Schlagwort-Archive: Sehnsucht

Der unvergessliche Kuss

 

Mir fehlt die Erinnerung
an jenen Kuss – nicht
weil ich ihn vergessen hätte
sondern weil ich ihn nicht bekam

Niemals
hätte ich ihn vergessen
können, wäre er passiert. Doch
unvergesslich ist er auch

weil es ihn nicht gibt. Und es ist
als wäre eine nicht eingetroffene Phantasie
ein Verlust an Wirklichkeit, an den man sich
bis ans Ende erinnert

Sie fehlt mir

die Erinnerung
an eine andere

Wirklichkeit. An

jene Wirklichkeit
in der wir uns geküsst haben


Dazu gehören

Manchmal spüre ich die Verzweiflung

im Dazu
Gehören wollen
der Anderen

Ich höre den Unterton der Sehnsucht

in den Worten
die beschwören sollen
was sie als gegeben darstellen

& was doch niemals da
sein wird

Manchmal spüre ich die Verzweiflung

in meinem Nicht
Dazu
Gehören wollen

Ich verstecke den Unterton der Sehnsucht

in den Worten
die beschwören wollen
was hätte da

Sein können


Wäre der Tod

 

Wäre der Tod eine Frau
existierte wenigstens eine
die meine Sehnsucht stillen könnte

im Leben
am Ende
unmittelbar vor dem Vergehen

der

Hoffnung

& gleich
zeitig mit dem Verlust

der

Welt.


Running Gag

 

»Hab ich schon erwähnt, dass ich
feucht bin?« Ich hatte nicht mit
gezählt, wie oft, es war ihr Running Gag, ihr laufen
der Witz, es lief, es lief groß
artig unartig, überall raus, selbst ihre Stimme
klang feucht, am Anfang, und im Hintergrund machte es:
Quatsch Quatsch Quatsch & kwitsch kwitsch
kwitsch
, Stunden über Stunden, Überstunden,
wir quatschten, sie quatschte, es quatschte, fließende Sehn
Sucht, Seen & Sucht, und: »Wie heißt nochmal
die Phobie, trocken zu werden?« »Keine
Ahnung«, sagte ich. »Nein, ich bin sicher,
die heißt anders.« Gelächter. Viel Gelächter.
Immer wieder. Quietschen vor Vergnügen.
Ich konnte hören, wenn sie ihre Beine bewegte,
sie öffnete, sie schloss, glitsch glitsch glitsch,
der Expressionismus der Fotze, »Wie ein Kirsch
Kern«, sagte sie, zwischen ihren Lippen, und ihr Hals
war trockengestöhnt. »Was war das für ein Geräusch
da bei dir im Hintergrund?« »Ach das«, sagte ich,
»da hat Alexander Graham Bell sich im Grabe umgedreht;
mit hochrotem Kopf.« »Ich wette, bei dir ist ein ganz anderer
Kopf hoch & rot.« Wir erkannten den Un

Ernst der Lage. Selbst
Erkenntnis & Befriedigung.
Nicht

Aus

zu denken, man würde Alles mit Ernst verderben.
»Wie läuft’s?« »Lachenweise aufs Laken.«
Auf ein Neues. Das nicht neu ist. Immer wieder. Und doch.
Irgendwie. Als suchte man. Immer wieder. Vertrautes
Neues. Neues Vertrautes. »Hab ich schon erwähnt,
dass ich feucht bin?« Es klang auch wie ein Witz –
witz witz witz, wisperte der Kitzler itzt,
wildbefingert….. Und ein Schmatzen: »Heute
schmecke ich nach Vanille – mit einem Hauch
von Zitrone.« (Nille Nille Nille, spukspuckte es durch meinen Kopf.
Und warum alles in 3er-Gruppen? Vielleicht weil sie 3
Finger in sich hatte?) »Ich würde gerne mal nach Zimt schmecken«,
sagte sie. Da bekam der Begriff ›Zimtziege‹ doch gleich ein anderes
Aroma. Und Zicke reimt sich, schleimt sich sowieso. Und Zimt
gab es auf dem Milchreis meiner Kindheit. Und Milchreis ist
weiß & zäh – und – man findet ja kein Ende, wenn die Asso
ziationen erstmal angefangen haben. Und dann erst, wenn Wir
uns assoziieren…… »Dass jetzt bloß keiner anklopft.«
»Dann geh ich nicht ran.« »Na, du gehst aber ran.«
Ach, und wie es klopfte! In allen Gefäßen floss das Blut.
tudumm tudumm tudumm! Besäuselungen statt Beschreibungen.
»Und dann….. & dann…… & dann……. machen wir, können wir,
werden wir…..« Und dann erwähnte sie etwas, das nur
mit langem Schwanz geht. »So’n Pech«, sagte ich. Und wieder
Lachen. »Man kann ja nicht überall überdurchschnittlich sein.«
Hahaha. Und sie hielt die Sprechmuschel, Säuselmuschel, Quatsch
muschel in Muschinähe, und dann klang das Schmatzen wieder
ganz anders, und es erinnerte mich an einen Zwerg, einen
Zwerg, der irgendeine Frucht genüsslich isst, während
sie im Hintergrund Rauschkulissen hechelte. Ein Kirschen ver
schlingender Zwerg, der vollmundig schweigt. Und ich merkte
mir seine Geschwindigkeit beim Verzehr. Für später. Für dann. Und dann.
Und dann. Und dann, als ich wieder an ihrem Ohr war, er
zählte ich ihr von dem Zwerg. Wie mir ihr Lachen gefiel!
»Soso, während ich mich fingere, hast du also einen Zwerg
im Kopf.« »Nein, ich hatte ihn in der Hand. In meinem Kopf habe ich
nur Dich.« »Hab ich schon erwähnt, dass ich feucht bin?«
Die Nacht floss in Strömen. In Träumen & Fantasien. 3 Wünsche
haben wir. Frei! »Pass auf«, sagte sie, »und dann sehen wir uns & finden uns
scheisse.« »Pass auf«, sagte ich, »lass die Scheisse weg –
& schon ….. passt’s. Vielleicht.« Und wie die Nacht verging
in uns – ein Fließen & Fliegen der Zeit – & wie die
Vögel mit mir telefonierten – als der Tag anbrach
vor ihrem offenen Fenster – zwitsch zwitsch zwitsch! – All
es war offen – & über
haupt: Habe ich schon erwähnt, dass sie feucht war?


In unserer Einsamkeit

Was hatte ich bloß gesagt?

»Du brauchst nicht nur Sex«, sagte sie, »Du
brauchst Nähe.« »Nähe«, sagte ich, »ist
die Hauptsache. Immer.«

Mein Ständer brach
in Tränen aus

vor Lachen.
Es gab halt
kein Halten mehr.

Wir hatten Alle
so recht – wir

Einsamen
in unserer Einsamkeit.

Das ist die Leere.


Nur das Übliche

Sehnsucht, Einsamkeit & Phantasie
sind –
Nichts Besonderes.

Er machte sich vor Sie
zu lieben – &
Sie glaubte ihm

Sie machte sich vor Ihn
zu lieben – &
Er glaubte ihr

Sie glaubten sich &
Sie glaubten einander

Es war keine Lüge.
Und es war keine Wahrheit.

Es war nur
das Übliche.


Der weite Weg vom 100sten ins 1000ste

Wie war ich auf diesen Weg gekommen?
Ich weiß es nicht.
Plötzlich war er da. Und ich ging. Auf ihm.
In einem fremden Land. In der Erinnerung.
Ich kleiner Junge, der mir fremd ist, in
gewisser Weise. Nach all dieser Zeit. Die
man die vergangene nennt. Mal
trödelte ich hinterher; mal
lief ich voraus.
Mit der leeren Milchkanne in der Hand;
sie war leicht; aus Plastik; schlenkerte;
leuchtendes Weiß im Sonnenlicht, Griff & Deckel
in hellem Blau. Meine Brüder gingen denselben Weg,
umkreisten die Mutter. Keine Autos, nur Landschaft;
ein Weg ohne Gehsteig, von feinem Sand bestäubt;
links & rechts Wiesen, in der Ferne der Saum eines Waldes. Alles wild. Wuchernd.
Wie ich manchmal. Heiß war die Luft – & bewegt von einem leichten Wind.
Anders als zu Hause. Mit einem Hauch von Salz. Ich erinnere mich
an die Lupinen, die ich sah. Weil ich dabei an Fix & Foxi denken musste.
(Wölfchen & Lupinchen.)
Der Weg war weit – bis zu dem Hof, wo wir die frische Milch bekamen; so
erschien es zumindest meinen kurzen Beinen in den noch kürzeren Hosen.
Wir gingen & gingen; manchmal schloss ich auf –
zu den anderen; dann wieder setzte ich mich ab, so dass man nach mir rief.
Ich erinnere mich nur an Weite & Leere auf diesem Weg; an fremde Menschen
erinnere ich mich nicht. Und dann waren wir
an einem Strand. Und die Milchkanne war fort.
Mein Vater besaß ein großes graues Schlauchboot, mit dem man
segeln konnte. Und in der Ferne sahen wir das weiße, spitzwinklige Tuch auf dem Meer. Winzig über der flirrend blendenden Oberfläche. Ich suchte glattgespülte Steine im klaren Wasser, und irgendwann sah ich
das Dreieck kippen. Mein Vater war ein guter Schwimmer. Also wurde gelacht.
Und ich sang: »Junge, komm bald wieder«. Dann wurde noch mehr gelacht.
Meer & Himmel in hellem Blau …. Wolken & Segel in leuchtendem Weiß ….
Und dies war die erste Schallplatte gewesen, die ich mir gewünscht & bekommen hatte. Das also war der Musikgeschmack des kleinen Fremden. ›Junge, komm bald wieder‹. Es könnte dem Erwachsenen fast peinlich sein, das zu erwähnen. Wenn er gedankenlos wäre.
›Ich schlich mich heimlich fort – als Mutter schlief.‹ Eine Zeile voller Sehnsucht & Grusel. Fort. Fort. Flucht. Einsamkeit. Fern von zu Hause. Und es war ganz still, und ich war allein in der nächtlichen Hotelhalle, und ich arbeitete am Empfang oder las vielleicht ein Buch, und dann legte ich die Arbeit oder das Buch beiseite, und
Freddy Quinn gab mir ein ordentliches Trinkgeld & sagte:
»Weil Sie so nett waren«; dabei hatte ich mich nur daran erinnert, was er beim
letzten Besuch, vor vielleicht 7 oder 8 Jahren, zum Frühstück geordert hatte,
das wunderte ihn offenbar, da er sich
an mich nicht erinnern konnte, und weil er ja nichts ahnte – von diesem Strand & meiner ersten Platte & dem kenternden Vater & dem Gelächter & meinem Gesang; und er konnte ja nichts ahnen von jenem späten Abend – als
der Vater in unser Zimmer kam, um Gute Nacht zu sagen…. Er hatte gerade einen Film mit Freddy Quinn gesehen, und er war gut gelaunt, sang selber ein Lied aus diesem Film & machte einen Witz, über den wir lange lachen mussten. Und als er den Raum verlassen hatte & es dunkel war, sagte derjenige meiner beiden Brüder, mit dem ich mir diesen Raum teilte & der oben im Etagenbett lag: »Warum hat er nicht immer so gute Laune?« Und das war ein Satz voller Traurigkeit; einer Traurigkeit, die wir beide spürten wie einen Schlag. Wie einen Schlag von vielen – während wir noch immer lächeln mussten. Und Freddy Quinn sagte: »Hat das Zimmer einen Fernseher? Ich brauche unbedingt einen Fernseher, um einschlafen zu können.« Natürlich hatte es einen Fernseher. Aber es ist lange her, und wer weiß, was für Hotels er schon gesehen hatte in seinem Leben. Dann sagte er »Gute Nacht« & fuhr mit dem Aufzug nach oben. Während ich hinunter ging
zum Strand. In meinem kindlichen Aufzug. Den kurzen Hosen. Den durchsichtigen
Strandschuhen aus Plastik. Die ich trug, weil ich es hasste, auf Steine zu treten. Steine, die spitz, und nicht glattgespült waren. Und dann war die Milchkanne gefüllt. Und schwer. Und schlenkerte nicht mehr. Und von dem Trinkgeld,
das Freddy Quinn mir gegeben hatte, kaufte ich mir
Schnaps & soff mich besinnungs- & erinnerungslos. Fix & Foxi.
Niemand kommt wieder.
Wie war ich auf diesen Weg gekommen?
Ich weiß es nicht.
Es gab ihn nicht. Nicht so.
Es gab ihn nicht – bis
ich mich an ihn erinnerte.
Er war – viele Wege.
Warum erinnerte ich mich – in dem Moment
als ich mich erinnerte?
Würde ich darüber nachdenken, würde ich
wohl darauf kommen. Aber
ich brauche es nicht
zu wissen. Nicht
zu wissen – auf meinem Weg
vom 100sten ins
1000ste.


Da war was

Die Flasche kreiste durchs Sonnenlicht
von Hand zu Hand, von Mund zu Mund
im Uhrzeigersinn.
Wir saßen auf dem Rasen
irgendwo in einer fremden Stadt.
Eine kleine abgesplitterte Gruppe.
Schulausflug. Mit Sekt.
Nach einer Umrundung würde die Flasche
vermutlich leer sein.
Links von mir saß
die Hübscheste. Von allen Kursen, allen
Klassen. Eine Klasse für sich, die
mit niemandem zusammen war.
Rechts – saßen
auch irgendwelche…… Jungs mit
ungeputzten Zähnen &
Andere, die ich vermutlich vergessen habe.
Und niemand wischte die Flaschenöffnung ab
vor der Berührung mit den eigenen Lippen.
Ich hätte es wohl gerne getan. Angesichts
des Halbkreises zu meiner Rechten. Tat
es aber ebenfalls nicht. Setzte
an. Trank. Sekt. Vorsicht
beim Absetzen…. dass nichts
übersprudelt…. Das
wäre peinlich!

Alles ging gut. Der Sekt war warm, doch
das war egal. Ich reichte
die Flasche weiter. Und
die Hübscheste…. von allen Kursen, allen
Klassen…. die Klasse für sich, die mit niemandem
zusammen war….. ging
– einmal kurz – mit der Handfläche über die Öffnung
der Flasche. Vielleicht
hatte es beiläufig sein sollen, vielleicht
war es allen anderen egal; doch
in meiner Gegenwart kann nichts Beiläufiges geschehen.
Nicht – solange mein Herz schlägt.
Vielleicht also hatte es beiläufig sein sollen, aber
sie flüsterte etwas….. Etwas, das all ihre Versuche
in dieser Richtung zunichte machte. Sie flüsterte:
»Da war was.«
Ich schaute sie an, und sie war rot geworden.
Sie schaute mich an. Da war was. Sie hätte es nicht sagen
müssen. Ich verstand: Ich habe sie nicht
deinetwegen abgewischt.

Sie nahm nur einen kleinen Schluck. Dann reichte
sie die Flasche weiter. Viel war nicht mehr darin. Ich
habe vergessen, an wen sie die Flasche weiterreichte.
Dabei hätte ich diese Person sein wollen. Links
von ihr hätte ich sitzen wollen. Und da wäre
nichts wegzuwischen gewesen. Ein
gläserner Kuss – von ihr.
Dieser verdammte Uhrzeigersinn!
Dort wo ich saß, würde der richtige Platz gewesen sein –
wenn es diesem Sinn entgegen gegangen wäre.
Sonne. Sekt. Sinn. Sehnsucht. Das Übliche eben.
Die Zeit hatte eine falsche Richtung. Vielleicht.
Ein kleiner Moment. Ein Augenblick.
An so etwas erinnert man sich
auch nach über 30 Jahren.
Und immer mit diesen Worten:
Da war was.


Spiegelkuss & Wolke mit Ei

Elektrisches Insekt
Spiegelkuss im Aufzug
Weißwankende Wolke
Buntes Ei auf Empfang

Zusammenhanglos oder lose zusammenhängend?

Ich hasse das Geräusch des Ventilators im Aufzug.
Nachts hallt es durch die Hotelhalle
wie das Gesumme eines stromgefütterten Insekts:
stechend, störend, nervend.
Es stört mich beim – nennen wir’s ‚Arbeiten’;
aber auch bei allerlei wichtigen Untätigkeiten.
Ich kann ihn ausschalten so oft ich will –
irgendein Mensch (vermute ich) schaltet ihn wieder ein.
Essummtessummtessummtessummt – also
gehe ich zum Lift, greife
nach dem Kippschalter…..
Jemand hat den Spiegel geküsst!
Den Spiegel im Aufzug.
Mit dunkel bemalten Lippen….
Der Abdruck des Kusses wandert über mein Abbild,
wenn ich mich bewege.
Ich hasse Lippenstift. Den Geschmack des Künstlichen.
Doch ich liebe
die Abdrücke – Lippenmalerei
auf Glas, auf Zigaretten, auf meiner Haut.
Die Linien; die Lücken; die Öffnungen.
Eine Erinnerung.
Die mich bewegt.
Wer hat den kalten Spiegel geküsst?
Ich weiß es nicht – & werde es nie erfahren.
Nur ihre Größe kann ich erahnen; die Höhe ihres Mundes;
die Fülle ihrer Lippen (natürlich: ich kann mich täuschen –
wie so oft; doch solange mir Wahrheit & Wirklichkeit nicht
dazwischenfunken, habe ich recht. Und niemand sonst.).
Kipp! Es wird ruhig. Der Schalter steht wieder oben.
Und ich setze mich hinter die Rezeption. Träume dem Kuss hinterher.
Einsam – selbstverliebt – übermütig – wie war sie gewesen?
Während der Fahrt durch die Nacht bitte nicht mit dem Nachtportier reden!
Aber keine Sau hält sich an die Regeln der Träumer.
Die Drehtür fächert eine alte Frau ins Hotel.
Die Frau wankt. Ihre Frisur: eine leuchtend-weiße Schäfchenwolke;
jederzeit könnte sie anfangen zu schneien.
»Gibt’s hier noch was zu trinken?«
»Nein«, sage ich.
»Dassissblöd«, sagt sie.
»Tja. Da ist noch die Minibar.«
»Nee – alleine trinken macht kein´ Spaß.«
(Wie wenig ihre Erscheinung & ihr Alter zu ihrer Trunkenheit passen,
denke ich – & weiß, dass dieser Gedanke unsinnig ist. Immerhin:
sie trinkt nicht allein.
Fast klang es wie eine Einladung. Doch
ich trinke nicht mehr. Und als ich noch trank, tat ich es allein.)
»Ich hab meine Zimmernummer vergessen, können se ma grade gucken?«
(Ob ich grade gucken kann? -)
»Ich vergesse meine auch immer, wenn ich zurück in den Knast muss«, sage ich.
Sie lacht. Rauh, besoffen.
Ihr Lippenstift ist grell.
Sie sagt mir ihren Namen; ich sage: »Drei Null Acht. Dritter Stock, rechts.«
»Dann nehm ich mir noch ein Ei.«
Und sie greift zu.
Erwähnte ich, dass es auf Ostern zugeht?
Also: es geht auf Ostern zu. Karwoche.
Ein grünes Nest steht auf dem Empfangstresen.
Bunte Eier, hartgesotten.
Sie nimmt sich das gelbe. Symbolträchtig.
Sagt »Gute Nacht« – & wankt zum Aufzug.
Ich sehe ihren bewölkten Hinterkopf.
Ob sie den Kuss sehen wird?
Sie dreht sich nochmal um…. »Zweiter Stock?«
»Nein, dritter.«
»Zwei Acht Null?«
»Nein – Drei! Null! Acht! Dritter Stock. Rechts.«
»Ah ja.«
Und sie verschwindet in der Kabine.
Allein. Mit ihrem Ei. Und dem geküssten Spiegel.
Es zieht sie hinan. Mit Ruckelgeräusch. Auch der Aufzug
ist nicht mehr der jüngste.
Sie könnte die Größe der Küssenden haben, und wenn sie
in den Spiegel schaut….

Nächtliche Gedanken. – Vielleicht war es
ein Transvestit, der seinen Abdruck hinterlassen hat?

Die nettesten Gespräche habe ich oftmals mit Transvestiten
mitten in der Nacht.
Ach ja – die Romantik!
Am frühen Morgen
wird die Putzfrau
kommen. Und manchmal
summt sie
beim Wischen.
Ich schwärme ein bisschen für sie –
& mag ihr Summen.
Doch mit dem Kuss
im Aufzug
wird es dann vorbei sein.
Und vermutlich hat die alte Frau
gerade jetzt – auf dem Weg nach oben –
den Ventilator eingeschaltet; und vielleicht
schneit es nun
auf ihre Schultern.


Sehnsuche

 

Was sie gesucht hatten
im Unbestimmten
fanden sie an
einander

Doch das Gefundene
war nicht dazu bestimmt
die Suche zu
ersetzen

Die Sehnsuche
die erfindet was
nicht
gefunden werden kann

Nicht
wenn man sich
nicht (einander)
zufrieden

giebt


Unterm gelben Zeigefinger

Was oben scheint
ist erneut der Mond.
Der Mond scheint
gelb, getarnt als Sonne.
Als Sonne der Nacht,
gelb wie der Zeigefinger eines nikotinsüchtigen Serienkillers;
er deutet
hinunter auf den Wald……
Knisterschritte in stiller Umgebung.
Was unten scheint
ist erneut die Frau. Getarnt
als Traum.
Traum, Baum, Saum eines Nacht
hemdes…. kurz & durchschimmernd ….
in Stummfilmblau.
Bloße Schenkel in Bewegung,
Nadelgeruch & das Ende der Stille.
Das Heulen des Tieres schneidet
ein Muster in die Dunkelheit & hinterlässt
eine Tonspur.
Ein Wolf träumt in der Ferne,
und seine Sehnsucht reisst die Frau
zu Boden…… fällt
über sie her,
leckt sie ab
mit schweigender Zunge &
zitterndem Schwanz.
Speichel tropft unterm Märchenmond.
Und Licht bricht in den Schweißperlen der Frau.
Rot ist die Lust
wie eine unter
gehende
Sonne….
& ihr Blut sickert
in den Boden
der Nacht.


Unter der Erde

Eine Nacht
erfüllt von schweigenden Geräuschen
verstummten Stimmen
dem Schlaf von Fremden.

Was von mir übrig geblieben war
wachwandelte durch die Kälte.
Nachthimmellicht fiel
als Blässe in den Nebel über dem Feld.

Der Mond nahm.
Ob ab oder zu war mir gleich
gültig.

Hartgefroren war die Erde.
Der Boden unter meinen Füssen
den ich noch immer nicht verloren hatte
wie so vieles Andere.

Durchschleierte Weite.
Der Geruch von feuchter Luft.

Kein Mensch war. Unter
wegs.

Nur: ich.

Ich hatte vergessen
wo er begraben lag –
der kleine hölzerne Kasten.

Ich hatte keine Karte
für meinen Schatz
& Alles
sah verändert aus.

(Als ob
Einöde & Leere
sich verändern
könnten.)

Ich würde ihn nicht finden.
Nicht wiederfinden. Das
wusste ich.

Wusste es in mir.
Das immer weiß, was ich nicht wahr
haben will.

Ab & zu
schloss ich die Augen
um mich zu erinnern.

Versuchte
zu hören
was ich
begraben hatte.

Doch ich war taub
vom Schweigen
das ich vernahm.

Das Holz war schon faul gewesen
als ich es begrub.
Es musste längst verrottet sein.

Stille. Stille. Stille.

Sie hatte in diesen Kasten gesprochen.
Seinerzeit. Unsererzeit.

Worte
im Schleier ihres warmen feuchten Atems.

Hart
gefroren
war
die Erde.

Ich war zu faul
um weiter
zu suchen.

Fast schon
verrottet.

 

(Inwendig vorgetragen:)


Die zerstörte Fixierung

Ich war stehengeblieben
an einem bestimmten Punkt
der Zeit.

Zeit
des Zusammenbruchs
Zeit
der Depression
Zeit
der Einsamkeit.

Stehengeblieben
wie eine zerstörte Uhr
im Augenblick
eines Unfalls.

Eine Zeit danach
kannte ich nicht mehr.

Die Zeiger deuteten immer wieder
auf das Gleiche.
Auf das Verlorene.
Auf Alles
was ihm ähnlich war.

Ihr
ähnlich sah.

Ich blieb stehen
in einem Alter der Vergangenheit.

Einer Jugend
die verflogen war.

(Ein bekanntes
psychologisches Phänomen –
simpel & gewöhnlich.)

Was weiterging
war das Leben.
Nicht ich.

Lebensfern fixiert
fiel mein Blick
auf Frauen jenes Alters,
in dem Sie gewesen war,

als ich stehenblieb.

Zurück
blieb.

In der Lächerlichkeit
fantastischer Sehnsüchte.

Nichts passte zusammen –
& je weiter sich Alles entfernte,
desto kurzsichtiger wurde ich.

Enge machte sich breit.

Das Mögliche versank
im Erträumten, das
niemals sein konnte.

Es blieb: Allein
sein

& Vorüber
gehen
lassen.

Für lange Zeit.

Lange Zeit.

Als es an der Haustür klingelte
& ich öffnete,
änderte sich mein Blick.

Nicht sofort.

Die Frau war jünger als ich,
doch älter als die Andere (die älter ist
als ich) gewesen war – als ich

still
stand.

(Und es ist kein Zufall, dass
dieser Satz so verwirrend klingt….
& sie nicht an Zufälle glaubt.)

Nein,
nicht sofort änderte sich alles.
Es wäre gelogen, dies zu behaupten;
so wie ich – aus Höflichkeit log, als sie,
die von meiner Fixierung wusste, fragte, ob es mir
nichts ausmache, dass sie älter sei….. (Und mit den
Fingerkuppen zog sie ihre Augen zu Schlitzen.)
»Wenn es dir nichts ausmacht, dass ich noch älter bin….«

 

Es dauerte

seine Zeit
meine Zeit

bis die zerstörte Uhr

tick tack

wieder
zu gehen begann

ohne Zaubertrick
zu laufen

ticktack

zu rennen

um die Gegenwart einzuholen.

 

Zeitverschiebung
Blickverschiebung

 

Ich
holte mich ein
in der Gegenwart.

Aus dem Erträumten erhob sich
das Mögliche, das
immer sein konnte

& wurde seinerseits
zum Erträumten.

Geahnte Weiten, die
verschlossen gewesen waren,
taten sich auf.

So viele
weitere Frauen,
die mein Blick
übersehen hatte.

Was für eine
Wendung!


Hungeratem

Ihr Atem roch nach Hunger
in der letzten Nacht
die wir hatten

Ich schwieg

Mein Schweigen schmeckte
nach ihr

Ein weiterer Kuss
der vielleicht der letzte war

Gesättigt
von heruntergeschluckten Worten

Mein Hunger war
ein anderer

Atem
wurde angehalten

Anders als
die Zeit


»So ist das im Leben.«

Immer
wenn mein Vater zu mir sagte:
»So ist das im Leben.«,

hatte ich das Gefühl,
er sagte es ebensosehr
zu sich selber.

Immer
war es die Begründung

für einen
Verzicht

für die
Unerfüllbarkeit eines Wunsches

für ein
schmerzliches Vermissen

oder die
Notwendigkeit einer Pflichterfüllung.

Die Antwort auf die Frage eines Kindes,
das von Anderem träumte.

Es war eine Begründung
ohne Grund, ohne Erklärung;
ein Schweigegebot, das allen
Diskussionen ein Ende bereiten sollte.

Ich hasse es noch heute,
wenn jemand diesen Satz sagt.

Hasste es aber ganz besonders,
wenn ER ihn sagte.

Dass es dunkel wird,
wenn das Licht ausgeht –
ist so im Leben.

Dass kein Feuer ewig brennt –
ist so im Leben.

Aber
was mein Vater mich glauben machen wollte,
war niemals zwangsläufig so im Leben.

Was er da sagte, war
nichts als eine Phrase –
eine bequeme Lüge.

Etwas,
das er selber gerne geglaubt hätte.

Das Kind, das ich war, meinte,
eine gewisse Traurigkeit & Resignation
im Tonfall der väterlichen Stimme zu erkennen.

Weil es den Mann, der mein Vater war,
für zu klug hielt, um zu glauben,
was er da sagte.

Und später dachte ich oft, dass
sein ungeheurer Jähzorn
in erster Linie
vielleicht genau daher kam.

Verzicht
Unerfüllte Wünsche
Vermissen
& alberne Pflichterfüllung

Er hatte diese Familie am Hals
– & im Kopf wohl oft
anderes.

Erinnerungen an das Kind,
das er gewesen war –
& das von Anderem geträumt hatte.

Ich wollte es
anders machen
in meinem Leben.

Ich habe es anders gemacht.
Doch gebracht – hat’s nicht viel.

Auch ich
habe diesen Jähzorn.

Seinen Jähzorn.
Vielleicht.

Tja,
so ist das …..


Gläserne Vasen

Dieser seltsame Raum
den er Tag für Tag betrat
in seinen Tag
träumen

Ein fensterloser Raum
voller Regale
denen die Rückwände fehlten

Regale
die seine innere Leere zer
teilten

kreuz & quer

in regel
lose Ab
schnitte

In den Regalen
Nichts
als Vasen aus farbigem Glas

Bunte Gefäße
ohne In
halt

Überall
Reflexion & Brechung
des Kunstlichtes

Er unterlag nicht
der Illusion
seine Träume zu beherrschen
nur weil es Tagträume waren

Gedanken
Spiele

Frauen
traumwandelten durch den Raum

spielerisch

als hätten sie
etwas ver
standen
das er nicht be
greifen konnte

Er war er
griffen
von ihrem Anblick

Tag für Tag

Maskierte Gesichter
nackte Körper

Verhüllte Körper
entblößte Gesichter

Wesen
die niemals
Etwas
sagten

Wesen
die un
auf
hör
lich
Nichts
sagten

Dieser seltsame Traum
den er Tag für Tag betrat
in seinen Räumen

Räume
deren Fenster
verhangen waren

Eines Traumtages
so glaubte er
würde eine Vase aus farblosem Glas
in einem der Regale stehen

& sein Blick
würde fallen

durch das Glas
durch die Leere
durch das Nichts

auf eine Frau
ohne Maske
unverkleidet & nackt

Ihr Anblick
leicht verzerrt
durch das gekrümmte Glas

in dem er selber
sich spiegelte

Gebrochene Augen
blicke

in künstlichem Licht

& Sie
würde Etwas sagen

von dem er nicht ahnte
dass er es
sich

erträumt hatte


Ärsche

Erst
hielt sie ihren Arsch hin.
Dann
hielt sie mich hin.
Als
wäre da kein Unterschied.
Nun
gut – geil waren wir
beide.

Ein An
blick……

Ein Zu
stand……

Sie: ein Ziel.
Ich: eine Sehnsucht.

Erst
hielt sie sich hin.
Dann
hielt sie mich hin.

Die Muse
die tropfend auf mir gesessen hatte

als wir uns kaum kannten.

Wir lernten
uns kennen…..

Kamen
uns abhanden.

Denn
Nichts lässt sich
halten

so
lange
man will.

Nichts hält
was es ver
spricht.

Irgendwann
nach dem Ver
lust
kommt das Ver
siegen.

Und dann
fällt mir

Nichts

mehr


Der unstillbare Appetit

Ein
achtlos fallengelassenes
Wort

weckte
meinen
Appetit

Jemand
erwähnte
ein Gericht

das
ich
liebte

&
lange nicht
gegessen hatte

Ich
oder sonstwer
hätte es kochen können

jetzt
in diesem Moment
der Erinnerung

& des
wachsenden
Appetits

Doch
es wäre nur eine
Kopie gewesen

Eine Kopie
des
Erinnerten

& die
wesentliche Zutat
hätte gefehlt

Der Geschmack der Köchin
die längst
gestorben war

Der Tod
macht den Appetit
unstillbar

immer
wieder

& das Lieblingsgericht
verschwindet
für immer

aus
dem
Leben


Schweißspuren

Irgendwo heult ein Wolf in der Nacht,
das Klischee des Mondes fehlt.
Wind bewegt das Fell.
In einer Blockhütte tanzt eine Frau –
barfuß in einem weißen Herrenhemd;
allein mit dem Feuer, das
im Kamin für sie brennt.
Sie tanzt zu einer Melodie in ihrem Kopf,
summt –
beleuchtet von Flammen, die Naturgesetzen ge-
horchen.
Schweiß auf Schenkeln.
Schweiß auf der Stirn des Mannes, der
in einem Bett fiebert;
weit entfernt von
Allem.
Verseuchtes Blut.
Er träumt
das Geheul,
träumt
die tanzenden Schenkel, die bloßen Füße
auf dem Holzfußboden,
er träumt
die Melodie,
träumt
das Feuer,
träumt
den fehlenden Mond
& die Schatten.
Krankheit, die durch Adern fließt.
Adern, die sich fiebernd
winden.
Dann verstummt der Wolf;
er folgt einer Schweißspur in der Nacht.
Naturgesetzen gehorchend.
Irgendwo tropft eine Wunde.
Verseuchtes Blut.
Hunger & Sehnsucht werden nicht gedacht.
Er wittert.
Er wittert.
Er zittert. Der Mann sieht die Fenster der Hütte;
bewegtes Feuerlicht in nächtiger Einsamkeit;
Schwitzwasser tränt an den Scheiben.
Ein mondhelles Hemd.
Tanzt. Dahinter.
Vielleicht.

Viel-
leicht.

Tanzt
zu einer Melodie
hinter Lidern, die sich
schließen.

In seinem Bett.

Schließen
wie
eine
Wunde & ihr
Spiegelbild.


Die ferne Saite

Eine Saite war gerissen
mit einem Geräusch, das ich
nicht hatte hören können.
Zu fern von mir.

Wir lagen im Bett, als sie
es mir erzählte. In
buntbeleuchtetem Halbdunkel.
»Was für eine Saite?« fragte ich.
»Tiefes E. Für Konzertgitarre.«
Und sie fügte hinzu:
»Komisch, die reißen doch nie.
Normalerweise.«
Nun, mir war im Laufe meines Lebens
schon jede Saite gerissen.
Immer wieder.
Man muss nur wild genug spielen.
Zuweilen nicht einmal das.
Manchmal reicht die Ermüdung. –
Sie stand auf, um sich anzuziehen;
ich ging nach nebenan, um
nach einem Satz zu suchen.
Ich fand einen passenden.
Ging zurück zu ihr.
»Hier«, sagte ich.
Sie lächelte.
»Ich brauche nur die eine Saite.«
Ich öffnete das Päckchen &
reichte ihr das E.
Wir küssten uns.
Es gefiel mir,
nackt zu sein, während sie
ihr wärmendes Wollkleid trug.
»Sehen wir uns Freitag?« fragte ich.
»Ich denke schon.«
Dann fuhr sie.

Nun habe ich
einen auseinandergerissenen Satz.
Einen unvollständigen Satz.
5 Saiten, die einen eigenen Klang haben.
Ich werde sie aufziehen
& das E nicht ersetzen.
So mancher Akkord, so manche Harmonie wird
unvollständig klingen …..
Ein tiefer Ton wird fehlen.

Und in der Ferne –
zu fern von mir –
ist diese eine Saite.
Die eine Saite, die
an mich erinnert.
Die eine Saite, die
mir fehlt.
Die eine Saite, die
so manchen Akkord, so manche Harmonie
erst klingen ließe, wie er klingen sollte.

Vielleicht spielen wir ja
irgendwann einmal
zufällig
im selben Moment
das Gleiche.

Dann wäre es
über alle Entfernung hinweg
als wären die Saiten
nie getrennt worden.

Und
der Klang
wäre
perfekt.


Flüge & Abstürze

Auf den
Funkenflug
folgt der
Höhenflug

Auf den
Höhenflug
folgt der
Fetzenflug

Erwartungen
stürzen ab

Träume explodieren
in der Luft

Splitter fallen
zu Boden

wie ausgekotzte Herzen

Alles stirbt

Nur
die Sehnsucht
überlebt


Die geteilte Geliebte

Wir teilen uns
die Einsamkeit

Wie eine Geliebte
die genug
Sehnsüchte
genug
Verständnis
genug
Zärtlichkeit hat
für Alle

& sie fragt nicht
nach dem Geschlecht

da sie
Alle
liebt

Alle

die
da
oder
fort
sind

Vielleicht
ist sie auch nur
eine Nutte

Eine Nutte

mit
zu
viel
Gefühl

Zuviel Gefühl

für Alle
die
irgendwo
sind

oder waren

oder sein könnten

Und vielleicht
leidet
sie selber

am meisten –

Am meisten

darunter


Die Sehnsucht

Die Sehnsucht
ist nicht am größten
wenn man
niemanden
hat.

Sie ist
am größsten
wenn man
jemanden
hat

der
sie
nicht
stillen

kann.


Von außen betrachtet

Und dann
wieder allein
kniete ich mich hin &
roch an der Stelle, wo
SIE
nackt & feucht
gesessen hatte.
Ja,
Sehnsucht & Verlangen
sind
von außen betrachtet
oft
lächerlich –
oft
peinlich.
Man sollte sie
nicht
zu oft
von außen betrachten.


In uns

In uns träumen
die Möglichkeiten
davon
Tatsachen zu werden

In uns träumen
die Sehnsüchte
davon
Erfüllung zu werden

In uns träumt
der Schlaf
davon
Leben zu werden

In uns träumt
die Einsamkeit
davon
Liebe zu werden

In uns träumen
die Ängste
davon
Schrecken zu werden

In uns träumt
der Hass
davon
Tod zu werden

Wunsch
Träume
Alb
Träume

Und
Irgend etwas
erwacht
als
Verwirklichung

Irgend etwas
schläft
für immer
traumlos

Irgend etwas
träumt
für immer
schlaflos

Irgend etwas
erwacht
wie immer

Und
Irgend etwas
stirbt
im Schlaf

in
Uns


Bleib doch – weg !

Soll sie doch fort bleiben,
die Sonne!
Egal, ob Tag oder Nacht.
Mir reicht der kalte,
bleiche Beweis, den
der Mond erbringt
für ihre Existenz.
Und wenn selbst der
fehlt –
scheint eben
wie üblich
die Finsternis
in das einzige Fenster
meines Hauses, das
nicht
verhangen ist.
Ich scheiße auf
die Wärme & das Licht,
auf Alles,
was mich verbrennt!
Nein,
ich sehne mich nicht
ich sehne mich nicht
ich sehne mich nicht
nach
der Sonne!


Der Handschuh

Die Entfernung
Die Sehnsucht
Die sich aufstauende Leidenschaft
Das Leiden
Der Druck
Die Phantasie

Ich könnte Dir
einen Handschuh senden
nachdem ich mir damit einen runtergeholt habe

Drehst Du ihn auf links
kannst Du meine Finger an Deiner Fotze spüren
während Du an Dir herumspielst
Lässt Du ihn wie er ist
spürst Du meinen Schwanz

Doch Du musst
ihn mir zurückbringen

Persönlich

& dann
werfen wir ihn gemeinsam
auf den Boden
Auf den Boden der Tatsachen
wo die übrigen Klamotten
so schnell

so
schnell

zu liegen kommen

Die Entfernung
Die Sehnsucht
Die sich aufstauende Leidenschaft
Das Leiden
Der Druck
Die Phantasie

Sie bringen einen auf Ideen

Auf
vielleicht dumme
Ideen

Doch auf solch dumme Ideen
muss man erst einmal
kommen
kommen
kommen

& immer wieder
kommen.


In der Weite

Wenn ich mich
beengt
fühle
& eingeschlossen
sehne ich mich
nach der
Weite
Deiner Gedanken.

Dort
möchte ich
frei
leben

& atmen.


Die eifersüchtige Einsamkeit

Sobald die Frau zum ersten Mal
die Zuflucht des Mannes betrat
(es könnte auch umgekehrt gewesen sein),
eilte die Einsamkeit hinaus &
warf die Tür hinter sich zu wie eine
eifersüchtige Geliebte.
Zu zweit lachten sie
sie aus,
umarmten sich, redeten, tranken &
legten sich hin.
Die Einsamkeit schlich um das Haus,
lauschte an den geschlossenen Rolläden,
bewegte sich durchs Unkraut
der vergangenen Zeit,
fühlte sich verlassen
& wurde böse.
Böse
nur für kurze Zeit.
Sie hörte
in ihrer Ausgeschlossenheit
das Atmen, das Küssen, das Stöhnen,
die Musik
im Inneren des Hauses –
& wusste
beinahe
augenblicklich,
dass sie
eine neue Verbündete
bekommen würde.
Fast hätte sie
boshaft gelacht
in dem Moment dieser Erkenntnis.
Doch sie befürchtete,
gehört zu werden.
Niemand
hätte sie gehört.
Nicht einmal der Mann, der
in der Zuflucht lebte.
Zu laut
war seine Zufriedenheit,
zu verschlossen
seine Ohren von den Schenkeln der
Leidenschaft;
zu verschlossen
von der Musik.

Als die Frau das Haus verließ,
schlüpften sie
zu zweit
hinein:

Die Einsamkeit
&
Die Sehnsucht.

Die Sehnsucht
hatte den Geist,
das Gesicht
& den Körper
der Frau,
die gegangen war.

Die Einsamkeit
flüsterte ihr ins Ohr.

Dann

lachten sie
gemeinsam

zu zweit.

Hinter verschlossenen Türen.


Die langen blonden Haare

Die Einsamkeit war lang gewesen
So lang
So viel länger als
die blonden Haare, die plötzlich überall
in meinem Haus zu finden waren

ohne dass ich sie suchen musste

Die Einsamkeit war lang gewesen
Zu lang
& ich bekam
einen Krampf im rechten Fuß:
im 2. Zeh von rechts –

als gewisse Punkte meines Körpers
ungewohnt berührt wurden

Ich sprang nackt aus dem Bett
um den Krampf zu lösen

Es war zum Lachen
Also lachten wir

Vieles
löste sich

Ich schmeckte mein Bier
auf fremder Zunge

& die langen blonden Haare
fielen überall
auf meine ramponierte Haut

bevor
der Besuch zu Ende war.

Und irgendwann werde ich anfangen
die langen blonden Haare
zu suchen.

Sie
zu suchen
um sie zu betrachten &
SIE
zu riechen.


Die Romantische Ader

Immer wieder diese verdammte
Romantische Ader in mir!
Wenn ich durch mein
menschenleeres Haus gehe,
kann ich sie spüren.
Und ich spüre die
Fußsohlen der Frau, die
nackt durch die Flure & Zimmer ging;
ich fühle, wo sie den Boden berührten,
sehe die Erinnerung an ihre Nacktheit
auf der Kellertreppe &
rieche, was längst
verflogen ist.
Und diese verdammte
Romantische Ader in mir –
platzt wie ein Ballon – &
überall ist
Blut
Blut
Blut.
Und überall ist
Leben
& Rote Dämmerung
& Sehnsucht
in mir.


Mein Schlafzimmer

Mein Schlafzimmer ist
erfüllt
von
fremden Gedanken
fremden Gefühlen

Bücher
in Regalen
Bücherstapel
auf dem Nachttisch
Büchertürme
auf dem Boden

Träume &
Phantasien

die in meiner Vorstellung
zu etwas
Neuem
werden

Phantasien &
Träume

die
meinen Schlaf
bewohnen

Mein Schlafzimmer ist
erfüllt
von
eigenen Gedanken
eigenen Gefühlen
eigenen Träumen
eigenen Phantasien
eigenen Sehnsüchten
eigener Schlaflosigkeit

die in Deiner Vorstellung
zu etwas
Neuem
werden

könnten


Es gibt sie nicht

Ich wünschte
ich hätte sie

die Sehnsucht nach allem
was ich habe

Aber es gibt sie
nicht

diese
Sehnsucht

Deshalb
sehne ich mich ja
nach ihr

wie nach so

Manchem

dass es

vielleicht
nur für mich

nicht gibt