Monatsarchiv: März 2012

Mein Glück

Sie saß auf dem Rand
des Bettes, in ihrem
kurzen, blauen T-Shirt.

Eine kleine
oder große
Unsicherheit in ihrem Blick.

»Ich hab zugenommen«,
sagte sie.

Wir hatten uns seit
ungefähr 1 Jahr
nicht mehr gesehen.

»Und?«
sagte ich.

»Na ja.«

Sie blickte kurz
auf ihre nackten Oberschenkel.

»Du spinnst«, sagte ich.
»Ihr spinnt ja alle. –
Das ist mein Glück.

Was für Chancen hätte ich sonst?«

Einen Moment lang las sie
in meinem Gesicht. Auf der Suche
nach der Wahrheit.
Dann
lächelte sie.

Sie sagte:
»Keine.
Du Arsch.

Und überhaupt –
was heißt:
Alle?«


Der vergessene Ort

Wenn man etwas vergessen hat &
weiß, dass man es vergessen hat,
soll man an den Ort zurückkehren,
an dem man es noch wußte,

um sich zu erinnern.

Manchmal glaubt man,
man habe einen
genialen Gedanken gehabt.

Man hat ihn vergessen.

Und dann kennt man nicht einmal mehr

den Ort

an dem man

ihn

diesen genialen
entscheidenden
Gedanken

(vielleicht?)

gehabt

hatte.

Und zuletzt
zweifelt man an

seiner

Existenz.

Der Existenz
des Ortes

Der Existenz
des Gedankens

Und vielleicht …..


Wie ein Fremder

So vieles in meinem Leben
würde ich gerne sehen
wie ein Fremder

Ein Fremder

der es
zum ersten Mal
sieht

Mit dem
wachen Blick
der Erkenntnis.

Ein Fremder
bin ich.

Aber nicht
in meinem Leben
nur in der Welt

In der Welt

in der ich dennoch
befremdlicherweise
zuhause bin

& in der ich
zu wenig
erkenne.


Die Perfektion eines Augenblicks

Sie lehnte sich aus dem Fenster
in die Sonne,
um ihrem kleinen Sohn, den sie
mit 18 bekommen hatte,
etwas zuzurufen.
Er spielte vor dem Haus.
Sie war nackt & hielt sich
ein Sommerkleid vor die Brust.
Ich lag im Bett,
auf einer trockenen Stelle des Lakens –
& betrachtete sie.
Entspannt & glücklich.
Und ich malte mir aus,
welches Bild sich von draußen, von
der Straße, vom gegenüberliegenden
Gebäude aus
bieten musste.
Das Bild in diesem Fensterrahmen.
Und ich tauchte ab
in die Phantasie
der Betrachter;
in die Phantasie der Männer, die
sich ohnehin immer
nach dieser Frau umdrehten.
Sie würden wissen, dass sie
nackt am Fenster stand, hinter diesem
vorgehaltenen Kleid. Und
die Phantasie der Männer würde sich
ausmalen, was ich tatsächlich sah; und
alles würde perfekt sein in ihrer Vorstellung –
die Beine, der Hintern, der Rücken.
Und hier trafen sich
die fremden Phantasien, die ich
mir vorstellte,
und die Wirklichkeit, die ich
vor mir hatte.
Sie trafen sich in der
Perfektion.
In der Perfektion dieses Anblicks
&
in der Perfektion dieses
Augenblicks.
Und der kleine Junge rief:
»Ok!«


Das letzte Glas

Ich wäre gerne
das letzte Glas.

Das letzte Glas,
dem keiner
widerstehen kann.

Und von dem doch
jedem
so unfassbar
schlecht wird.


Der Mann aus der fremden Epoche

Ich stelle mir gerne vor, dass ein Mann
aus jener Epoche, als es noch aufregend &
unschicklich war, unterm Kleidersaum
den Schuh oder gar den bestrumpften
Knöchel einer Frau zu erblicken,
mit einer Zeitmaschine
in unsere Gegenwart
gesendet wird ……

Er geht durch die Straßen einer
Großstadt. Im Sommer.
Minikleider … Miniröcke … Hotpants …
offene Schuhe … transparente Tops …
Bauchfreihheit … Schenkel Füße
Dekolletés

Er sieht Zeitschriften: Nackte Ärsche …
Titten … rasierte Fotzen …

Mit steifem, tropfendem Schwanz
spaziert er durch die Sonne.
Fluten des Lichts,
Fluten der Reize ….
Fast schmerzhaft.
Heiß.
Und pochend.
Zuckende Blitze im Gehirn.
Ein Summen im Rückenmark.

Erschlagen von der Lust.

Manchmal
bin ich
ein klein wenig
wie dieser Mann.

Der Mann aus
der fremden Epoche.

Doch meine Zeitmaschine
war zu langsam.

Der Übergang
zu fließend.

Und immer muss man kämpfen
mit

der Gewöhnung.


Vom Giganten zur Mikrobe

Als Gigant geboren
Alle Möglichkeiten offen
Das All als Perspektive

Dann langsam
schrumpfend
in der Welt

& im
Leben

zuletzt
gestorben
als

Mikrobe


Der neurotische Hund

Der Hund war so neurotisch wie
wir alle in diesem Haus.
Jeder, der von meinen Eltern erzogen wurde,
musste neurotisch werden. Früher oder
später. Meist früher.
Auch der Hund wurde geschlagen, nicht
nur wir Kinder.
Wenn Fremde ins Haus kamen, wurde
das Tier ins Klo gesperrt.
Eine wildgewordene, kläffende,
zähnefletschende Schäferhündin.
Und wehe, man war unvorsichtig.
Einem meiner Schulfreunde hatte sie
in den Arsch gebissen, und ich
selber bekam einmal 3 tiefe Bisswunden in
den Oberkörper.
Sie war keine große Menschenfreundin,
so viel kann man wohl sagen.
Aber sie liebte andere Tiere, vor allem
Katzen.
Wenn ich so darüber nachdenke, muss ich sagen,
dass wir eine ganze Menge
gemeinsam hatten.


Nicht dass der Unterschied so groß wäre

Damals,
als meine Mutter ins Zimmer kam,
während ich
schrieb.

Ich fand das
schlimmer,
als wenn sie mich
beim Wichsen erwischt hätte.

Obwohl,
eigentlich:

Kein
großer
Unterschied.


In einem Fotoalbum

Als ich 7 Jahre alt war
blätterte ich in einem Fotoalbum …..
Darin war ein Foto
von mir …
Auf diesem Foto war ich
51 Jahre alt.

Ich hatte Angst
vor diesem
Fremden.

Ich wäre nicht
in sein Auto gestiegen,
egal
wie sehr
ich
mein fernes Ziel
erreichen wollte.

Als ich 51 Jahre alt war
blätterte ich in einem Fotoalbum …..
Darin war ein Foto
von mir …
Auf diesem Foto war ich
7 Jahre alt.

Dieser fremde kleine Junge
hatte Angst
vor meiner Gegenwart.

Ich hielt an &
öffnete die Tür meines Autos.
»Wo willst Du hin«,
fragte ich.
»Nach Hause«,
sagte der Junge.
Ich sagte:
»Ich weiß, wo das ist,
»steig ein.«

Der Junge sagte:
»Nein danke. Ich
werde
abgeholt.«

Ich wußte:
das war eine Lüge.
Eine Lüge, die
aus der Angst geboren war.

Aus der Angst
vor mir.

Aber was konnte ich tun?

Nichts.

Ich fuhr weiter.

Und sah ihn

verloren

im
Rückspiegel.


Glück ….. vielleicht ….

Ich kann noch so
unglücklich
sein

Noch so
krank

Noch so
einsam

Niemals möchte ich
ein
anderer
sein
als
ich

Vielleicht
ist
DAS

Glück


Eine Art von Tanz

Der kleine Junge im Zoo –
das war ich.
Ich stand vor dem Elefanten-Gehege.
2 Elefanten langweilten sich darin,
ihre mächtigen Ärsche mir halbseitlich zugewandt.
Und wenn ich meinen
rechten Fuß über die niedrige Begrenzung
in das Gehege setzte,
bewegte der eine der Elefanten
das linke Hinterbein
einen Schritt zurück.
Nahm ich meinen Fuß wieder aus dem Gehege,
machte er seinen Ausfallschritt rückgängig.
Minutenlang ging dieses Spielchen; es war
jedesmal das Gleiche.
Und immer wenn ich meinen Fuß über
die Begrenzung setzte, hatte ich
Angst.
In meiner Kinderfantasie sah ich bereits
den Elefanten sich umdrehen &
auf mich zulaufen, um
mich niederzutrampeln.
Ich hatte Angst, aber ich konnte
es nicht lassen.
Ich war fasziniert.
Mein Takt war
sein Takt; meine Geschwindigkeit
war seine Geschwindigkeit.
Wenn ich nur andeutete, den Fuß ins Gehege
zu setzen, es aber nicht wirklich tat,
deutete er seinen Ausfallschritt auch nur an;
sein Fuß blieb in der Luft wie meiner.
Ich fühlte
eine Art von
Verbundenheit.
Vielleicht
gab es gar keinen Grund zur Angst.
Vielleicht
war das Ganze nur eine Art von
Tanz.


Fahndungsfotos & Steckbriefe

All diese Fahndungsfotos & Steckbriefe,
die an den Wänden meiner Träume hängen….
Und dann wache ich auf, und
die Wände sind leer.
Ich bin wach & gehe durch die Straßen ….
In meiner Erinnerung:
die Fahndungsfotos,
die Steckbriefe ….
Doch niemand in der Realität
sieht diesen Fotos ähnlich,
auf niemanden
passen die Beschreibungen der
Steckbriefe.
Gesucht –
Nicht tot, sondern lebendig.


In der Nähe der Flamme

Und dann wird es kalt,
weil Dir das Heizmaterial ausgegangen ist.

Und Du ziehst Dich aus
& setzt Deine Kleidung
in Brand.

Und Du wärmst Dich
nackt
an dem letzten Schutz vor der Kälte,
den Du noch hattest.

Und Du weißt,
was gleich passieren wird;
und Du zitterst
schon jetzt
vor der nächsten
Zukunft
in der Nähe
der Flamme.


Einladungen

Ich bekomme Einladungen
für Alles
was niemals stattfinden wird

Dann gehe ich nicht
dorthin
& Alles ist

im
Gleichgewicht


Die Politesse

Die Parkuhr war natürlich längst abgelaufen.
Als ich, mit meinem Buch unterm Arm, um die
Ecke bog, sah ich bereits von weitem
die Frau in der blauen Uniform. Sie stand
auf der anderen Straßenseite
bei meinem Wagen.
Die Sonne schien.
Auf die blaue Uniform.
Ich ging. Langsam.
Überquerte die Straße.
Lang. Sam.
Die Frau begann,
in ihren Block zu kritzeln.
Ich ging. Noch immer langsam.
Dann stand ich vor ihr.
»Da bin ich wohl etwas zu spät«,
sagte ich.
Sie blickte auf von ihrem Block;
ihr Blick schien mich abzuschätzen –
abzuschätzen, was sie zu erwarten hatte …
von mir.
»Ja«, sagte sie. »Etwas.«
Die Uniform stand ihr gut.
»Das Buch war zu interessant«, sagte ich.
Sie schaute kurz darauf; auf den
Kopfschnitt unter meinem Arm. »Hab dann wohl
ein paar Minuten zu lange im Park gesessen.«
Die Frau lächelte leicht.
»Jetzt hab ich’s schon aufgeschrieben«, sagte
sie. Sie zeigte mir ihren Block. »Die Seiten
sind durchnummeriert; da kann ich nichts
mehr machen.«
»Tja«, sagte ich, »dann hab ich wohl Pech gehabt.«
»Warum haben Sie nicht sofort gerufen? Wenn
Sie im Park waren, müssen Sie mich doch schon da unten
gesehen haben.«
»Es ist nicht meine Art, auf der Straße herumzubrüllen«,
sagte ich.
Sie lächelte.
»Tut mir leid«, sagte sie.
»Was soll’s.«
Sie riss das Ticket ab & drückte es mir in die Hand.
Ich öffnete die Wagentür.
»Na denn«, sagte ich, »ich wünsche Ihnen noch
einen wunderschönen Tag.«
Da war keinerlei Ironie in meiner Stimme.
Kurzes Zögern.
»Danke«, sagte sie, »ich Ihnen auch.«
Ich legte Buch & Strafzettel auf den
Beifahrersitz & startete den Wagen.
Setzte zurück, fuhr los.
Ich drehte die Musik etwas lauter.
Ich hatte Gute Laune. Es war
ein warmer Tag. Ich ließ
das Seitenfenster herunter &
stellte mir vor, dass die Frau
sich nach Feierabend noch an mich
erinnern würde. Vielleicht wie an einen
Freak. Man weiß ja, was Politessen
normalerweise zu hören kriegen.
Die Uniform hatte ihr wirklich
gut gestanden.
Und der Gesichtsausdruck, als ich ihr
einen wunderschönen Tag gewünscht hatte
– überrascht, fast ungläubig –
war das Geld
wert.


Merkwürdige Wahrnehmung

»Wahrnehmung« – was für ein
merkwürdiges Wort – –

Wann nehme ich etwas wahr, und
was bedeutet das?
Sehen? Erkenntnis?
Wann sehe & erkenne ich etwas
richtig?

Wenn ich es zum ersten Mal sehe,
beleuchtet vom Reiz des Neuen?
Wenn ich mich an seinen Anblick
gewöhnt habe?
Wenn ich mich sattgesehen habe?
Wenn ich den Anblick nicht mehr
ertragen kann?

Was ist wahr an der Wahrnehmung, wenn
man diesen Begriff in jeder dieser Phasen
anwenden kann?
Und was nehme ich, wenn ich etwas
wahrnehme?

Ich habe hier nur Fragen, keine
Antworten.

Und wenn doch, gebe ich sie nicht.
Denn sie sind nur für mich.

Sie gelten nur für mein
Sehen –
meine Erkenntis –
meine Wahrnehmung.
Sie sind wahr
nur für mich.

Relative Wahrheiten.

So
wie immer.

Das Glas, durch das ich schaue,
mag aus Fabrikfertigung stammen –
millionen- oder milliardenfach vervielfältigt …..
Und doch:

Es ist nicht dasselbe wie
all
die
anderen.
So
wie jedes dieser anderen
nicht dasselbe ist
wie jedes einzelne
aller
anderen oder
meines.

Es ist
nur
das
gleiche.

Und vielleicht ist die
»Wahrnehmung«,
merkwürdig –

nur für mich.

Und damit
komme ich zu dem Wort
»merkwürdig« …..

vielleicht
morgen


Rechtzeitiger Rückzug

Durch rechtzeitigen Rückzug kann man sich
unvergesslich machen.
Ein Objekt andauernder Begierde,
ein Objekt unendlicher Sehnsucht.

Ohne diesen Rückzug wäre man vielleicht
nach 3 Tagen vergessen gewesen.
Ein Objekt der Verachtung,
ein Objekt der Lächerlichkeit.

Aber so ist es
schließlich
immer :

Auf den Zeitpunkt
kommt es
an.


Auf dem Spielplatz

Als Kind spielt man mit Sand
Sand der später einmal ins Getriebe kommen könnte
Man spielt mit Formen
in die man den Sand füllt
Bildet sich ein der Sand wäre etwas anderes
Wäre essbar
wäre wohlschmeckend
& liebt die Form
in die man ihn gebracht hat
Man klettert nach oben & rutscht
in die Tiefe &
freut sich darüber
Man dreht sich im Kreis
Man wippt mit jemand anderem
Ist der andere unten ist man selber oben
Ist der andere oben ist man selber unten
Eng sind die Grenzen des Spielplatzes
Doch man sieht es nicht so
als Kind
Für den Augenblick ist
der Spielplatz die Welt
Und hin & wieder
scheißt ein Hund
in den
Sand


Menschen, die in Burgen tanzen

Menschen, die in Burgen tanzen,
hinter
dicken Mauern.
Ich kenne den Reim darauf,
doch ich lasse ihn weg.
Das Leben reimt sich nicht.

Menschen, die in Burgen tanzen,
sie schleppen die Mauern mit sich.
Sie behaupten, nicht
tanzen zu können – dabei
wollen sie nur nicht
erkannt werden.

In ihrem Innersten.

Menschen, die in Burgen tanzen,
vielleicht ist ihr
Taktgefühl
zu ausgeprägt.
Und sie wollen es sich nicht
anmerken lassen.

Menschen, die in Burgen tanzen,
sie fühlen sich beobachtet vom
Unbeobachtetsein.
Sie verschanzen &
verschließen sich mit
Notenschlüsseln.

Schlösser rosten ein.

Menschen, die in Burgen tanzen –
so viele Burgen, so viele Menschen.

Und in jeder Burg
ein Verließ.


Panzerglas

Immer wieder treffe ich auf Frauen, die
so zerbrechlich wirken
wie ein hauchdünnes Glas.
Wie ein Glas, das sofort
zerbricht, wenn man es
zu fest umfasst, und das
Splitter
in die zärtlichsten Hände treibt.

In Wirklichkeit
sind sie
1000 Mal
härter als ich.

Panzerglas.

Eher würden
die Knochen in meinen Händen
brechen
als
ein solches
Glas.

Aber das ist
okay.

Ich möchte nicht
härter sein.

Die Erfahrungen &
der Schmerz
sind gut für
irgend
etwas.

Man kann jammern
&
sich besaufen,
man kann sich erinnern
&
Schlüsse ziehen.

Man kann
noch traurigere Musik hören
&
starren
auf Gläser

&
raten,
was wohl

darin

sein

mag.


Mengenlehre

Kreise auf einer schwarzen Tafel.

Da ist die eine Gruppe von Menschen, die
immer an die Richtigen geraten.
Und da ist die andere Gruppe von Menschen, die
immer an die Falschen geraten.

Keine Schnittmenge.

Dann gibt es die Gruppe derer,
die mal an die Falschen, mal an die
Richtigen geraten.

Der größte Kreis auf der Tafel?

Schließlich ist da diese andere Gruppe:
Die Menge der Einsamen.
Sie werden geschnitten, und
sie schneiden.
Und sie schneiden sich
gegenseitig.
Und sie schneiden
sich selbst.
Sie schneiden Wege ab.
Manche kommen aus einer der
anderen Gruppen;
andere waren niemals
in einer Gruppe.

Allein & vereinzelt
in der Menge,
gehen sie in ihrem
Kreis.
Auf einer schwarzen Tafel.
Und sie
starren
in die

Leere.


Es

Es
ist
gleich
gültig
ob
das
was
ich
in
jemandem
oder
etwas
sehe
wirklich
existiert

Denn
wenn
ich
es
sehe
existiert
es
in
mir

Und
so
lange
ich
existiere

ist

es


Selbstbildnis

Er starrte in den Spiegel.
Lange.
Lange.
Er wollte sich sehen, wie
ein Fremder ihn sehen würde.
Um sich zu erkennen.
Vielleicht.
Der Raum hinter ihm war
beinahe dunkel;
die Lampe über dem Spiegel
schwach.
Fremd, dachte er.
Fremd.
Er suchte, die Verbindung
zu seinem Abbild zu
durchtrennen.
Glaubte,
für einen Sekundenbruchteil,
dass es ihm gelungen sei –
nur um im nächsten Augenblick
zu glauben,
dass er sich geirrt habe.
Doch er war sich nicht sicher.
Fremd wie ein neuer
Gedanke;
fremd wie ein neues
Gefühl.

Aus dem dunklen Hintergrund
löste sich eine noch dunklere
Gestalt ….
Wie ein Scherenschnitt.
Eine schlanke Silhouette, gehüllt
in Unkenntlichkeit; das
Gesicht
verborgen hinter schwarzem Stoff,
straff gespannt.
Die Figur kam ihm bekannt vor.
Lautlos wurde sie ein immer größerer
Teil des Spiegelbildes.
In der Hand
– war es die linke, war es die rechte?, er
wusste es nicht –
trug sie etwas, das er für ein chirurgisches
Instrument hielt.
Es wirkte schwer.
Er wandte sich um, schaute
in den Raum.
Der Raum war
leer.
Er hörte ein Splittern,
wandte sich wieder dem Spiegel zu.
– –
Die Gestalt war fort.
Der Sprung im Spiegel befand sich
fast in der Mitte –
eine Narbe, die wie ein
schräger Blitz
sein Spiegelbild
gezeichnet hatte.
Er starrte in den Spiegel.
Lange.
Lange.

Da war es :

Sein Selbstbildnis!

Sein Selbstbildnis,
das ihm
irgendwie

fremd war.