Monatsarchiv: August 2013

Die trunkene Matratze

Selbst Küsse
mit Biergeschmack
konnten mich
nicht
zum Trinken verführen.
Das Verfallsdatum
auf den Flaschen im Kühlschrank
rückte unaufhaltsam näher.
Zu langsam
wurden sie dezimiert,
da die Frau, die
das Bier trank,
zu selten vorbei kam.

Sie klettert aus dem Bett
Feuchtfleckige Falten im zerwühlten Laken
Kuhlen zweier Körper in der Matratze
Lustgetrocknete Kehlen
»Willst du auch was trinken?«
»Nein« sage ich
zu ihrem Arsch
der das Zimmer verlässt
Das Geräusch nackter Füße auf dem Flur
Ich liege in Gerüchen
Höre die Kühlschranktür
Das Öffnen der Flasche
Die Frau kommt
zurück
ins Bett
Sitzt aufrecht
Wir bilden 2 Rechte Winkel
Sie ragt aus meiner Mitte
Trinkt
aus der Flasche
Ich betrachte ihren Rücken
Schluck
Schluck
Sie setzt die Flasche ab
irgendwo
»Wie praktisch« sagt sie »Kuck ma,
freihändig«
Leicht ausgestreckte Arme erscheinen
links & rechts
»Wo hast du die Flasche?« frage ich
& richte mich auf
um nachzusehen
Die Frau
wendet sich zur Seite
Etwas fällt
Etwas gluckert
Etwas rauscht kohlensäuerlich
»Oh Scheiße!« sagt sie
lachend
Bier sickert in die Matratze
Viel Bier
Viel Flüssigkeit
Eine Lache auf dem Laken
Ein herber Geruch
kalt & klamm
der sich vermischt
mit Lust
Lachen
und

Einige Handtücher & Zewas später
sagte ich:
»Wo war denn nun die Flasche? Ich dachte,
sicher zwischen deinen Beinen….«
»Zwischen meinen Brüsten«, sagte sie.
»Schade, dass ich das nicht gesehen habe, aber
du kriegst kein Bier mehr. Höchstens
in der Badewanne.«

Lachen.

Selbst Küsse
mit Biergeschmack
konnten mich
nicht
zum Trinken verführen.

Ein trockener Säufer
im feuchten Bett.

Doch der Eigengeschmack
der fremdvertrauten Zunge
berauschte mich.

Mehr &
mehr.


Der Verschrobene im Supermarkt

Knoblauch/Zwiebeln
Klebeband
Olivenöl
Kaffee
Toilettenpapier
Löwensenf/Mayo
Spülmittel
Butter
Eier
Shampoo
Fisch
Pizza
Schokolade
Nudeln
Kuchen
Käse
Kein Alkohol!

Wer weiß schon,
ob dies
ein Gedicht
ist…..

Jeder
wird eine Meinung
dazu
haben.

Das
ist
egal.

Doch
Eines
steht fest:

Es ist ein
ziemliches Durcheinander;
absichtlich oder unabsichtlich.
Die Reihenfolge der Wörter
entspricht nicht
dem Aufbau, nicht der Route
im Supermarkt.

Wer diesen Worten folgt,
nimmt einen Kurs, der
weder rationell
noch rational
ist.

Wer den Worten folgt,
geht Umwege.

Der die Worte schrieb – mag
belächelt werden…..
von Denen, die
die richtige Reihenfolge bevorzugen;
von Denen, die
die kurzen, direkten Wege gehen –

um schneller
zur Kasse zu gelangen.

Er mag
bezeichnet werden als –
der Verschrobene im Supermarkt,

der
zu
viel
Zeit
hat

(…. wie all die Anderen,
die im Zickzack laufen.
Mit oder ohne
Zettel).

Doch auch

Das
ist
egal.


Der Schmutzfilm

Am Ende
auf der Windschutzscheibe
macht es
keinen
Unterschied
mehr
ob
das Insekt
schön war
oder nicht

Es ist
vergangen
verflogen
tot

So oder so
ein hässlicher Fleck
der die klare Sicht
behindert

Der anmutigste Schmetterling
ist nur noch
ein Dreck

am Ende.

Ein bunter Dreck.
Ein Schmutzfilm.

Insektengleich
fliegen die Erlebnisse dahin

Erinnerungen
behindern die klare Sicht
auf die Gegenwart

Zeit verfliegt

Leben vergeht.

Und doch –
das Gedächtnis
ist
keine Scheibe

Es ist
nicht
aus Glas

obwohl es
zerbrechlich ist.

Und was den Schmetterling
& all die anderen Insekten
– hässlich oder nicht –

aus-
macht

ist
nicht

ihr Ende.

Ist nicht
der Film
der von ihnen
übrig
bleibt

in der
Erinnerung.


»Wie man’s macht« oder Ein Dilemma

»Setz dich auf mein Gesicht«, sagte ich.
»Nein«, sagte sie.
»Warum nicht? Ich weiß, dass du es möchtest.«
»Wenn ich es tue, wirst du darüber schreiben.«
»Wenn du es nicht tust, werde ich darüber schreiben,
dass du es nicht getan hast, weil du dachtest, dass ich
darüber schreiben würde, wenn du es tust.«
(Gelächter. Auf beiden Seiten.)
Sie sagte:
»Wie man’s macht……«


Die wilden Fingerbeeren

Du bist
überführt.
Die Beweis-
lage ist
er
drück
end.
Gib auf!
Stelle dich!
Du hast
getötet –
die Dunkelheit,
die Finsternis
in meinem Haus,
in meinem Leben.
Auf dem Lichtschalter
befindet sich,
kaum
wahr
nehm
bar,
dein Abdruck.
Die Linien
deiner
Fingerbeere
sind
einzig
art
ich.
Meine DNA
haftet
an dir.
Mein Schweiß,
mein Blut,
mein Sperma.
Haut-
partikel.
Vergossenes,
Verlorenes
auf & in
dir.
In den Linien
deiner Fingerbeeren
bin
ich
zu finden.
In dem Abdruck
auf dem Lichtschalter
bin
ich.
Du bist überführt.
Ich bin überführt.
Wir wurden
verführt.
Und ich habe einen
leisen
Verdacht,
wie das Urteil
lautet.


Im Abseits

Unverstanden
stand das Kind
im Abseits

& Abseits
war überall
wo es stand

im Leben

Der Unverstand
der Anderen
führte zu ihrem

Unverständnis

Die Anderen
standen
Abseits vom Abseits

in der Mitte
des
Lebens

wo es lärmt
& kracht
& schreit

Das Kind
liebte
die Ruhe

die Stille
der Ausgrenzung

die Mauern
des Schweigens

& sogar
ein wenig
den Schmerz der Isolation

Das Kind
verstand
im Abseits

die Anderen

& mehr
als die Anderen.

Und die Klangfarbe
auf den Mauern des Schweigens
ist ein beruhigendes

Schwarz

Und eine Uhr
geht
ganz leise

im Abseits

Unaufhaltsam
bewegt sie sich
zu

auf
die Stunde
des Kindes

im Abseits.


Traum ohne Wecker

1 Wecker
klingelte
& riss
mich
gleich
zeit
ich
aus
1 Traum
+
1 Traum im Traum

2 Ebenen
zer
stört
auf
1
mal

zeit
=
verloren

Ich hatte vergessen
einen Wecker zu
träumen

gestellt
auf eine
unbewusste
Stunde

Was ich geträumt hatte
im Traum
war

Vergessen

Was bleibt
ist
die Unsicherheit

ob
ich
wach
bin


Die schwarze Marionette

In einem verfinsterten Raum
ist jedes Schattenspiel
besonders
interpretationsfähig

Der Raum selber
ist so
groß oder klein
wie die Vorstellung es erzwingt

Eine schwarze Marionette
tanzt klappernd
an schwarzen Fäden

Nur einen Scherenschnitt
vom Zusammenbruch
entfernt

Das Spielkreuz
hängt in der Luft

vielleicht

Es könnte auch
gehalten werden

von
irgend
jemandem

der
ganz still
ist


Der Fall des Stockes

Der Stock
des alten Mannes
fiel

Das Geräusch
von zitterndem Holz
auf kaltglatten Fliesen

Er fiel
als der alte Mann
Hut & Mantel an der Theatergarderobe abgeben wollte

Ich bückte mich
mit der Jugendlichkeit
die über 30 Jahre her ist

Hob den Stock auf
& reichte ihn
dem Mann

Ein Lächeln – seins
»Danke, das ist überaus freundlich
von Ihnen«

Ein Lächeln – meins
»Bitte sehr,
gern geschehen«

(Den Theaterbesuch hätte ich mir
kaum leisten können. Man hatte ihn mir geschenkt.
Mehr noch, man hatte mir ein Abo geschenkt. Das ich mir
auf keinen Fall hätte leisten können. Ja, ich war ein
Abonnent; gehörte plötzlich zu der Spezies, die von den Künstlern
so oft verspottet wird. Mit Recht verspottet. Wahllose Allesfresser.

Schluck die Klassik! Schluck die Moderne! Schluck den Boulevard!
So ging ich regelmäßig ins Theater. Meist noch vor dem Frühstück.
Nachtmensch, schon damals. Und es war nicht das einzige
Theater-Abo, das ich geschenkt bekam…. Irgendwann hörte ich auf,
in jedes Stück zu gehen. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr,
mich vom Wecker aus dem Schlaf reissen zu lassen, um zu meinem reservierten
Platz zu eilen. Irgendwann wiederholten sich die Stücke. Oftmals waren die
Schauspieler noch das Beste daran – all diese Berühmtheiten, die
inzwischen tot sind…. Tot wie….
Doch zurück zu dem alten Mann & seinem Stock. Wo ist er denn? Gerade
war er doch noch da.
Ach ja, dort….)

Unser Lächeln
Sein Alter
Meine Jugend

Die freundlichen Worte
Das Geräusch des fallenden Holzes
Was auch immer

Wer weiß schon
von jedem Moment
warum

er sich
ins Bewusstsein
das zur Erinnerung wird

einbrennt

Momente
die so unscheinbar
erscheinen

Nichtig
wie ein schlechtes
Theaterstück

Ich sah den alten Mann
nur
dieses eine Mal

Das Stück? –
habe ich
vergessen

Den Stock –
habe ich
behalten.


Jetzt

Ich lebe
in der zukünftigen
Vergangenheit
erinnere mich
an die vergangene
Gegenwart
als ich an die
Zukunft
dachte
die
Jetzt
ist


Das Gegenlicht

Es brennt!

wie ein Feuer
…. das wärmt
wie ein Feuer
…. das verzehrt

Es brennt!

wie eine offene Wunde
…. die niemals heilt
wie eine Wunde
…. die sich langsam schließt

Es brennt!

wie eine reinigende Flüssigkeit
…. die in die Augen rinnt
wie ein Gas
…. das in die Augen weht

Es brennt!

wie eine Frage
…. die man nicht zu stellen wagt
wie eine Frage
…. auf die es keine Antwort gibt

Es brennt!

wie Hämorrhoiden beim Kacken
wie Nesseln bei Berührung
brennt wie Verlangen
brennt wie Sehnsucht

Es brennt!

wie ein Gewürz
…. ohne das Alles fade wäre
wie eine Taschenlampe
…. die unter der Bettdecke

das Lieblingsbuch der Kindheit beleuchtet

Es ist

hässlich
& schön
kitschig
& abstrakt

Es ist

Schmerz
& Beruhigung

Widerspruch
& Kontrast

Hintergrund
& Vorder-
grund

Und es wirft
die Schatten
die über
all

ex
is
tieren

über
all
hin

Das Licht!

Es brennt
auf der Rückseite
meiner
düsteren
Gedanken –

lichterloh
& farbenfroh.


Der unstillbare Appetit

Ein
achtlos fallengelassenes
Wort

weckte
meinen
Appetit

Jemand
erwähnte
ein Gericht

das
ich
liebte

&
lange nicht
gegessen hatte

Ich
oder sonstwer
hätte es kochen können

jetzt
in diesem Moment
der Erinnerung

& des
wachsenden
Appetits

Doch
es wäre nur eine
Kopie gewesen

Eine Kopie
des
Erinnerten

& die
wesentliche Zutat
hätte gefehlt

Der Geschmack der Köchin
die längst
gestorben war

Der Tod
macht den Appetit
unstillbar

immer
wieder

& das Lieblingsgericht
verschwindet
für immer

aus
dem
Leben


»…. da musst du nur ….«

»Ganz einfach«, sagen sie,
»da musst du nur….«

Sie wissen, was zu tun ist, und
sie tun es. Weil sie es
können.
Jederzeit.
Die Tatmenschen.
Die Praktischveranlagten.
Die Lebenstüchtigen.
Da ist kein Zögern, kein Zaudern;
da ist
nur
Handeln.
Im richtigen Moment.

»Wenn etwas kaputt ist,
reparier´ es – oder lass es reparieren.
Wenn du krank bist, besorg´ dir Medikamente –
oder geh zum Arzt.«

Es ist alles
ganz einfach.
Und natürlich haben sie
recht.
Sie haben die Lösung
im Kopf.
Sie haben die Lösungen für
fast alle Probleme des Alltags
im Kopf.
Da ist so viel Platz
für Lösungen
in ihren Köpfen.

In ihren
gesunden
gut funktionierenden
langweiligen
Köpfen.

Ohne die
die Menschheit
nicht
existieren könnte.

Der elektrische Fensterheber in der Fahrertür meines Autos
ist kaputt. Es zieht. Es ist laut. Es regnet hinein.
Auf dem Beifahrersitz liegen seit Monaten
die Computertomogramme meines Kopfes &
eine Überweisung ins Krankenhaus.
Sie liegen auf einer dünnen Schicht aus
Puderzucker.
(Ein Stück Mohnkuchen war dort
vor noch längerer Zeit
aus der Verpackung gerutscht.)
Das ist
alles
nichts
Besonderes.
Ich halte es für
selbstverständlich.
Denn
ich habe keine Zeit.

Ich habe nicht einmal Zeit,
wenn ich nichts zu tun habe.

Und in meinem Kopf
ist so wenig
Platz.

Ich müsste nur….
Ich weiß.
Es ist
ganz einfach.

Aber was ich
wirklich
muss,
ist etwas
ganz
anderes.


Verirrung

Was tue ich hier?
Vergessen.

Die Schlagschatten der Fremden bewegen sich
wie verzerrte Scherenschnitte
über das Kopfsteinpflaster der Gasse.
Die Abendsonne: eine bittere Blutorange.
Das Geräusch schwierig-hoher Absätze prallt
gegen Fachwerkfassaden.
Verlaufen.
Ich habe mich verlaufen.
Es ging los, als ich die Wohnung verließ.
Es geht immer los, wenn ich die Wohnung verlasse.
Sobald ich einen Fuß vor die Tür setze, habe ich mich
schon verlaufen.
Verlassen. Verwirrt. Verirrt.
Irgend jemand
hat mich gerufen.
An-
gerufen.
Wollte mich
treffen.
Aber wo?
Im Zweifelsfall
dort
wo
ich
nicht
hinge-
höre.
Warum habe ich mich nur darauf
eingelassen –
die Wohnung zu
verlassen?
Es endet
doch immer
gleich.
Ähnlich.
Sofort.
Ja, warum?
Weil ich
hinhörte –
vielleicht.
Wegen
dieser Stimme –
vielleicht;
der Stimme in meinem Kopf.
Hineingetragen
in meinen Kopf
auf dem Wege der
Fern-
melde-
technik.
Eine Stimme – weiblich & fremd.
Hat sie
wirklich
mich
gemein
t?
Oder
war’s doch nur eine
Ver-
wahl.
Aber halt – sie kannte meinen Namen!
Nicht dass dieser Name einzig wäre;
oder auch nur selten – aber
wieviel Zufall würde es brauchen,
dass sie
nicht
mich
gemeint hätte?
Zu
viel
doch wohl…..

Der Mann betrachtet
die sommerlichen Frauen.
Auf dem Muster des Kopfsteinpflasters.
Steinerne Würfel ohne Augen.
Hätte das Kopfsteinpflaster Augen,
könnte es unter Röcke schauen.
Unter Kleider.
Unterröcke, Unterkleider……

Und er träumt sich in den Boden
& schaut
& schaut
aufwärts……
Eine von ihnen vielleicht?
Was wenn
ich mich gar nicht verlaufen habe?
Hier richtig bin?
Oder doch verlaufen – & zwar
so oft verlaufen vom Verlaufen, dass ich
dort angekommen bin, wo ich hin wollte?
Wenn ich mich recht ver-
irre,
könnte es
so
sein.
Und überhaupt – wenn ich
vergessen habe,
wo
ich
hin
wollte,
kann
über-
all
der
richtige
Ort
sein. –
Was tue ich hier?
Vergessen.
Ich habe nicht vergessen,
was ich hier tue,
sondern –
was ich hier tue,
ist
vergessen.
Vielleicht.

Das Licht
ändert sich.
Ich nicht.
Die bittere Blutorange geht
unter.
Ich nicht.
Die Scherenschnitte verlieren
ihre Konturen.
Ich nicht.
Die Geräusche verstummen.
Ich nicht.
Jemand
wird den Mann finden.
Irgend
jemand.
Irgend
wann.
An einem
anderen
Tag.


Dünndruck

Unscheinbar
schmal & klein
steht das Buch im Regal
inmitten vieler anderer

die größer sind
& dicker

Du ziehst es heraus
& bist
überrascht

Es wiegt
so viel schwerer
als du erwartet hattest

Du schlägst es
auf & weißt
wieso

Die Blätter
sind dünner als die
der gewöhnlichen Bücher

zart durchscheinend
& verletzlich

So viele Seiten
in einem so schmalen Buch

Mehr
als in den dicken Bänden
die so viel Platz beanspruchen
im Regal

All
diese Zeichen
in dem Buch

das so unscheinbar ist
schmal & klein

All
diese Worte
All
diese Zwischenräume

Und du weißt:
Du wirst mehr Zeit mit ihm verbringen müssen
als mit den anderen

Und es wird dich
mehr
kosten
als du dachtest


Die Reihe

Ein Mann betrachtet ein Foto, das einen Mann zeigt.
Er kennt den Mann nicht, aber er empfindet Abneigung.
Er denkt:
Was für ein gewöhnliches Gesicht!
Die feiste Visage eines Spießers.
Das debile Grinsen eines deutschen Pauschal-Urlaubers.

Sonne prallt auf den Kopf des Fotografierten;
sein Körper ist unsichtbar – vergraben im Sand
irgendeines Strandes der Vergangenheit…..
Und mit diesem niederen Wesen stehe ich
nun also
in einer Reihe?
Nur weil wir – neben dem bloßen Menschsein –
etwas gemeinsam haben, das
für mich
mehr Gewicht hat als
alles Andere….?
Die Existenz dieses Mannes im Zusammenhang mit mir
würdigt mich herab;
mit ihm etwas gemeinsam zu haben, beschmutzt
das Gemeinsame.
Ich, der ich mich allem fernhalte;
ich, der ich so Vieles verachte,
stehe
nun also
in einer Reihe.
Und wie lang ist diese Reihe?
Wieviele Wesen ähnlicher Art befinden sich noch darin?
Ich will es nicht wissen.

Der Mann betrachtet das Foto, das jenen Mann zeigt.
Er denkt an die Verbindung zwischen sich & ihm:
er denkt –
an
die Frau.
Denkt an die Zeit
als er
noch
alleine stand – außerhalb
jeder Reihe.
War es nicht gerade das, was sie angezogen hatte
an ihm? Damals –
als sie ihn fand
in den Weiten der virtuellen Welt
vergraben in Nacht & Einsamkeit…..
Sie schrieben sich, tippend, tastend.
Er: »Ich könnte hässlich sein.«
Sie: »Da kann mich nix mehr schocken.«
Die Antwort schockte ihn;
ein Stich in sein Selbstwertgefühl.
Sein Selbstwertgefühl, das er mit so viel
Alleinsein
bezahlt hatte. Mit
Alleinsein & Schmerz.
Einer anderen Art von Schmerz als jene, die er
jetzt verspürt – im Bewusstsein
der Gewöhnlichkeit, in deren Mitte er sich
so plötzlich
wiederfindet – & die
mehr & mehr
auf ihn abzufärben droht….
Es gibt kein Zurück.
Ich stehe in dieser Reihe, werde
immer
darin stehen….

Selbst wenn ich mich jetzt zurückziehe.
Der Mann schließt die Augen.
Von ihm existieren nur wenige Fotos.
Er hasst es, fotografiert zu werden.
Er versteinert vor dem mit der Kamera bewaffneten Blick,
der ihn fesseln will – für immer.
Für immer…..
Ein Mann könnte ein Foto betrachten, das mich zeigt.
Er könnte mich nicht kennen – & dennoch
Abneigung empfinden…..
Er könnte denken:

Was für ein gewöhnliches Gesicht!


Grammatik

In jenem Moment, der entscheidend war,
da es um
Vieles
wenn nicht um
Alles
ging …..

glaubte die Frau,
die Grammatik des Mannes
verbessern zu müssen.

Es war ein ernstes Gespräch gewesen –
im Tonfall unterdrückter Tränen.

Es war um
ihre Beziehung gegangen,
um ihre gemeinsame Zukunft,
um Sehnsucht
& Liebe

& plötzlich
ging es um –
Grammatik.

Der Mann verbarg seine Erschütterung
über diesen Richtungswechsel –
er sagte »Ja« zu ihrem Einwand.

Dabei wusste er:
Sie hatte unrecht;
der Fehler, den sie erkannt zu haben glaubte,
war keiner.

Die Frau war einem Irrtum unterlegen.

Was aber der Mann erkannte –
in diesem Moment, der entscheidend war -,
war ein Fehler, der
wirklich
existierte.

Ein Fehler, der
nichts
mit Grammatik zu tun hatte.

Auch der Mann war einem Irrtum unterlegen.

Und er begann
zu frieren.


Der Schandfleck

Hinter Mauern
wuchernden Unkrauts
lebe ich

im Schandfleck
der gepflegten Umgebung

inmitten der Geschäftigkeit
die Alles

ordnet
stutzt
& nivelliert

ruhe ich
faul
in der Wildnis

ungezähmt
im Chaos
der freien Entfaltung

Inmitten des Zwangs
eines andressierten Ideals

betrachte ich
zwanglos
die wahre Schönheit

Samen fliegt
Schmetterlinge flattern
Tiere finden was sie suchen

& manchmal
steht eine nackte Frau
dort in der Sonne

innerhalb der Mauern
wuchernden Unkrauts

Dann verstummt
die Dummheit
dort draußen

& ich lebe
im Besonderen