vorhersehbar.

Und am besten wäre
die Quelle
ein simpler Wasserhahn, den man
nach Belieben
auf- & zudrehen könnte.

Nein!

Wer mich kennenlernt,
wird
mich kennenlernen.

Man hätte es
wissen
müssen.

Und –
Ja ….

Bilde Dir ruhig ein,
dass ich
Dies
nur für Dich
geschrieben habe.


Die billige Perücke

Wie eine Perücke
auf einem kahlen Haupt
verkleidete der Anschein
ihre Beziehung.

Wie eine Perücke
sollte er
die lebensbedrohliche Krankheit
verbergen –

verbergen
die Folgen der letzten Hoffnung;
verbergen
die Aussicht auf den Tod.

Es war eine billige, hässliche Perücke,
jede Kunstfaser eine Lüge.
Sie saß schlecht, und
nichts an ihr sah
natürlich aus.

Die unechten Haare
gingen aus &
fielen zu Boden.

Hinterließen eine Spur
des Verfalls.

Des Verfalls, den
sie hatten kaschieren sollen.

Eines Tages
kam die nackte Wahrheit,
riss die Reste der Perücke von dem kahlen Haupt,
das nurmehr ein Totenschädel war,
und warf sie ins Feuer.

Es blieb
Nichts
als

Rauch,
Asche
& Gestank.

Und die Gewissheit,
dass auch die
teuerste & schönste Perücke

nichts
geändert hätte.