Tagesarchiv: 2. August 2012

Die gestohlene Katze

Es war nur
eine Zeichnung, die ich
für den Kunstunterricht anfertigte – eine
Katze.
DIN A 3.
Jedes Haar ihres Fells
zeichnete ich
einzeln.
Im Unterricht &
zu Hause.
Ich verbrachte so viel Zeit
mit ihr.
Besessen.
Absolut besessen.
So besessen, dass ich mir wünschte,
niemals
fertig zu werden.
Doch
ich wurde fertig.
Jedes weitere Haar
hätte den Tod der Zeichnung
& der Katze
bedeutet.
Ich sprühte
Fixierspray darüber.
Und als die Zeichnung fertig war,
wollte die Kunstlehrerin
sie mir abkaufen.
Ich sagte:
»Nein. Ich habe so viele Stunden
daran gesessen – ein angemessener
Stundenlohn würde einen Preis ergeben,
den Sie niemals zahlen würden.«
Sie lächelte.
»Okay«, sagte sie, »verstehe. Aber
wir machen hier demnächst eine Ausstellung –
wie sieht’s damit aus?«
»Okay«, sagte ich.
Meine Eitelkeit kicherte. Gekitzelt.
Doch
bevor es zu der Ausstellung kam,
war die Zeichnung
gestohlen worden.
Ich verdächtigte die Lehrerin.
Aber ich mochte sie.
Egal.
Es war doch nur
Papier
&
Bleistift
&
Mühe
&
Fixierspray.
Die Idee einer Katze.
In der Bewegung
meiner Hand.
Doch manchmal
frage ich mich
noch heute,
ob diese Katze irgendwo
auf diesem Planeten
vielleicht
an einer fremden Wand hängt.
Vielleicht sogar
gerahmt.
Es wäre mir zu peinlich gewesen,
die Zeichnung mit meinem vollen Namen
zu unterzeichnen.
Ich setzte nur meine Initialen darunter
in Blockschrift.
Dahinter
die Jahreszahl.
Ich mag den Gedanken, dass
mein Name
unbekannt
oder
vergessen
ist.

Nie wieder
habe ich mir
solche
Mühe
gegeben.


Tragikomödie in 2 Aufzügen

Ich fand es lustig & traurig zugleich;
die Kollegin erzählte es mir, als ich
meine Nachtschicht antrat. Es war
tagsüber passiert.

Da wohnte dieser Alice-Cooper-Fan
im Hotel. Er nervte die Kollegin mit seinem
Enthusiasmus; quatschte viel &
fragte schließlich, ob sie wisse, wo
Cooper abgestiegen sei, der
am Abend ein Konzert in unserer Stadt
geben würde.
Die Antwort lautete, wie sie immer lautet:
»Nein.«
»Zu schade«, sagte er. »Wenn ich den
doch nur 1 Mal treffen würde ….«
Er machte kehrt. Betrat den
linken Aufzug.
In dem Moment, als die Tür sich schloss,
öffnete sich die Tür des
rechten Aufzugs.
Alice Cooper trat heraus.

Lustig & traurig zugleich.

Ich ahne,
aus wievielen ähnlichen Momenten
mein Leben besteht.


Maultiere mit Papierflügeln

Die Epigonen erheben ihre Häupter ….
Gorgonenhäupter, hässlich & erschreckend ….
Es ist alles schon dagewesen.
Und es ist alles schon besser dagewesen.
Ihr Haar ist nicht aus Schlangen –
es ist aus Würmern gemacht,
die von den Toten leben.
Wo bleibt das Eigene?
Wo das Originelle?
Schlägt man den Epigonen die Köpfe ab,
entspringt kein Pegasus aus ihnen.
Nur Maultiere mit angeklebten Papierflügeln.
Sie können nicht fliegen.
Sie bewegen sich nicht von der Stelle.
Sie bewegen nichts &
niemanden.
Sie sind
grau.

Ich fühle mich wie
einer von ihnen.

Was für eine Papierverschwendung!