Monatsarchiv: Dezember 2017

Äpfel 

»Ich hab dir Äpfel mitgebracht«, sagte sie freude
strahlend. »Danke«, sagte ich.

Normalerweise gingen wir gemeinsam
einkaufen. Ich hatte darüber nachgedacht,
ob ich ihr sagen sollte, dass sie
bitte Äpfel mitbringen möge. Aber,
obwohl sie selber kaum welche isst, war ich davon ausgegangen, dass sie von allein
daran denken würde. Und ich
wollte ihr die Freude nicht nehmen,
von allein daran gedacht zu haben.
Und mir wollte ich die Freude darüber nicht nehmen,
dass sie von allein daran gedacht hatte. Und uns beiden 
wollte ich die potentielle Freude an der Freude des jeweils anderen bewahren.

Ich war davon
ausgegangen. Doch
ganz sicher war ich nicht gewesen.
Wäre ich mir ganz sicher gewesen,
hätte es die Freude beeinträchtigt.

Es bestand die Gefahr,
ohne Äpfel zu sein.
Das ist nicht komisch.

Oder doch?

Liebe halt.
Es ist kompliziert.
Einfach kompliziert.

Man denkt so viel.

Selbst wenn man behauptet,
an nichts zu denken.

So viel,
als ginge es um
Integralrechnung.

Oder Größeres.
Vom Fühlen ganz
zu schweigen.

Fast eine Art
von Geistesstörung.

Und die Freude,
jetzt darüber zu schreiben,
könnte man sentimental nennen.
So wie alles andere auch.

Aber wer das täte,
hätte nichts verstanden –
& vermutlich diese Freude nur
selbst noch nie empfunden.

Keine Angst, das kann noch
kommen. Jederzeit! 

Und jetzt entschuldigen Sie mich;
ich möchte einen Apfel essen.
Mir scheint, sie
schmecken diesmal ein wenig
besser als
gewöhnlich.


Sie sind da 

Sie sind da
Ich weiß es
Denn Sie lesen
Dies

Diejenigen
Die dies nicht lesen
Sind vielleicht
Gar nicht da

Wo ich bin
Während Sie dies lesen
Weiß ich nicht
Vielleicht nicht mehr da

Sie sind da
Ich weiß es
Seien Sie
Sich dessen bewusst


Bios 

Becketts Mutter hatte einen Esel.
Das war nicht ihr Mann.
Ihr Mann las meistens
Edgar Wallace. Er angelte
Makrelen mit seinem Sohn.
Der spielte 4händig Klavier. Aber
nicht alleine. Eine Hälfte der 4 Hände
gehörte seinem Bruder
Frank. Sam spielte gut Tennis. Aber niemals
gegen Nabokov, der auch gut spielte. Vermutlich
weil sie sich nie begegneten
spielten sie niemals
gegeneinander. Sie waren gleichzeitig
in Paris. 1927
fuhr Beckett nach Florenz. Da wurde
meine Mutter geboren. Nicht in Florenz,
sondern in Clausthal-Zellerfeld, aber
1927.
Ich öffne eine Dose
Makrelen. Schaue auf
die Uhr. Es ist 90 Jahre
später. Ich fahre
den Rechner hoch. Der Rechner
hängt sich auf. Ein Fehler
im BIOS. Vermutlich.
Steuerung
Alt
Entfernen.
Reboot. Yes. Alle
sind
tot. Die Makrelen,
Beckett & seine Verwandtschaft,
Nabokov & meine Mutter,
Edgar Wallace & der Esel.