Schlagwort-Archive: Zeit
Diese zeitkritischen Dichter,
diese Gesellschaftskritiker —
Schon toll, gell?
Langlebig nicht, aber toll.
Ich kann die Zeit ja auch nicht
leiden. Die macht alt. Und tot.
Und die Gesellschaft erst.
Zum Kotzen! Nur auf
dem Friedhof kann man sie ertragen.
Also treffen wir uns da. Kommen Sie,
wenn ich tot bin. Lang leb ich
nicht mehr, aber toll.
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Auf dem Motorroller
werden Schnecken zu Bienen,
heiß wird flott, es knattert,
es kracht, es spuckt & röhrt,
es raucht aus dem Auspuff,
oben ein Helm, unten ein Höschen
geöffnete Schenkel, nackt & glatt,
jedes Haar, das dort flimmern könnte,
ist wegrasiert. Alles vibriert.
Es ist so viel mehr
als Sex. So viel mehr
als Erotik. Es trifft mich
so tief im Kern
des Wesens, das nicht nur mein
eigenes ist. Berührt Bereiche,
die das Körperliche niemals
erreicht. Wehmut
& weltumspannende Freude.
Eine erträumte Jugend, die
niemand jemals haben kann.
Vergänglichkeit im schönsten Augenblick
des noch nicht Vergangenen.
Eine reine Idee. Von allem befreit.
Ja, es mag aussehen,
als stände da ein schmutziger alter Mann
an der Straße. Gleich wird ihm sicherlich
der Geifer aus dem Maul laufen, er wird sich
unsittlich berühren und sich vorstellen,
etwas Altes in etwas Junges zu stecken,
um sich aufzuladen.
Nein. Vielleicht stehe ich
noch einen kurzen, nachzitternden Moment
dort. Denke an die Vergeblichkeit
des Versuchs, Bilder in all ihren
Breiten, Tiefen. Längen &
unsichtbaren Dimensionen zu bewahren.
Spüre, dass ich schon nicht mehr
so viel spüre wie in jenem Augenblick,
der eben erst vorüberrauschte.
Vielleicht ein dummes Lächeln im Gesicht.
Ein Lächeln, von dem man nicht wissen kann,
wie dumm oder traurig es ist, und doch
auch glücklich.
Die knappen Shorts
waren von einem Gelb gewesen,
wie es Kinder verwenden,
um die Sonne zu malen.
Unter meiner Zeitlupe
ist das Vergehen immer noch Vergehen,
außerhalb alles längst vergangen.
Lasst mich stehen. In der Ferne
ist noch leise zu hören, was ich gesehen habe.
In der Stille brennt noch ein Bild.
Es duftet. Ich will
versuchen, den Rauch festzuhalten.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Bewusstsein, Erotik, Gegenwart, Kultur, Lyrik, Philosophie, Sex, Vergänglichkeit, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Erotik/Sex (eine Auswahl), Gedichte/Texte
All diese Tode
die die Toten nicht mehr erleben
All diese Lebenden
die in der Welt der Toten noch lebten
und jetzt nicht mehr da sind
so wie jene nicht mehr hier sind
Gut dass du tot bist
So hast du ihren Tod nicht mehr erlebt
Gut dass sie tot ist
So wird sie meinen Tod nicht mehr erleben
Bewahre die Welt
in der du lebtest
Dann bleiben alle die fort sind dort
Für einen Augenblick nur
möchte ich in eine vergangene Welt treten
und mich wundern
»Ach! Du hier? Wie schön.
Wo ich herkomme, kennst du niemanden.
Nur ich erinnere mich an dich.«
»Du lügst doch.«
Ja, vielleicht. Ich möchte lügen,
dass die Zeit sich biegt.
In ihrem Bogen wandeln
Im Wandel der Zeit eine Pause einlegen
Für einen Augenblick nur
Wundern
Und alle bleiben lassen
Wo sie waren
als sie mich an sich erinnerten
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Lyrik, Philosophie, Tod, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Meine kleine Sanduhr steht
in meinen Armen.
Sie spiegelt sich nackt
im Fenster, weil
der Rolladen geschlossen ist.
Im Tageslicht wäre ihr Abbild
geisterhaft – so als hielte ich
ein Wunschbild
fest. Ganz fest.
Rücken, Taille, Hüfte –
die Zeit vergeht,
während sie steht.
Jedes Korn ein Bruchteil
eines Augenblicks.
Ich fasse, begreife, halte ihn
fest, fest. Fest.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Kultur, Liebe, Lyrik, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Mein Vater kommt vom Einkaufen zurück
Er ist tot
Befremdend billig
Sind die Lebensmittel
Er schaut mich an
Erkennt mich nicht
Ich bin älter als er
Aber es stört ihn nicht
Dass ich da bin
Sein Tod ist fast
So lange her wie seine Geburt
Zurücklag als er starb
»Die Buttermilch war heute günstig«
Sagt er
Ich verstehe
Nicht was Vergangenheit ist
Was Gegenwart
Alles ist
Zeit
Alles ist
Gleich
Zeit
Ich
»Gut dass du wieder da bist«
Sage ich
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Familie, Gegenwart, Kultur, Liebe, Lyrik, Philosophie, Vergangenheit, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Ein Album voller Spiegel
Geöffnet ohne Brechungen
Aufgeschlagen ohne dass es splittert
Flüchtiges Album der Gegenwart
Das Ich als optisches Phänomen
Scheinbar verkehrt
Die Erinnerungen nicht festgehalten
Sondern losgelassen
Hinter der Stirn im Spiegel
verkehrt verblasst
getönt beschlagen
Das Blättern fällt
schwer ein Spiegel
wiegt mehr als
Papierene Vergangenheit
Und nur wer einem ganz nahe ist
wird reflektiert
Für einen Augenblick
Verkehrt verblasst
getönt verschwunden
Ein Album voller Spiegel
Geöffnet ohne Brechungen
Aufgeschlagen ohne dass es splittert
Papier Glas Silber
Seiten Blätter Farben
Nirgends ist Schwarzweiß
Doch in keinem Album gibt es Zukunft
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Gegenwart, Kultur, Lyrik, Philosophie, Vergangenheit, Zeit, Zukunft | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Wenn wir uns täglich begrüßen
als hätten wir uns 1 Jahr
lang nicht gesehen
Gewinnen wir dann Zeit?
Wie alt sind wir?
Wir sind
auf einem anderen Planeten
Seine Zeitrechnung
ist unsere
Wir werden sehr alt
werden gemeinsam
auf unserem Planeten
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Kultur, Liebe, Lyrik, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Brave new Gegenwart
Wo die Knechtseelen immer erreichbar sind
Immer abrufbar für die Bosse
Wo sie sich gebraucht & wichtig fühlen können
In ihren Knechtgruppen, die sie in ihren Taschen mit sich führen
Ruf mich an! Schreib mir! Ich will
Dein Sklave sein!
Nicht dass ich viele eigene Gedanken hätte, aber diejenigen,
die ich habe, darfst du mir auch noch nehmen.
In diesen geistfernen Zeiten
Wo die Zeit selber nichts mehr wert ist
Jeder Angestellte seinem Ansteller mit feuchten Händen die Ketten überreicht
An denen er herumgeführt werden kann wie an einem Nasenring…..
Hier, meine Nummer. (Die Nummer bist du selber!)
Und das Schlimmste: sie merken es nicht
In all ihrer Dumpfheit
Zucht & Ordnung
Prägung der kleinen Münzen
Erziehungen, Züchtigungen
Nutzvieh!
Vernetzt
Verkäfigt
Gefangen
Brave new Gegenwart
Und sie verstehen ihre enge Welt nicht mehr
Wenn einer sich nicht mitkrümmt, mitbuckelt, mitschleimt
Bald werdet Ihr tot sein! (in 10, 30 oder 50 Jahren) Was war Euer Leben?
Warum habt Ihr es den Anderen so leicht gemacht?
Ausgerechnet Denen!
Das bisschen FreiSein, das einem möglich ist in dieser Welt
ist Euch immer noch zu viel?
Arme Knechtseelen
Die Ihr mein Mitleid noch als Beleidigung empfindet
Ja, Ihr seid brav
So brav, dass man Euch die Köpfe tätscheln möchte
pat pat pat
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Arbeit, Arbeitswelt, Beruf, Freizeit, Job, Kultur, Lyrik, Philosophie, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Vorbei die Zeit
da man nackt auf dem Sofa saß
& dachte: ‹bald wird es dafür zu kalt sein›
Ich zitiere mein Zittern
der vergangenen Jahre, sinngemäß
Furcht
lässt die Bäume erröten
und die Furchtsamsten entblättern sich
als erste
(Ich kenne Menschen
bei denen ist es ganz
ähnlich)
Es ist
als dächten die Bäume
wie Menschen
zeit
weise
viel
zu viel
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Lyrik, Natur, Philosophie, Vergänglichkeit, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Ich vergesse oft
wie jung du bist
& oft vergesse ich
wie alt auch schon
Als wäre die Zeit nicht
messbar, die hinter dir liegt
Wie alt bist du
wirklich?
Wie ist die Zeit
in dir
vergangen? In
Jedem vergeht sie
doch
anders.
Sag mir
wie spät es ist
in deinem
Innersten
Nie vergesse ich
wie ich vergehe
Als wäre ich selber
die Zeit
auf der Flucht
& du würdest sein
der einzige Augenblick
an den ich
mich erinnere
am Ende
wenn es
zu spät ist
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Alter, Beziehung, Kultur, Liebe, Lyrik, Tod, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Mein Leben lief
wohl darauf hin
Aus: Ich saß
auf einer Schaukel
in der Mitte eines verwahrlosten
Spielplatzes abseits
der Straße Versunken
in den Anblick der Bewegung
neben mir Die Zeit
verging mit dem Pendel
Schlag der anderen Schaukel
an meiner Seite Die junge Frau
hatte so viel Schwung Immer
wieder hielt sie waage
recht inne in der Luft
wie ein Horizont
mit langen blonden Haaren
»Gefühlsorgasmus« sagte
Sie schwärmerisch Dann
schaukelte auch ich ein
bisschen »Soll ich
dich anschubsen?« »Nein« sagte
ich mit wenig Schwung
Menschen gingen
vorbei
& bedeuteten
Nichts
Sie verschaukelte sich nicht
Ich verschaukelte mich nicht
Wir verschaukelten uns nicht
Wir hielten uns
fest an den Ketten
die uns hielten
Die Zeit bleibt
nicht stehen
wie ein Augenblick
an den man sich erinnert
Sie bleibt nicht
stehen wie die junge Frau
zwischen dem
Auf & Ab
der Schaukel
Dieser Bruch
Teil eines Augenblicks
wäre eine schöne
letzte Erinnerung
bevor ich still
stehe

Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Einsamkeit, Kultur, Liebe, Lyrik, Tod, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Gerne würde ich
ja etwas Tiefsinniger
es schreiben aber ich
sagte bloß Ich kann
deinen Hintern gar nicht
sehen als ich in die Spiegel
Wand schaute gegen
über dem Bett gegen
über dem Bett stand ein kleines Regal
vor den Spiegelungen die
Frau lag auf den Bäuchen
ihrem & meinem und sie blickte
hinter sich in die Wand wo
Wir ein Bild bildeten mit
vertauschten Seiten so
leicht war sie & zart nicht
die Wand die Frau so
zart dass ein Blick ihre Finger
hätte brechen können vom
Herzen ganz zu
schweigen & doch
spürte ich eine gering
fügige Erleichterung in der Tiefe
als sie sich bewegte & abhob sie
sagte Da und über dem Regal
ging der kleine Knackmond auf
und Alles ward Licht + Schein & vor
sichtiges Gelächter und
gerne würde ich
ja etwas Tief
Sinnigeres schreiben aber was
wäre tiefer & sinniger & tief
sinnlicher als solch ein Moment
An- & Augenblick der Gegenwart
& der Versuch
ihn & die Verwirrung ihn & die
Verbundenheit zu bewahren zu be
wahren wie den Schein
des Mondes dieses Mondes
in der Spiegelwand
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Erotik, Kultur, Liebe, Lyrik, Vergänglichkeit, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Erotik/Sex (eine Auswahl), Gedichte/Texte
Die Lichter des Bahnhofs leuchteten auf der anderen Seite
der Straße. Ich betrachtete sie
durch die Fensterfront des Hotels.
Die Bahnhofsuhr war verdeckt durch einen Pfeiler.
Ich saß still
hinter dem Empfang
des Hotels.
Ich hätte mich bewegen müssen,
um die Uhr ablesen zu können.
Aber ich wollte mich nicht bewegen.
Ich wusste, es war zu spät
für die letzten Züge –
& zu früh
für die ersten.
Denn nachts fahren hier keine Züge.
Mehr brauchte ich nicht
zu wissen.
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Es war 10 vor 4 am
Nachmittag. Längst
hätte ich schlafen müssen.
Leuchtende Ziffern
auf einer digitalen Uhr.
Rot. In dunkler Umgebung.
Bei Kilometer 15,5 hatte ich
einen Unfall gehabt. Tod
& Blut an einem Abend,
dessen Datum ich nicht
im Kopf hatte. Es bestand
kein Zusammenhang. Es
waren nur Zahlen. Die einen riefen
eine Erinnerung
wach. Die anderen waren
das Erinnerte. Wieder
andere hatte ich
vergessen. Sie
beschrieben
einen Punkt
in der Zeit. Und
einen Punkt
im Raum. Getrennt
von einander. Vereint
in meinem Denken. Ich
konnte mich drehen &
wenden, wie ich wollte,
aber schlafen konnte ich
nicht. Und dann dachte ich
an etwas Anderes.
Getrennt in
Wirklichkeit. Vereint
in der Erinnerung. Im
Übrigen hatte ein Tier
den Tod gefunden.
Schließlich
war es 4 –
& es passierte immer noch
Nichts.
Wann ich ein
schlief weiß
Niemand.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Erinnerung, Kultur, Lyrik, Schlaf, Tod, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Ein verwittertes gelbes Flugzeug stand auf dem Gelände.
Einmotorig. Über die linke Tragfläche hinweg kletterten wir
Kinder in sein Inneres. Wir waren zu zweit, und
mehr hätten auch nicht in die Maschine gepasst. Obwohl….
Eine gestreifte Spinne hing zwischen den Instrumenten;
sie konnte nicht fliegen, aber Fliegen flogen in ihr Netz
durch die Löcher der gesplitterten Scheiben. Ich behielt sie
im Auge, diese Spinne. Etwas ängstlich. Etwas angeekelt. Aber
nicht einmal sie konnte mich vom Sitz des Piloten vertreiben.
Es roch nach Metall, es roch nach Rost & Vergangenheit.
Wir waren am Boden. Wir blieben am Boden. Alle Zeiger standen
auf 0. Und nur unsere Fantasie
konnte den Propeller noch in Rotation versetzen.
Die beflügelte, beflügelnde Fantasie der Kinder. Es muss
wenige Jahre vor der ersten Mondlandung gewesen sein.
Es gab noch keine Flaggen dort oben, keine Fußspuren.
Nichts, was Reflexionen & Projektionen hätte stören können.
Der rothaarige Junge, der hinter mir saß, war erst vor kurzem
nach Deutschland & in meine Schulklasse gekommen; sein Vater,
ein amerikanischer Offizier, war hier stationiert. Flaggen
flatterten vor dem Gebäude, in dem sie wohnten. Unsere Eltern
unterhielten sich darin. Der Junge erzählte mir von Amerika,
das ich nur aus Filmen & Fernsehserien kannte. Auch den Mond
kannte ich nur aus Filmen & Fernsehserien. Wir wussten nicht, wo
das Flugzeug gewesen war. Also konnte es überall gewesen sein. Über
All. Das gefiel uns. Und ich kannte niemanden sonst, der aus einem
so fernen Land kam wie der Junge mit den roten Haaren. Ich drückte
Knöpfe, die längst keine Funktion mehr hatten – & die Zeit flog
dahin. Am Boden. In unseren Köpfen. In die Zukunft.
Irgendwann erzählte er mir von seiner liebsten
Fernsehserie. Die Handlung drehte sich um Außerirdische, drehte
sich um ein Raumschiff & um fremde Welten. All
es war so weit entfernt – wie Alles Andere, das ich nicht kannte. Und er
zeigte mir Fotos von einem Mann mit seltsamen Ohren & seltsamen Augen
brauen. Faszinierend, dachte ich. Oder so etwas Ähnliches mag ich
gedacht haben. Einige Jahre später kam die Serie
nach Deutschland. Im selben Jahr als das Apollo-Programm eingestellt wurde.
Wir wohnten längst woanders. Ich ging
auf eine andere Schule. Die alten Kontakte waren ab
gebrochen. Und ich erinnerte mich – als ich die erste Folge sah…..
Das Flugzeug, die Spinne, die Flaggen, die Erzählungen….. Ich
mochte die kurzen Uniformen der weiblichen Besatzungsmitglieder.
Schon damals. Es war alles anders als ich es mir vorgestellt hatte.
Wie so oft. Aber es gefiel mir. Was nicht so oft der Fall war.
Den Ton einiger Folgen nahm ich mit dem Kassettenrecorder auf, und
nachts im Bett in meinem dunklen Zimmer hörte ich diesen Ton
zu meinen eigenen Bildern. Immer wieder. Science Fiction. Schon
der Kassettenrekorder hatte etwas davon. Verglichen mit unserem alten
Bandgerät. Ich drückte Knöpfe – & die Zeit flog dahin. Im Bett. In
meinem Kopf. In die Zukunft. Und sonstwohin.
Und 42 Jahre später bin ich gelandet. Auf dem Boden. In einer
Wohnung, die nicht die meine, in einem Raum, der mir nicht mehr
fremd ist. Zwischen gespreizten Schenkeln. Gespreizt
wie Tragflächen. Und die einzige Licht
Quelle ist ein eingeschalteter Fernseher hinter mir. Ein
charmant-gealtertes Röhrengerät. Gealtert bin ich auch. Doch
weniger charmant. Bekannte Namen erklingen
in der Nacht. Kirk. Pille. Spock. Uhura. Ein Film vom Ende
der 70er. Wiederum eine andere Zeit. Propellernde Zungen. Ein gewaltiger
Mond ist aufgegangen. Der damals noch nicht existierte. Bemannter Raum
Flug. Peterchens Arschfahrt. Auch so’ne Kindheitserinnerung. Es riecht
nach Lust. Nach Jugend & Gegenwart. Im Geflacker des Films
sehe ich wie ein Gesicht sich verändert. Ein Mund sich öffnet. Im Rausch.
Und noch mehr. Öffnet sich. Und jemand ruft:
»Alarm, Alarm! Ein Eindringling! Alles auf Gefechtsstation!«
Und ein anderer ruft: »Scotty, bitte kommen!« – dabei heiße ich gar nicht so.
Gelächter säuft ab. Und erstickt in Körpersäften. Und sie flüsterschreit:
»Oh Gott, oh Gott!«, aber auch das ist nicht mein Name.
Science Fiction. Mit wenig Science. Immer wieder. Und es ist immer dieselbe Zeit,
die fliegt. In unseren Köpfen. Die Zeiger stehen nicht. Es
scheint nur so. Es sei denn, es ist etwas kaputt. Alles
auf 0. Wir waren zu
zweit. Im Cockpit. Und doch nicht
allein. Und niemand weiß wie
& wann die Spinne gestorben ist.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Erotik, Film, Jugend, Kindheit, Kultur, Lyrik, Sex, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Autobiographische Prosa, Erotik/Sex (eine Auswahl), Gedichte/Texte
Mein Arm unter ihrem Nacken.
Entspannung. »Jahrgang 84«, sagte sie.
»Was hast du 1984 gemacht?«
»Nichts«, sagte ich. »Das war die Phase
nach dem Abi, wo ich nichts gemacht habe.
Außer Lesen & Saufen vielleicht. 7 Jahre
lang. Und von deiner Geburt
hat mir auch keiner was gesagt.«
Sie atmete ein Lächeln aus.
Vielleicht trafen sich
in diesem Moment unsere Blicke –
dort oben. An der Zimmerdecke.
»Ach, halt«, sagte ich, »1984
kam der Film 1984 in die Kinos. Mit
John Hurt & Richard Burton. Guter
Film. Den habe ich gesehen. Damals.«
Wie praktisch, wenn der Titel eines Films
gleichzeitig sein Erscheinungsjahr ist. Wie
leicht man sich sowas merken kann. Aber
viel interessanter war doch die Frage:
Wo war Sie 1960 gewesen?
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Erinnerung, Film, Jugend, Kultur, Lyrik, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Ein neues Du
ohne Zukunft
im Vorüber
Gehen
Es kommt
& passiert
& wird
vergangen sein
Und jetzt
Du!
Und jetzt
Jetzt
& Jetzt
+ noch 1
Jetzt
ohne Zukunft
Zukunft
die Wir vergessen im
Jetzt
Das vergeht
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Kultur, Lyrik, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Von Zeit zu Zeit
verliere ich
das Gefühl
für die Zeit. Mein Zeit
Gefühl kommt
mir abhanden.
Den Verlust nicht zu spüren
ist Glück.
Doch da ist immer Jemand
der findet
was ich verloren habe
& es nicht
für sich behalten kann.
Er hebt es auf
& gibt es mir
zurück im falschen
Moment.
Als hätte dieses Gefühl nicht
auch irgend Jemand Anderem
gehören können.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Lyrik, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Wieder so ein Tag, dachte ich.
Und hatte ihn schon verloren.
Denn solche Tage, die
bloß Wieder so ein Tag sind,
gibt es nicht
in der Wirklichkeit.
Es gibt sie nur
in der Wahrnehmung.
In der Wahrnehmung, die
nicht mehr unterscheidet.
Wieder so ein Tag, dachte ich
& fühlte mich wie eine Spinne
in der leeren Badewanne –
Alles glatt & weiß & kalt.
Tage, die so wahrgenommen werden, gehen
unter
in der Erinnerung –
verschwimmen
im salzlosen Weniger des Lebens.
Des Lebens, das kürzer scheint,
wenn man Wieder so ein Tag denkt.
Nein, es war nicht
Wieder so ein Tag.
Es war – in Wahrheit:
Nie wieder wird es diesen Tag geben.
Und ich denke
nicht: Gut so!
Wie beschissen er auch gewesen sein mag.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Lyrik, Philosophie, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Auf dem Vorsatzblatt dieses Buches,
das von der Zeit an sich handelte,
hatte ich den Monat & das Jahr
der Lektüre notiert.
Als ich es nach Jahr & Tag
wieder einmal aufschlug,
las ich jenes Datum in meiner Handschrift –
& konnte es kaum glauben.
Das sagte mir mehr
über die Zeit an sich –
als der Inhalt des Buches
es je gekonnt hätte.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Literatur, Lyrik, Philosphie, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Die beflügelte Ameise
die man die Fliegende nennt
kroch über den Tisch
immer wieder
hin & her
Hätte sie gewusst
wie lange ihr die Flügel
noch zur Verfügung standen
würde sie
ihre Zeit
nicht so verschwendet haben –
dachte ich
während ich sie beobachtete
& auf den Feierabend wartete.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Arbeit, Kultur, Lyrik, Philosophie, Tiere, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Da war ein Strand, und
der bestand aus dem Sand, der aus
Uhren gerieselt & geronnen war.
Zerbrochen war die Sammlung des Todes. All
seine Sanduhren – & niemand
wusste warum.
Ein Kind war gerannt durch
den Sand, den Strand entlang
& hatte geschrien. Vor
Schmerz.
Die Splitter des Glases der Uhren
der Sammlung des Todes zer
schnitten die kleinen bloßen Sohlen.
Das Salz des Meeres brannte
in den Wunden. Für Stunden. Das Blut
gerann – & die Zeit war seine Vergiftung,
die nicht zum Tode führte.
Und es weinte Jemand. Still
in den Sand. Es war
der Tod. Den
Niemand
mehr fand.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Lyrik, Tod, Traum, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Du & ich
Zeiger einer analogen Uhr
Wir treffen & trennen uns bei
nahe überall
Nur in der Mitte des Zifferblatts
bleiben wir stets vereint
wo die Bewegung der Zeit
kaum zu sehen ist
während sie doch vergeht
wie alles andere
Dort sind sie verbunden
unsere Enden
und bleiben es
auch wenn die Uhr zum Stillstand kommt
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Beziehung, Kultur, Liebe, Lyrik, Tod, Trennung, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Die Ebene war nicht
plan – Planlos stand ich
an ihrem Rand
Rannte dann
über ihre Uneben
heiten
Was eben gewesen war
war nicht immer glatt
vorbei gegangen
& doch
Vergangen
heit
Die Mitte lag immer
im Un
Er
Reich
Baren
Ich fiel
vielmals
Stand auf
einmal mehr
Irgendwann
wird es
das letzte Mal
der Fall
gewesen
sein
Es war einmal
Verwesen
Sein
Eben noch Leben
planlos
platt
& vorbei
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Leben, Lyrik, Philosophie, Tod, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Ein Oldtimer fährt durch die Nacht.
Ich fahre hinter ihm her.
Als der Oldtimer modern war
– damals in meiner Kindheit -,
war er mir zu modern.
Ich fand ihn hässlich. Damals.
Heute – finde ich ihn schön.
Im Vergleich.
Und überhaupt.
Das ist die Schuld
der Zeit.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kindheit, Kultur, Lyrik, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Wo eigentlich die 3
hätte sein sollen, gab es
ein Quadrat….
Ein kleines Fenster
der wechselnden Zahlen;
jeden Tag eine andere.
Und das Glas über diesem Fenster
war konvex – weil die Zahlen
so winzig waren.
Die Ziffern, mit denen die
Stunden, Minuten & Sekunden
benannt wurden, waren dennoch größer als die
Zahlen im Fenster.
Man konnte etwas lernen daraus.
Und wenn man vergesslich war,
hatte der Februar 31 Tage.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Lyrik, Philosophie, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Nichts brauche ich
zu suchen. Alles
ist da. Nur
sehen muss ich
es.
Bilder
Metaphern
Symbole
Sie liegen
auf meinem Weg.
Wie Sperrmüll.
Den man als Kunst verkaufen könnte.
Eine Binsenweisheit.
An jedem Tag.
In jeder Nacht.
An den ödesten Orten
liegen sie – bereit
gesehen zu werden.
Sogar am Arbeitsplatz –
dem Reich von Zwang & Fremd
bestimmung.
Auf meinem Rundgang durch die Nacht
(ich werde bezahlt dafür, dass ich Rundgänge durch die Nacht mache;
Nachtwache an Orten, wo Andere schlafen)…..
Auf einem meiner Rundgänge durch die Nacht also
war mir der Weg verstellt.
Auf dem Gang standen:
ein Kinderwagen & ein Rollator.
So dicht nebeneinander, dass
ich nicht dazwischen
passte. Dichter
neben
einander
hätten sie nicht stehen können. Platter
hätte es nicht erfunden werden können.
In meinem Kopf grinste es
während ich einen anderen Weg nahm. Um
an mein bedeutungsloses Ziel zu gelangen. Mir fehlte
ein Sarg. In dem Bild. Doch den
konnte ich mir denken. Ich bilde mir
ein, dass die Zeit
ein klein wenig weniger
vergeudet ist – wenn ich mit diesem
Blick
meiner Wege gehe…..
Durch Zwang & Fremdbestimmung.
Durch den Sperrmüll
meiner Tage. Tage, die
Nächte sind.
Durch die kurze Zeit da
zwischen.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Literatur, Lyrik, Philosophie, Tod, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Dieser Moment
im 17. Jahrhundert
als Gryphius über den Augenblick schrieb
Betrachtung der Zeit
Was hatte er im Auge?
Die Ewigkeit.
So weit
wird’s nicht reichen –
aber immer
hin: ich
lese seine Zeilen
mehr als 300
Jahre später
& weiß
was er meint.
Ich suche
dasselbe.
Jeden Moment.
Alles eine Frage
der Augen
Blicke.

Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Kultur, Literatur, Lyrik, Philosophie, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
Staubbedeckte Tonbandspulen kreisten
auf einem alten Gerät. Hergestellt von
Toten. Für eine Firma, die längst nicht mehr
existierte.
Magnetisierte Vergangenheit. Schallwellen in Form.
Ein 5jähriger Junge quasselt. Verstorbene sprechen
mit ihm. Es wird gelacht & gesungen. Ein Radio spielt
im Hintergrund. Vergessene Melodien.
Ich saß in einem Raum der Gegenwart. Hörte hinein
in einen Raum der Vergangenheit. Damals
hatten die Spulen sich ebenso gedreht. Kreislauf.
Wenn der Junge sprechen soll,
verstummt er.
»Erzähl mal die Geschichte mit dem Kronleuchter«,
sagt ein Mann.
Schweigen.
»Als ob Fremde da wären«, sagt eine Frau. »Dann
isser genauso.«
Irgendwann fängt ein 15Jähriger an zu singen:
»Stellt den Teller untern Tisch,
Nikolaus bricht sich das Genick –
lustig lustig, trallerallalla,
bald ist Niklas-Abend da….«
Ich saß in einem Raum der Gegenwart. Die längst
vergangen ist. Lauschte
einem Wir, das es nicht mehr gab.
Ich hörte mich lachen.
Wunder der Technik! Das Neueste vom Neuen!
In Mono. Ton für Ton bewahrt. Für die
Zukunft.
Ich erinnere mich, wie
ich damals hörte, was
damals schon lange her gewesen war.
Aber toter sind die Toten heute auch nicht – als damals.
Heute sitze ich in einem Raum der Gegenwart, die
Gegenwart ist. Der Motor ist kaputt.
Das alte Gerät macht seltsame Geräusche.
Alles vermischt sich, verwischt sich – die Schichten
der Zeit.
Die Spulen sind von neuem Staub bedeckt. Ich betrachte sie
wie einen Raum, in dem eine andere Zeit herrscht.
Ich will sie nicht hören.
All diese Science-Fiction-Filme meiner Kindheit…..
Die überholten Vorstellungen der Zukunft.
Wie charmant sie oftmals wirken.
Wie naiv.
Manchmal denke ich.
Denke: auch ich
bin so ein altes Röhrengerät
im Science-Fiction-Film der Vergangenheit,
der in einer Zukunft spielt,
die längst vorbei ist –
vorbei
ohne
vielleicht
jemals
Gegenwart
geworden –
Gegenwart
gewesen
zu
sein.
Von der Zukunft
ganz zu
schweigen.
Hinterlasse einen Kommentar | Schlagwörter: Film, Kindheit, Kultur, Lyrik, Philosophie, Technik, Zeit | Veröffentlicht inAlles, Gedichte/Texte
In dieser Fernsehserie, die
aus dem Schwarzweißgerät meiner Kindheit kam
& die ich niemals versäumte,
gab es einen Jungen mit einem Bumerang.
Immer wenn er ihn warf,
hielt
für die Dauer des Fluges
Alles
um ihn herum
an –
Bewegungen gefroren,
Menschen standen erstarrt (& wussten nichts davon),
die Zeit gerann, und
die Umgebung wurde zum
leblosen Bild.
Nur der Junge & sein Bumerang
bewegten sich
in diesem allgemeinen Stillstand.
Bis der Bumerang seine Kreisbahn beendet hatte
& der Junge ihn wieder auffing.
Für mich
waren die Abenteuer, um die es eigentlich ging,
nebensächlich.
Ich holte einen hölzernen Kleiderbügel aus dem Schrank,
drehte den Haken heraus –
& warf den Bügel quer durch mein Zimmer.
Nichts bewegte sich in diesem Zimmer; nur
ich & der Kleiderbügel.
Der Flug des Bumerangs war mir immer
zu kurz gewesen.
Der Flug des Kleiderbügels war noch kürzer.
Er krachte gegen die Wand &
fiel aufs Bett.
»Was machst du da?« rief die Mutter.
»Nichts«, rief ich.
Was sie mir nicht glaubte.
Und ich glaubte nicht,
dass sie erstarrt in der Küche gestanden hatte,
während der Kleiderbügel durch mein Zimmer geflogen war.
Aber ich hätte es gerne geglaubt.
Hätte gerne
Alles
angehalten.
Immer wieder.
Die Menschen.
Die Bewegung.
Und die Zeit.
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»Ich kann keine Straßenschilder mehr richtig erkennen«,
sagte mein Bruder. Damals, nachdem er
aus dem Knast gekommen war.
Er führte das zurück
auf die Enge der Zelle; auf das lange
Vorsichhinstarren – den Blick auf die Wände gerichtet.
Wände mit Bildern fremder Frauen. Frauen, die
nackt waren. In der Einsamkeit. Eingeschlossenheit.
Er besorgte sich eine Brille. Um die Schilder
wieder lesen zu können. Die Schilder mit den Regeln.
Meine Kurzsichtigkeit hat andere Gründe.
Und ich war ja auch weniger lange eingesperrt gewesen.
Damals – in der Klapsmühle.
Gebrochenes Herz, gebrochener Kopf, gebrochener Blick.
Auch ich besorgte mir eine Brille. Um die Ferne
wieder erkennen zu können. Die Ferne, in die ich
niemals wollte. In der Wirklichkeit. (Und
scheiß auf die Regeln, die dort herrschen!)
Nein, sie ist nicht zwangsläufig angeboren – die Kurzsichtigkeit.
Früher hatte ich das immer geglaubt. Man glaubt eben schnell –
bevor man eigene Erfahrungen macht. (Und dass diese Erfahrung
mich & meinen Bruder nichts Falsches gelehrt hatte, bestätigten mir
die medizinischen Fachbücher.)
Oftmals nehme ich sie ab – die Brille.
Ich brauche sie nicht, um zu lesen. Oder zu schreiben. Sie stört
beim Küssen. Sie stört beim Sex (zumindest beim Sex mit Anderen).
Und was weit weg ist, gefällt mir
verschwommen
oft besser.
Ich sperre mich selber ein.
Mein Haus ist ein Gefängnis & eine Klapsmühle
zugleich.
Glaubte ich an den Freien Willen, würde ich sagen:
ich sperre mich freiwillig ein.
Aber so naiv bin ich nicht. War ich nie.
Ich mag das lange Vormichhinstarren. Den Blick
auf die Wände gerichtet. Wände mit Bildern.
Fotos von Fremden. Da ich Familienfotos hasse. Nacktfotos
der Geliebten (ein Plural, der zum Singular wurde….)
Manche der Fotos selber geschossen, manche
geschossen von Geliebten der Geliebten – die man
niemals kennenlernen wird….. Die Frau
meines Bruders….. (Oh, diese
Mehrdeutigkeiten!) Gebrochenes
Herz, gebrochener Kopf, gebrochener Blick.
Und noch mehr sehe ich
in den Zwischenräumen.
Wo man ohne Brille schärfer sieht. Mehr er
kennt.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich
in meinen Träumen eine Brille trage. Wahr
scheinlich. Doch sie spielt keine Rolle. Dort.
Es dauerte nicht lange –
bis mein Bruder keine Brille mehr brauchte.
Die zurückgenommene Anpassung war eine neue Anpassung.
Ich hatte immer meine Schwierigkeiten
mit der Anpassung.
Meine Brille ist alt. Zu alt. Sie stammt aus einer Zeit
als ich Alles anders sah. Doch nur
die Oberflächen sah ich anders. Damals.
Die Unschärfe ist mein Zeitmesser.
Auf lange Sicht bräuchte ich
eine neue Brille.
Aber nein.
Nichts, was wirklich wichtig ist, sähe damit
anders
aus.
Kreuz- & Querverweise:
Die Klapsmühle
Das Fingerschnippen
Rosinen im Kopf
Das Chaos spritzt Wassertropfen
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Ich gehe
nach
wie eine Uhr
die auf
zu
ziehen
Jemand
Vergessen
hat
Der Zeit
gehe ich nach
Hinterher
gehe ich
ihr
wie einer Geliebten
die flieht
vor
mir
Sie geht
weiter
ist immer
weiter
als ich
Ich bin
ihr
gleich
gültig
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Ich will leben
& sterben
gleich
zeit
ich
Oh, Moment –
das tue ich
ja
wie
Alles
Andere
auch
Nichts
hat eine
Wahl
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