Monatsarchiv: Dezember 2013

Die Frage

Jemand stellte mir eine Frage.
»Muss es denn immer so düster sein
in deinen Texten? Überall
Tod & Einsamkeit & Verlust.«

Ich blieb stumm.
Ließ den Fragenden
allein.

Auf einem Teppich
aus schwarzem Schimmel
stieg ich die Kellertreppe hinab.
Mein schattenfarbener Mantel
fegte das Ungeziefer von den Stufen;
in seinen Taschen spielten meine dürren Finger
mit den verlorenen Zähnen der Geliebten.

Was ich dort unten in Gläsern sammelte,
war in Schweigen gehüllt & roch
grauenvoll.

Am Ende des Flures, der nahezu
lichtlos war, lachte
ein Wahnsinniger

in einem Spiegel.

Ich

verstand die Frage nicht.


Blau im Stummfilm

Blau ist die Nacht
im Stummfilm

Schweigen
aus bewegten Mündern

Gesten
Gesichter
& eine Geschichte

von Musik untermalt

Hin & wieder
geschriebene Worte

Blau ist
so manche Nacht

in der
Wir

uns
treffen


Der Gang der jungen Frau

Man sah ihm nichts Außergewöhnliches an –
dem Gang der jungen Frau, die nachts
die Hotelhalle betrat.
Kurzer Rock, flache Schuhe, schöne Beine.
»Darf ich hier auf meinen Zug warten?«, sagte sie.
»Im Bahnhof laufen so komische Typen rum.«
Als wäre ich kein komischer Typ….
»Gern«, sagte ich. Und das sage ich
durchaus nicht immer. Meist
will ich meine Ruhe haben. Bei der Nachtschicht.
Allein. Am Empfang. Aber
gegen einen netten Anblick habe ich nichts
in manchen Nächten.
»Danke.« Sie setzte sich & fing an
auf ihr Handy zu starren.
Ab & zu ein Signalton, den ich kannte.
Wenn man schon sonst nichts gemeinsam hat, so
doch wenigstens den ein- oder anderen Signalton.
Ich starrte auf den Monitor. Mit der Arbeit
hatte das nichts zu tun. Das ist das Angenehme
an dem Job – man hat Aufgaben zu erledigen, und
nur das Ergebnis zählt; wie man ans Ziel gelangt
& was man zwischendurch so treibt, bekommt
niemand mit.
Irgendwann kamen wir
ins Gespräch. Über
die Distanz hinweg.
Nichts Wichtiges. Das Übliche. Sprechen, um zu sprechen.
Sie stellte Fragen, die mir schon unzählige Male
gestellt worden waren; zuletzt 2 Nächte zuvor –
von einem holländischen Transvestiten, der
sich verlaufen hatte…..
Ist das nicht langweilig, so ganz allein hier?
Und was machen Sie die ganze Zeit?
Passiert hier auch mal was des Nachts?

Und so weiter. Und so weiter.
Ich lieferte die gewohnten Antworten.
Und irgendwann kam dieser Moment –
da stand sie auf &
winkelte das rechte Bein leicht an; balancierte
auf dem linken.
»So bin 1,68«, sagte sie.
Dann wechselte sie aufs rechte Bein, das linke
leicht angewinkelt.
»Und so 1,70.«
Schließlich streckte sie das linke & ließ es sodann locker
vorwärts & rückwärts
über den Boden schwingen.
Sie grinste. »Cool, was?«

Nein,
ich langweile mich nicht.
Ich sammle Momente.
Momente wie diesen.
Ja, es passiert etwas. Des Nachts.
Manchmal sogar etwas
Besonderes.

Und ja – sie hatte wirklich schöne Beine.


Bumerang & Kleiderbügel

In dieser Fernsehserie, die
aus dem Schwarzweißgerät meiner Kindheit kam
& die ich niemals versäumte,
gab es einen Jungen mit einem Bumerang.
Immer wenn er ihn warf,
hielt
für die Dauer des Fluges
Alles
um ihn herum
an –
Bewegungen gefroren,
Menschen standen erstarrt (& wussten nichts davon),
die Zeit gerann, und
die Umgebung wurde zum
leblosen Bild.
Nur der Junge & sein Bumerang
bewegten sich
in diesem allgemeinen Stillstand.
Bis der Bumerang seine Kreisbahn beendet hatte
& der Junge ihn wieder auffing.
Für mich
waren die Abenteuer, um die es eigentlich ging,
nebensächlich.
Ich holte einen hölzernen Kleiderbügel aus dem Schrank,
drehte den Haken heraus –
& warf den Bügel quer durch mein Zimmer.
Nichts bewegte sich in diesem Zimmer; nur
ich & der Kleiderbügel.
Der Flug des Bumerangs war mir immer
zu kurz gewesen.
Der Flug des Kleiderbügels war noch kürzer.
Er krachte gegen die Wand &
fiel aufs Bett.
»Was machst du da?« rief die Mutter.
»Nichts«, rief ich.
Was sie mir nicht glaubte.
Und ich glaubte nicht,
dass sie erstarrt in der Küche gestanden hatte,
während der Kleiderbügel durch mein Zimmer geflogen war.
Aber ich hätte es gerne geglaubt.
Hätte gerne
Alles
angehalten.
Immer wieder.
Die Menschen.
Die Bewegung.
Und die Zeit.


Auf kurze Sicht

»Ich kann keine Straßenschilder mehr richtig erkennen«,
sagte mein Bruder. Damals, nachdem er
aus dem Knast gekommen war.
Er führte das zurück
auf die Enge der Zelle; auf das lange
Vorsichhinstarren – den Blick auf die Wände gerichtet.
Wände mit Bildern fremder Frauen. Frauen, die
nackt waren. In der Einsamkeit. Eingeschlossenheit.
Er besorgte sich eine Brille. Um die Schilder
wieder lesen zu können. Die Schilder mit den Regeln.
Meine Kurzsichtigkeit hat andere Gründe.
Und ich war ja auch weniger lange eingesperrt gewesen.
Damals – in der Klapsmühle.
Gebrochenes Herz, gebrochener Kopf, gebrochener Blick.
Auch ich besorgte mir eine Brille. Um die Ferne
wieder erkennen zu können. Die Ferne, in die ich
niemals wollte. In der Wirklichkeit. (Und
scheiß auf die Regeln, die dort herrschen!)
Nein, sie ist nicht zwangsläufig angeboren – die Kurzsichtigkeit.
Früher hatte ich das immer geglaubt. Man glaubt eben schnell –
bevor man eigene Erfahrungen macht. (Und dass diese Erfahrung
mich & meinen Bruder nichts Falsches gelehrt hatte, bestätigten mir
die medizinischen Fachbücher.)
Oftmals nehme ich sie ab – die Brille.
Ich brauche sie nicht, um zu lesen. Oder zu schreiben. Sie stört
beim Küssen. Sie stört beim Sex (zumindest beim Sex mit Anderen).
Und was weit weg ist, gefällt mir
verschwommen
oft besser.
Ich sperre mich selber ein.
Mein Haus ist ein Gefängnis & eine Klapsmühle
zugleich.
Glaubte ich an den Freien Willen, würde ich sagen:
ich sperre mich freiwillig ein.
Aber so naiv bin ich nicht. War ich nie.
Ich mag das lange Vormichhinstarren. Den Blick
auf die Wände gerichtet. Wände mit Bildern.
Fotos von Fremden. Da ich Familienfotos hasse. Nacktfotos
der Geliebten (ein Plural, der zum Singular wurde….)
Manche der Fotos selber geschossen, manche
geschossen von Geliebten der Geliebten – die man
niemals kennenlernen wird….. Die Frau
meines Bruders….. (Oh, diese
Mehrdeutigkeiten!) Gebrochenes
Herz, gebrochener Kopf, gebrochener Blick.
Und noch mehr sehe ich
in den Zwischenräumen.
Wo man ohne Brille schärfer sieht. Mehr er
kennt.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich
in meinen Träumen eine Brille trage. Wahr
scheinlich. Doch sie spielt keine Rolle. Dort.

Es dauerte nicht lange –
bis mein Bruder keine Brille mehr brauchte.
Die zurückgenommene Anpassung war eine neue Anpassung.
Ich hatte immer meine Schwierigkeiten
mit der Anpassung.
Meine Brille ist alt. Zu alt. Sie stammt aus einer Zeit
als ich Alles anders sah. Doch nur
die Oberflächen sah ich anders. Damals.
Die Unschärfe ist mein Zeitmesser.
Auf lange Sicht bräuchte ich
eine neue Brille.
Aber nein.
Nichts, was wirklich wichtig ist, sähe damit
anders

aus.

 

 

 

Kreuz- & Querverweise:

Die Klapsmühle
Das Fingerschnippen
Rosinen im Kopf
Das Chaos spritzt Wassertropfen


Der Abwasch & das Zwiebelschneiden

Ich
wiederhole
mich

wie ein Ritual
wie ein Leitmotiv

in meinem Leben.

Die Themen wiederholen sich
in meinem Leben

wiederholen sich
in meinem Geschreibsel –

was beinahe Dasselbe ist.

Und ich langweile mich

nicht

einmal dabei.

Ich
wiederhole
mich

wie ein Ritual
wie ein Leitmotiv

in meinem Leben.

Leben
Liebe
Tod

der Abwasch & das Zwiebelschneiden.

Mag es
Andere langweilen.

Ich wiederhole mich.

Ich wiederhole mich gern.

Es bleibt
mir auch
nichts Anderes übrig.

Es ist
mein Halt.

Ein Halt ohne Einhalt.

Das Bekannte im Unbekannten.

Das Alte im Neuen
das erschrecken könnte.

Leben –

ich wiederhole mich.

Wiederhole mich
bis in den

Tod.

Tod

der mich holt
& sich auch nur

wiederholt.


Das vermisste Ich

Wenn Du mich besuchst
komm nicht
allein.

Bringe
Uns
mit.

Denn
ich vermisse

neben Dir
das Ich

das nur im
Wir
existiert.


Der neutrale Ort

Sie wollten sich treffen
an einem neutralen Ort

Doch kein Ort
hätte neutral bleiben können

angesichts
ihres Treffens

Und so trafen sie sich
im Nirgendwo


Die romantische Sau

Eigentlich
wollte ich es nicht wissen.
Wie lange war es jetzt her?
Das letzte Treffen…..

Aber
ich bin gierig –
in mancherlei Hinsicht.
Das ist mein Naturell.

Und vor allem bin ich
neugierig.

Es war so einfach.
Ich wusste, was ich in jener Nacht
geschrieben hatte. Nachdem sie
eingeschlafen war.

Nebenan.

Ich brauchte nur
den Text zu suchen…..

Das Datum erschreckte mich.
9. Oktober!
Jetzt hatten wir den
21. Dezember.

So lange
war es mir gar nicht vorgekommen.
Und es erschreckte mich,
dass es mir gar nicht so lange vorgekommen war.

Oftmals hatte ich an diese Nacht gedacht
in der Zwischenzeit. Die wie eine
Zwischenwelt war, in der wir nicht
gemeinsam existierten.

Nach dem Schreiben
hatte ich mich wieder zu ihr gelegt.
Nach dem Erwachen
las sie das Geschriebene.

Sie lächelte.
»Du hättest nicht
ins Waschbecken pinkeln müssen.
Ich wäre ohnehin nicht
aufgewacht.«

Eigentlich
war mir das klar gewesen.
Ihr Schlaf war
beneidenswert.

Meiner war eher
wie ein Gemälde
von Goya.

Egal.

Das mit dem Waschbecken
machte sich ganz gut in dem Text.
Fand ich. Und das war
die Hauptsache.

In der Zwischenzeit
wichste ich in dieses Waschbecken.
Das macht sich weniger gut
in diesem Text.
(Oder sollte ich sagen: Das
kommt weniger gut
?

Auch egal.)

9. Oktober!

So lange also
hatte ich
das Bett nicht frisch bezogen!

Was bin ich doch für eine Sau.

Man konnte es nicht riechen.
Ich jedenfalls nicht.
Und sonst war ja niemand da.

Aber sie
konnte ich auch nicht mehr riechen.
Alles verflogen…..

Hie & da
noch ein Haar.

Herausgerissen
in der Hitze des Gefechts.
Verloren
im Schlaf.

Blonde Saiten.

Ja – eine Sau.
Schlimmer – eine romantische Sau!

 

 

Der Text vom 09. Oktober


Hau mir ab mit Connie Francis!

Der Fusel verzog sein Gesicht.
Soll heißen: Der Mann verzog sein Gesicht, als
er den Fusel in sich hineinschüttete.
(Immer diese Mehrdeutigkeit
der Sprache! Immer diese Mißverständnisse.)
Eigentlich hätte ich
dieser Mann sein sollen.
Billigen Liebeskummer ersäuft man am besten
mit billigem Schnaps.
Grüner Tee ist da eher nutzlos
& uncool – aber
wäre ich dieser Mann gewesen,
hätte ich keinen Liebeskummer gehabt; dann
wäre der Grüne Tee angemessen gewesen, aber
ich hätte ihn nicht getrunken….
Ach, was weiß denn ich. Es ist kompliziert.
Ich war schon bei der zweiten Kanne; draußen
war es längst dunkel, und jedes Möbelstück in meinem Haus
sah aus, als sei es von IHR berührt worden. Wie ich.
Die leise Rieselmusik aus dem Radio barg die Gefahr in sich,
dass jederzeit das falsche Lied gespielt werden konnte; in
Phasen wie diesen ist es daher gut, wenn Unser Lied
niemals ein Hit war. Das erhöht die Chancen
davonzukommen.
Die Konversation stockte.
Ich hatte ohnehin schon genug gesagt. Eigentlich
habe ich immer das Gefühl, genug gesagt zu haben –
selbst wenn ich schweige. Und da ich
mir ständig widerspreche, sagte ich nun wieder etwas:
»Verdammt, ich möchte auch mal Glück haben. Und
ich meine nicht: im Spiel. Ich hasse Spiele!«
»Du redest wie ein Besoffener«, sagte er.
»Das ist das Gute«, sagte ich, »nach Jahrzehnten
der Sauferei braucht man keinen Alkohol mehr, um
zu denken, zu fühlen & zu reden wie ein Besoffener.
Man hat alle Zustände in sich gespeichert.«
»Na, Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke.« Ich stellte die Tasse ab
als sei sie ein leeres Whiskyglas. Das erschien mir
lächerlich. Und daher
passend.
In dem Spiegel, der neben dem Bücherregal hing,
konnte ich nur mich sehen. Ich war allein
in seinem Bild. Und natürlich
kam mir der Gedanke:
Dieses Spiegelbild entspricht der Wahrheit mehr
als die Wirklichkeit.

Alles
eine Sache des
Blickwinkels.
Die Stimme des Mannes, der
ich hätte sein sollen, klang
unsicher.
»Und überhaupt«, sagte er, »das ist doch
alles Quatsch – Glück, Pech, Liebe, Spiel.
Dieses alberne Sprichwort. Glück & Pech kann man
zur Not ja noch auseinanderhalten, aber Liebe
& Spiel

»Du meinst Liebesspiel
»Ich meine gar nichts.«
»Jetzt redest du wie ein Besoffener.«
»Das ist korrekt«, sagte er. Und stellte das Whiskyglas ab
wie ein Whiskyglas. Daraufhin
fing er zu singen an – über das Radiogeriesel hinweg:
»Die Liiieebe ist ein sääältsames Spiieel….«
»Aufhören!«
Er sang noch: »Sie kommt…« Dann verstummte er.
»Oh verdammt«, sagte ich, »hau mir bloß ab mit Connie Francis.
Dies ist nicht der Augenblick für Schlager.«
Er grinste.
Eigentlich fand ich
es auch ganz amüsant. Und in meiner Kindheit
hatte ich dieses Lied durchaus gemocht.
Wahrscheinlich war es für manche Paare
Unser Lied gewesen. Arme Schweine. Auch sie.
»Wart’s ab«, sagte er – plötzlich ganz ernst, »sie
wird zurückkommen.«
»Na sicher.«
»Ja, Mann. Echt, Mann. Denk nur an all die Zufälle, die
keine waren. Ihr gehört zusammen…. selbst wenn ihr
nicht zusammen passt…. Da beisst kein Faden…. also, die Maus….
Ach, du weißt schon, was ich meine.«
»Na sicher.«
»Wahrscheinlich…. wahrscheinlich hat das Ganze sie
unbewusst ein bisschen erschreckt…. & deshalb isse auf
Distanz gegangen…. Wart’s nur ab.«
»Westentaschenpsychologie«, sagte ich, »sehr gut.«
»Na immerhin«, sagte er, »besser als nix. Besser als
Selbstmitleid. Besser als irgendwelche Scheißgedichte, die
alles nur schlimmer machen.«
»Du hast zuviel getrunken«, sagte ich.
»Du auch. Immer schon.«
Grün ist ihre Lieblingsfarbe – fiel mir ein.
Ich schaute in den Spiegel. Ohne mich anzusehen.
Wie oft war Sie an ihm vorübergegangen…..
Lachend. Nackt. Selbstbewusst.
Vielleicht hatte sie ihn berührt. Wie mich.
Ihr Bild hätte darin
gefangen sein sollen. Doch da war
nichts.
Womöglich hatte er recht.
Nicht der Spiegel.
(Immer diese Mehrdeutigkeit der Sprache! Immer
diese Mißverständnisse.)
Nein, nicht der Spiegel –
der Mann, der im Spiegel
nicht zu sehen war.
So wie Sie.

Connie bw


Das Klopfen

Etwas klopfte
irgendwo

gedämpft

& man wusste nicht:

leise in der Nähe

oder

laut in der Ferne

 

laut im Innern

oder

leise im Freien

 

Es klopfte
im Rhythmus des Lebens

im Rhythmus des Vergehens

im Rhythmus des Sterbens

 

Man hätte es auch
Schlagen nennen können

Es klang
wie Dein Herz

die Blutpumpe
im begehrten Körper

& es erinnerte mich

an meine Kreuzigung


Rückkehr

Ich wollte zurückkehren
in die Geliebte

Ich kehrte zurück
in die Einsamkeit

Auch sie –
eine Geliebte

Eine Art
Geliebte

Nur diese
war eifersüchtig

& somit
die einzig wahre

immerdar

immer da


Der Bogen

Etwas
zerschnitt die Luft

krach
end

Es schlug
in ein Gesicht

das anfing
zu bluten

Ein Pfeil
fiel kraftlos zu Boden

Ein Ziel
wurde nicht getroffen

Sehnen
Spannung
Riss
Verfehlung
Verletzung

Etwas
zerbrach

Krach
End


Wie eine Uhr

Ich gehe
nach

wie eine Uhr

die auf
zu
ziehen

Jemand

Vergessen

hat

 

Der Zeit

gehe ich nach

Hinterher
gehe ich
ihr

wie einer Geliebten
die flieht

vor
mir

 

Sie geht
weiter

ist immer

weiter
als ich

Ich bin

ihr

gleich
gültig


gleich zeit ich

Ich will leben
& sterben

gleich
zeit
ich

Oh, Moment –
das tue ich
ja

wie
Alles
Andere
auch

Nichts
hat eine

Wahl


Der Fußabtreter

Das abgegriffene Bild
des Herzens

ich würde es gerne
ersetzen
durch etwas Neues –

Anderes.

Andererseits:
was wäre abgegriffener
als der Gegenstand selber
für den das Herz steht?

Das Gefühl.

Immer wieder:

ergriffen
angegriffen

& oftmals:

unbegreiflich.

Also
(in platten, abgegriffenen Worten):

Ich legte Dir
mein Herz
zu Füßen.

Du hieltest es
für einen Fußabtreter.

Immerhin:
ein anderes Bild –
zur Abwechslung.

Wenn auch
kein Neues.

Egal.

Etwas liegt
am Boden.

Ein Gefühl.

Und das Herz
mag
stehen
bleiben.


Die Kontrolle

Wer die Kontrolle über sich
für immer behalten will,
sollte nicht lieben.

Wer die Kontrolle über sich
immer behält,
kann nicht lieben.

Wer die Kontrolle über alles
liebt –

sollte an mir vorübergehen.

Denn ich verliere
die Kontrolle
über mich

gar zu gern

& gar zu leicht.


Die Traurigkeit der Kassiererin

Da wartete ich nun also auf ein Taxi
an einem Herbstmorgen vor Sonnenaufgang.
Mit meinem Kuchen in der Hand –
Puddingstücke mit zentimeterdickem Schokoladenguss,
Käsequader mit Mandarinen; ein großes,
schweres Päckchen.
(Gleich neben dem Hotel, in dem ich aushilfsweise arbeitete,
gab es eine Bäckerei.)
Das Taxi kam, ich stieg ein.
»Na, Feierabend?« sagte der Fahrer.
»Endlich«, sagte ich.
»Und Sie haben mir Kuchen mitgebracht; das ist aber
nett.«
Kurzes pflichtgemäßes Lachen meinerseits.
»Das ist mein Ritual nach der Nachtschicht«, sagte ich –
»ins Bett, einen Film gucken & dabei Kuchen essen.«
»Ja«, sagte er, »solche Rituale braucht man. Ich trinke
2, 3 Bier nach der Arbeit.«
Ich sagte nichts. Dachte an mein kaputtes Auto. An die
Fleischbatzen, die ich aus dem Motorraum geklaubt hatte.
An den Gestank des Blutes. An den
erschrockenen Blick aus schwarzen, geweiteten Augen.
An das späte Rendevouz auf der Autobahn – ohne Fernlicht,
bei 140 km/h. Es würde nie erwachsen werden – dieses
Reh.
»Trinken Sie gar nicht?« fragte der Fahrer.
»Nein«, sagte ich, »nicht mehr.«
»Also – 2, 3 Bier nach der Arbeit finde ich ok«, sagte er, »oder
ein Glas Wein zum Essen.«
»Klar«, sagte ich.
»Ich hab nen Kumpel – bei dem geht unter 3 Flaschen Wodka am Tag
gar nix. Oder 2 Flaschen Bacardi
Ich fragte mich, warum er ausgerechnet mit mir über dieses Thema sprach.
Wie isser nochmal darauf gekommen? Ach ja, der Kuchen.
»Na, so viel hab ich nicht geschafft«, sagte ich, »aber zuviel war’s auf
jeden Fall; nach einem Glas Wein zum Essen kann ich nicht aufhören.«
»Ach, das kenne ich. Ihnen fehlt diese Grenze im Gehirn, die sagt: Genug!«
Diesmal verkniff ich mir das Lachen.
»Ja, so ungefähr.«
»Bei mir ist das so mit dem Essen. Deshalb bin ich so dick.«
Ich fand ihn nicht besonders dick; aber allzu genau hatte ich ihn mir auch
nicht angeschaut.
»Immerhin«, sagte er, »ich zwinge mich dazu, am Tag nicht mehr als
1 Stück Schokolade zu essen. Aber dieses 1 Stück
muss sein.«
»Und ich zwinge mich dazu, nicht mehr als 1 Tafel am Tag zu Essen, neben
all den anderen Süßigkeiten.«
Er lachte. »Sieht man Ihnen nicht an.«
Über das Rauchen sprachen wir auch noch. Er rechnete mir vor, wieviel
ihn das im Monat kostete.
»Mit dem Rauchen habe ich zur selben Zeit aufgehört wie
mit dem Trinken«, sagte ich.
»Sie werden mir langsam unheimlich«, sagte er.
»Ja«, sagte ich, »unheimlich langweilig.«
Endlich waren wir angekommen.
Ich zahlte den ausgemachten Preis. (Personalfahrt
nennt sich das, ein Abkommen zwischen dem Hotel &
dem Taxiunternehmen. Trotz des Nachlasses
lohnte es sich für mich kaum, überhaupt
zu arbeiten. Busse aber fahren um diese Uhrzeit nicht
in das Kaff, in dem ich wohne.)
»Heute Abend wieder?« fragte der Fahrer.
»Ja«, sagte ich. –
Eigentlich war ich
nach dem ersten mächtigen Puddingstück
bereits satt.
Doch ich aß all die anderen Stücke auch noch.
Genüßlich im gemütlichen Bett.
Ja – im Grunde hatte ich den Alkohol
durch Süßigkeiten ersetzt. (Und dabei
10 Kilo abgenommen.)
Als der Film zuende war,
dauerte es noch lange
bis ich einschlafen konnte.
Schwerer Magen, schwerer Kopf.

Schließlich
fand ich mich wieder
in einem geträumten Supermarkt.
Draußen war es kalt gewesen – doch hier
war es warm. Ich stand vorm Ausgang,
schaute hinaus durch das Glas
der Tür – auf einem Schild der Schriftzug:
Real
neben mir ein Einkaufswagen
voller Flaschen.
Ich hielt eine Flasche Wermut in der Hand.
Trank daraus. Erst vorsichtig. Dann
in großen Schlucken.
Bittersüß.
Irgendwann wandte ich mich um –
der Supermarkt war beinahe menschenleer; wie
kurz vor Schluss…..
Nur eine einzige Kasse war besetzt.
Die Kassiererin sah mich an – als
hätte sie mich schon die ganze Zeit über
beobachtet.
Ich fühlte mich
mit ihr allein.
Fühlte mich
allein
unter ihrem intensiven Blick.
Aus schwarzen, geweiteten Augen.
Bittersüß.
Hatte ich nicht bezahlt?`
Doch. Das hatte ich. Ob
gleich ich es nicht geträumt hatte.
Und sie sagte
über die Distanz hinweg:

»Sie wissen, warum
ich traurig bin.«

Augen
blicklich
erwachte
ich.

Verwirrt.
Mit Herzklopfen
& dem Geschmack von Wer
mut im Mund.

Ein Traum.
Ein Traum!
Nur ein Traum.

Un
fass
bare
Er
leicht
er
ung …..

Beinahe
war ich glücklich

in diesem Augenblick.

Denn – ja,
ich hatte gewusst, warum
sie
traurig gewesen
war.


Gläserne Vasen

Dieser seltsame Raum
den er Tag für Tag betrat
in seinen Tag
träumen

Ein fensterloser Raum
voller Regale
denen die Rückwände fehlten

Regale
die seine innere Leere zer
teilten

kreuz & quer

in regel
lose Ab
schnitte

In den Regalen
Nichts
als Vasen aus farbigem Glas

Bunte Gefäße
ohne In
halt

Überall
Reflexion & Brechung
des Kunstlichtes

Er unterlag nicht
der Illusion
seine Träume zu beherrschen
nur weil es Tagträume waren

Gedanken
Spiele

Frauen
traumwandelten durch den Raum

spielerisch

als hätten sie
etwas ver
standen
das er nicht be
greifen konnte

Er war er
griffen
von ihrem Anblick

Tag für Tag

Maskierte Gesichter
nackte Körper

Verhüllte Körper
entblößte Gesichter

Wesen
die niemals
Etwas
sagten

Wesen
die un
auf
hör
lich
Nichts
sagten

Dieser seltsame Traum
den er Tag für Tag betrat
in seinen Räumen

Räume
deren Fenster
verhangen waren

Eines Traumtages
so glaubte er
würde eine Vase aus farblosem Glas
in einem der Regale stehen

& sein Blick
würde fallen

durch das Glas
durch die Leere
durch das Nichts

auf eine Frau
ohne Maske
unverkleidet & nackt

Ihr Anblick
leicht verzerrt
durch das gekrümmte Glas

in dem er selber
sich spiegelte

Gebrochene Augen
blicke

in künstlichem Licht

& Sie
würde Etwas sagen

von dem er nicht ahnte
dass er es
sich

erträumt hatte


Ausgeschlossen oder nicht

Ich
war nicht
ausgeschlossen.

Sonst
hätte es mich
nie gegeben.

Ich
war eine
Möglichkeit.

Deshalb
gab es
mich.

Als es mich gab
war ich

irgendwo
da draußen.

Aus
geschlossen.


Ärsche

Erst
hielt sie ihren Arsch hin.
Dann
hielt sie mich hin.
Als
wäre da kein Unterschied.
Nun
gut – geil waren wir
beide.

Ein An
blick……

Ein Zu
stand……

Sie: ein Ziel.
Ich: eine Sehnsucht.

Erst
hielt sie sich hin.
Dann
hielt sie mich hin.

Die Muse
die tropfend auf mir gesessen hatte

als wir uns kaum kannten.

Wir lernten
uns kennen…..

Kamen
uns abhanden.

Denn
Nichts lässt sich
halten

so
lange
man will.

Nichts hält
was es ver
spricht.

Irgendwann
nach dem Ver
lust
kommt das Ver
siegen.

Und dann
fällt mir

Nichts

mehr


Gedächtnislos

Gedächtnislos
möchte ich sein
in Nächten wie diesen

da nur die schönen Erinnerungen
zu existieren scheinen

Ein schmerzvoller Kontrast

Bilder
die nicht
in den hässlichen Rahmen der Gegenwart passen

Bilder
die aus dem Zeitrahmen gefallen sind

Gedächtnis
Los

Aber nein

Nichts ist verloren
in mir

Nichts ist verloren
außer mir


Noch’n Gleichnis

Das Hundehalsband hatte Stacheln.
(Falls man etwas, das abgerundet ist,
Stachel nennen darf.)
Außerdem war es konstruiert wie
eine Schlinge – zog das Tier, oder
zog der Mensch, zog es sich zusammen.

Der Unterschied – ein Unterschied
zwischen unserem Vater & uns Kindern war:

Er
legte dem Hund das Halsband an,
wie es sich gehörte.

Wir
drehten es herum – Stacheln nach außen;
und durch einen kleinen Trick
setzten wir die Würgevorrichtung außer Kraft.

Der Vater war stark.
Er hätte den Hund ohnehin halten können.

Wir Kinder waren schwach.
Wir hätten den Hund niemals halten können.

Ich spüre noch heute
den Schmerz in den Knien;
das Brennen der dreckigen Wunden….

nachdem der Hund mich mal wieder
hinter sich her geschleift hatte.

Halsband


Furchtbar banal

Wäre am Anfang so wenig wie
am Ende – wäre
Alles in Ordnung.

In welcher Ordnung auch immer.

Doch am Anfang ist
mehr.

Mehr
von
Allem

was gut ist –

& nichts von dem
was weh tut.

Vergessen wäre gut
am Ende.
Doch statt des Vergessens kommt das

Vergleichen.

Was war….
Was ist….
Was bleibt….

Ich weiß,
das ist alles
furchtbar

banal.

So
wie irgendeine x-beliebige
Liebesgeschichte.

Aber – genau
deshalb kam ich ja
darauf.

Jemand rammte ihr einen Spaten in den Zeh.
An dem Abend, bevor sie zu mir kommen wollte.
Das war auch so eine Art
Anfang.

Von
irgendeinem
Ende.

Und außerdem
eine ganz andere
x-beliebige

Geschichte.


Tropfen in der Finsternis

Etwas
tropfte auf den Boden
in der Finsternis

,,,,,,,,,,

In welcher Entfernung
konnte man nur schätzen

,,,,,,,,,

Die Richtung
glaubte man zu erkennen
durch konzentriertes Lauschen

,,,,,,,,

Was
war es?

,,,,,,,

Ein Sekret
vielleicht

Eine Flüssigkeit
auf jeden
Fall

Blut
Schweiß
Pisse
Sperma
Eiter?

,,,,,,

Zu viele
Gerüche vermischten sich
in der Finsternis

,,,,,

Verletzungen
Lust
Tod

,,,,

Eine nicht sichtbare Lache

Vielleicht nur Wasser

,,,

»Koste doch«, flüsterte eine un
vertraute Stimme – im Takt
der Tropfen

Die tickenden Tropfen
der verfließenden Zeit

,,

Die Orientierung ging
verloren

im Raum

,

Ein weiterer Ver
lust

ohne
Be
deutung

.