Monatsarchiv: Dezember 2011

Meine Haustür

Ich kenne nichts, was so
selten geöffnet wird
wie
meine Haustür.

Särge vielleicht
wenn jemand darin liegt
& sie vergraben wurden

Das Holz meiner Haustür
ist verzogen
verrottet
wie das Holz eines Sarges
der schon lange
in der Erde ruht

Sie lässt sich nur noch schwer öffnen

Der Lack hängt
in Fetzen herunter

Es interessiert mich nicht.

Was mich interessiert, ist,
dass die Tür geschlossen ist –
& geschlossen bleibt

Ich kenne
was draußen ist.
Und was ich nicht kenne,
ist kein
Verlust
für mich

Niemand
sollte an ihr klopfen.

Man klopft nicht
an Sargdeckeln.

Nicht einmal wenn man weiß
dass im Innern des Sarges jemand
noch
lebt.


Socken

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„Nur Beine“

„Es sind doch nur Beine“, sagte sie.
Das war
ein verdammt guter Witz.
Ich betrachtete sie noch ein bisschen,
lachte – & sagte:
„Ich bin nun mal eher so der Typ:
Es sind doch nur Titten.“


Aufschub durch Auftrieb

Nach irgendeiner diesen üblichen Höllennächte
ging ich ins Bett. Wälzte mich in der Finsternis
& schrieb im Kopf noch höllischere Finstergedichte.
Wie immer.
Dann schlief ich ein.
Träumte wild.
Schwitzte.
Wurde von Herzhämmern ans Kreuz genagelt.
Wachte wieder auf.
Wie immer.
Und ich erinnerte mich –
an die Nacht …. an die Gedichte …. an
jeden Scheißdreck ….
Wie immer.
Ich stand auf.
Ich hätte die Gedichte nur noch tippen müssen.
Doch bevor ich dazu kam, verpasste mir jemand
eine Ladung Gute Laune;
unerwartet & mitten in die Fresse.
Aus war’s mit der Finsternis. – –
Die Gedichte sind noch da; in meinem Kopf,
unauslöschlich wie Alles …..
Und wenn der nächste Tritt vom Leben kommt
– oder von wem auch immer -,
& er wird kommen –
wie immer,
kann ich diese Gedichte ja immer noch
tippen.


Zwiebeln

Wenn man eine Zwiebel schält, weiss man wenigstens,
was einen erwartet.
Wenn man eine Zwiebel isst, weiss man wenigstens,
was einen erwartet.
Wenn man eine Zwiebel verdaut hat, weiss man wenigstens,
was einen erwartet.

Ich finde Zwiebeln schön, und ich finde schön,
zu wissen, was einen erwartet.

Aber manchmal
finde ich auch anderes
schön.

Und manchmal
erwartet einen woanders
genau das,
was man von Zwiebeln
erwartet.


2 Friedhöfe

Hinter meinem Haus gibt es einen Friedhof
Dort liegen begraben die
Das hätte ich niemals tun sollen

Es ist ein kleiner Friedhof
sehr überschaubar
& die Kreuze & Steine stehen alle
gerade –
sie sind
intakt
aufrecht
gepflegt

Vor meinem Haus gibt es einen Friedhof
Dort liegen begraben die
Ach, hätte ich es doch getan

Es ist ein großer Friedhof
sehr unübersichtlich
& die Kreuze & Steine stehen alle
schief –
sie sind
kaputt
verrottet
von Unkraut überwuchert

Meistens
schaue ich aus dem Fenster
das nach
vorne
weist


Egal

Im nachhinein glaubt man ihn zu kennen –
den Moment, in dem man am besten
gestorben wäre.
Zu spät.
Der Moment ist weg.
Man lebt einfach weiter.
Man schläft, isst, trinkt & sucht
nach Momenten, die diesem ähneln könnten.
Aber alles, was sich ähnelt,
bleibt trotzdem
einzigartig.
Nur dieser Moment wäre wirklich
der beste gewesen – glaubt man.
Und wahrscheinlich hat man sogar recht.
Was soll’s.
Lebt man eben noch ein bisschen weiter &
stirbt zu einem ungünstigen Zeitpunkt.
Ist ja letztlich auch
egal.


Cumshot

Worte sollten niemals so sein wie
ein großer Dichter, der
von einem Hollywoodstar gespielt wird

& doch sind sie oftmals so

Worte sollten niemals so sein wie
ein Hollywoodstar, der
von einem Soapsternchen
imitiert wird

& doch sind sie oftmals so

Worte sollten sein
wie der Cumshot eines
Pornodarstellers

so echt wie
ein niederer
Instinkt

kein Fake
keine Kunst
kein So tun als ob

Etwas
das raus muss

& rauskommt
so ehrlich wie möglich

Eine Motivation des Pornodarstellers
mag Geld gewesen sein
aber ohne den Instinkt & die Geilheit
wäre der Cumshot nicht möglich

deshalb ist er echt

so echt wie ein Hollywoodstar niemals
sein kann, wenn er
einen großen Dichter spielt,

einen Dichter,
der echter ist als jeder
Cumshot

so echt
wie Worte immer sein sollten


Keine Sau

Keine Sau versteht mich,
dachte ich.

Dann kam sie daher, und ich
nannte sie
Keine Sau.

Doch manchmal –
manchmal –
ist auch sie eine.

Den Göttern
– welchen auch immer –
sei
Dank!

für ihr
Unverständnis.


Überraschung

Ich bin überrascht
von Dir.
Du bist überrascht
von Dir.
Ich –
liebe Überraschungen.
Du –
solltest sie auch

lieben.


Wie ein Hund

Wie ein Hund, der
vor dem Laden angebunden wurde, in
dem es so vieles gibt, das er gerne fressen würde,
und in den der Mensch gegangen ist, den er liebt
& von dem er abhängt,
fühle ich mich manchmal angebunden
vor dem Leben.
Da ist dieses Schild:
‚Wir müssen draussen bleiben’.
Aber der Hund kann es nicht lesen;
& deshalb heult er manchmal,
weil er sich verlassen fühlt –
& manchmal bellt er alle an, die
so selbstverständlich diesen Laden betreten.
Und die dieses Schild
niemals beachten.
Wie ein Hund
fühle ich mich manchmal,
der das Verbotsschild nicht lesen kann,
das ihn –
& nur ihn allein
zu betreffen scheint …. &
er ahnt nicht, dass es
andere
seiner Art gibt, denen es
genauso geht.


Manche Verstecke

Sie sagte: „Ich habe ein bisschen Angst vor mir.“

Hab keine Angst vor Dir, nur weil ich
Dir Seiten Deines Wesens zeige, die Du noch nicht
kanntest.
Sag nicht: „Das bin ich nicht.“
Denn Du bist es.
Du bist es auch.
Und ich habe sehr schnell erkannt,
wo diese Seiten versteckt waren.

Manche Verstecke liegen so nahe in einem selber,
dass nur ein anderer
sie finden kann.


Ein schlechtes Gedächtnis

Und dann wünschte ich mir ein
schlechtes Gedächtnis –

nur
um sagen zu können :

Eigentlich
vergesse ich alles

aber

diese Nacht
KONNTE ich nicht

vergessen


Euphorie

Wenn ich das leere Wodka-Glas
hinter mich werfe
wie ein besoffener Russe
aus Euphorie
klingt sein Splittern schön
Aber
es klingt nicht
einen Splitterbruchteil so schön
wie Dein Lachen
das mich
in Euphorie versetzt
& das schönste Mondlicht
das sich in den Splittern spiegeln könnte
kann niemals so schön sein
wie Dein Lächeln
wenn Du
meinetwegen
in Euphorie bist


Die altmodische Glühbirne

Immer wenn ich eine altmodische Glühbirne
in eine altmodische Lampe schraube,
frage ich mich, wer noch so altmodisch ist,
sein Versprechen einzulösen,
bevor diese Glühbirne
stirbt.


Scheisse

Meine Scheisse sieht genial aus –
je nachdem, was ich gegessen & getrunken &
wie ich es verdaut habe …..

Ich wünschte,
meine Gedanken wären
Scheisse!


Das stinkende Herz auf dem Herd

Ich erinnere mich noch an den Gestank
im Haus meiner Mutter – wenn
das Rinderherz für die Katzen auf dem Herd stand.
Ich erinnere mich noch an die gierigen Blicke
der Katzen, wenn es im Topf blubberte.
Ich erinnere mich noch an das wollüstige Kauen
der Katzen, während sie das Herz – mundgerecht vorgeschnitten –
aßen.
Ich erinnere mich noch an die zufriedenen Blicke
der Katzen, während sie das Herz verdauten.
Ich erinnere mich noch an den ruhigen Schlaf
der Katzen, wenn sie
gesättigt waren.

Mein Herz stinkt.
Es ist verbrannt.
Aber Du schläfst.
Und Du lächelst
im Schlaf.


Deshalb lächeln Zwerge

Solange der Riese
ein größeres Herz hat als
der Zwerg

Wird der Zwerg
immer
gewinnen

Deshalb lächeln Zwerge –
meistens


Das Wrack

Ich schaute mir das Foto sehr genau an –
& atmete tief durch …..
mehrmals …..
Was von dem Auto übrig geblieben war,
war bedeckt von einer Schlammkruste;
die Motorhaube unsauber gefaltet auf der
Windschutzscheibe; die Frontpartie dort,
wo die Motorhaube gewesen war ….
Wie ein höhnisch grinsendes Maul war
vorne alles offen. Die Stoßstange war die
sarkastische Oberlippe. Das Dach war eingedrückt,
aber nicht zu sehr. Glas war gesplittert.
Gesplittert wie ihre Erinnerung.
Es war der Wagen ihres Großvaters, und sie
hatte allein darin gesessen – & konnte sich
an den Unfall & wie es dazu gekommen war,
nicht mehr erinnern. („Retrograde Amnesie“,
sagte ich – Klugscheisser, der ich bin.)
Es war 2 oder 3 Jahre bevor wir uns kennenlernten
passiert; das Geschwafel von ‚Schutzengeln’ hatte sie
in dieser Zeit wohl bis zum Erbrechen oft gehört.
Denn es war ihr wenig passiert – ein bisschen Glas
in der Haut; Blutergüsse, Schrammen.
Angst.
Sie war nicht die erste junge Frau, die ich kannte,
die einen Autounfall dieser Schwere gehabt hatte –
aber die erste, die ihn überlebte hatte.
Ich atmete tief durch.
Mehrmals.
Ich hätte sie nicht nur nicht kennengelernt –
ICH HÄTTE VON IHRER EXISTENZ NICHT EINMAL
ETWAS GEAHNT. – – –
Und was tat ich damals? Zur Zeit des Unfalls? —
Was schon? – : Meine Gesundheit mit Füssen treten.
Mich selbst zerstören.
Mich überschlagen wie ein Auto, das
eine Böschung herabstürzt.
Gläser zerschlagen. Bis sie
splittern
splittern
splittern.
Und in niemandes Haut landen –
außer meiner eigenen.
Und wäre ich erfolgreich gewesen, hätte auch sie
nichts von meiner Existenz geahnt.
Doch auch ich habe Schutzengel.
Oder hatte sie bisher.
Und der Sarkasmus vergeht mir, wenn
ich ihre Oberlippe betrachte.
Und ich atme tief durch.
Nochmals.
Und grinse.


Erkältung

Manchmal habe ich es so eilig,
aus einem fremden Gebäude herauszukommen,
dass ich nicht mal den Reissverschluss der
Lederjacke schließe; ich wickle mir den Schal
irgendwie locker um den Hals, werfe
irgendwie die Jacke um mich &
stürze zur Tür hinaus.
Draußen mag es stürmisch sein, kalt &
nass. Ich friere. Ich halte die Jacke zu &
gehe so schnell ich kann.
Auch draußen will ich sie nicht schließen,
denn ich habe es eilig.
Möglich, dass ich mich erkälte,
möglich, dass ich Fieber bekommen werde.
Möglich, dass ich über meine Unvernunft
lachen werde.
Später.
Was soll’s.
Manchmal kann ich das Geschwafel in
fremden Gebäuden einfach nicht ertragen;
und die Menschen sind mir zu viel.
Da laufe ich lieber durch Schnee & Eis &
Wind – mit offener Jacke &
kaltem Hals.


Ein Glückspilz

Hätte ich ein Fahrrad,
wäre seine Kette gerissen.
Hätte ich eine Tiefkühltruhe,
wäre sie warm.
Hätte ich eine elektrische Pfeffermühle,
wäre Sand darin.
Hätte ich eine Filmkamera,
könnte sie nur in Zeitlupe filmen.
Hätte ich einen Whirlpool,
wäre das Wasser ohne Blasen.
Hätte ich eine Brotschneidemaschine,
wäre sie stumpf.
Hätte ich einen Wäschetrockner,
würde er die Wäsche befeuchten.
Hätte ich einen Luftbefeuchter,
würde er die Luft trocknen.
Hätte ich einen Flachbildfernseher,
würde er zunehmen.
Hätte ich ein Wasserbett,
wäre Eis darin.
Hätte ich eine Dampfmaschine,
wäre sie ohne Dampf.
Hätte ich ein Mikroskop,
wäre es ein Makroskop.
Hätte ich eine Frau,
wäre sie ein Mann.
Hätte ich einen Stein,
wäre es ein Herz.

Aber ich bin ein Glückspilz –
weil ich all das
nicht
habe.


Die Sicherheit der Rattenfalle

Wer sichergehen will, sollte
für Mäuse
Rattenfallen benutzen.

Aber es ist nicht immer
ein schöner Anblick,
wenn man sicher geht.


Alle 3

„Ich habe Hunger“, sagte ich.
„Hunger?“ sagte sie.
„Ja“, sagte ich, „ich will eine riesige Pizza,
voll von Knoblauch, Zwiebeln & Chilis.“
„Dann solltest Du eine essen“, sagte sie.
„Ja“, sagte ich, „aber lieber als diese Pizza
wäre mir Deine Muschi. Und
lieber als Deine Muschi –
Dein Herz.“
„Dann“, sagte sie,
„solltest Du alle 3 haben.“ – –
Und sie sagte:
„Was mich angeht,
hast Du
alle 3.“

Und ich dachte:
Ich hab sie nicht mehr alle.


Wir Luschen

Wir Luschen
veröffentlichen Sätze, die
die Großen nicht einmal in ihren
Papierkorb geschmissen hätten.

Sie hätten sie mit
Benzin übergossen,
angezündet – &
als Asche
ins Klo gekippt.


Ganz einfach.

Worauf man verzichten könnte:

Lesen
Rasenmähen
Staubwischen
Unterhaltung
Autowäsche
Tapeten
Sex
Fernsehen
Musik
Alkohol
Post
Mitmenschen
WC-Reiniger
Träume
Kalender
Fernbedienungen
Schaufensterpuppen
Fliegennetze
Rasierklingen
Marmelade
Grabsteine
Kameras
Brotschneidemaschinen
Thermometer
Gedanken
Brillen
Schnellkochtöpfe
Kerzen
Fotoalben
Pralinenschachteln
Gefallen wollen

Worauf man nicht verzichten kann:

Schlafen
Atmen
Essen
Trinken
Scheissen
Pissen

Im Grunde ist das Leben
ganz einfach.


Sie scheißen auf das Urheberrecht

Die Phantasie erschuf
Himmel & Hölle.

Die Realität
schrieb von ihr ab.

Oder war es umgekehrt?

Egal …..

Egal ………

Denn beide
kümmern sich einen Scheiß
um das Urheberrecht.


Vertrauen

Sag mir,
dass Du schläfst –

Und ich werde Dir
glauben.


Wozu Du fähig bist

Und dann wünscht Du Dir – einmal mehr -,
fähig zu sein, etwas anderes zu suchen als das,
was Du immer schon gesucht hast –
denn Du hast immer gefunden, was Dir
weh tut – –
Aber Du kannst nichts anderes suchen
& nichts anderes finden – als das,
wozu Du fähig bist.


Philosophen mit Toupet

Ich verachte Philosophen, die
ein Toupet tragen.
Was könnte ich von ihnen lernen?
Ich werde darüber nachdenken.
Werde ich sie anschließend immer noch verachten?
Ich hoffe es.

Aber ich weiss es nicht.


Die Wohnung meiner toten Großmutter

Ich möchte der Tisch sein, auf dem Du
tanzt –
nackt;
der Mond, der Dich blass bescheint –
dabei;
der Eimer, in den Du brichst –
danach;
die Decke, die Dich wärmt –
wenn Du unseren Rausch ausschläfst;

denn ich bin so voller
Kitsch

so voller Kitsch

wie die Wohnung meiner
toten Großmutter.


Reaktion & Deutung & Reaktion

Da ist dieser Mensch, den
zu berühren sich niemand mehr traut.
Denn wenn es doch einmal geschieht,
spürt man ein ganz leichtes Zucken, dass
durch seinen Körper geht ….
Schon die Andeutung einer Berührung
lässt ihn reagieren – fast unmerklich.
Und doch merkt es jeder; und jeder
deutet, was er merkt & spürt.
Und deutet es als:
Unbehagen.

Dabei ist es nur die
Einsamkeit,
die in diesem Menschen zuckt & reagiert;
die Jahre ohne Berührung,
die Gewohnheit der Distanz.
Die Sehnsucht, die sich erschreckt.

Und weil ihn niemand mehr berühren will,
wird seine Reaktion immer heftiger;
die Sehnsucht größer; die
Einsamkeit stärker.
Und da ist kein Ausweg,
kein Fluchtweg,
keine Brücke –

Nichts, was ihn fort führt,
weg von den falschen Reaktionen,
weg von den falschen Deutungen.


So cool

Ich bin so cool
so cool cool cool
wie die Müllmänner, die ich als Kind beobachtete,
auf ihren Plattförmchen, hinten am Müllwagen

Ich bin so cool
so cool cool cool
wie der Gin in meinem
Tiefkühlfach

Ich bin so cool
so cool cool cool
wie der Spiegel im ungeheizten Badezimmer
der meine Visage reflektiert

Ich bin so cool
so cool cool cool
wie Deine Antworten
auf meine Fragen

Ich bin so cool
so cool cool cool
wie die leere Ginflasche im Mülleimer

Die Flasche, die meine Visage reflektiert –
bevor die Müllmänner sie holen –
die Flasche, die leer ist & cool

wie Deine Worte


Deine einsamen Nerven

Während Du
über Deine Einsamkeit
weinst

lache ich
über meine
Einsamkeit

& mein Gelächter
geht Dir
auf Deine einsamen Nerven