Tagesarchiv: 21. Dezember 2013

Das Klopfen

Etwas klopfte
irgendwo

gedämpft

& man wusste nicht:

leise in der Nähe

oder

laut in der Ferne

 

laut im Innern

oder

leise im Freien

 

Es klopfte
im Rhythmus des Lebens

im Rhythmus des Vergehens

im Rhythmus des Sterbens

 

Man hätte es auch
Schlagen nennen können

Es klang
wie Dein Herz

die Blutpumpe
im begehrten Körper

& es erinnerte mich

an meine Kreuzigung


Rückkehr

Ich wollte zurückkehren
in die Geliebte

Ich kehrte zurück
in die Einsamkeit

Auch sie –
eine Geliebte

Eine Art
Geliebte

Nur diese
war eifersüchtig

& somit
die einzig wahre

immerdar

immer da


Der Bogen

Etwas
zerschnitt die Luft

krach
end

Es schlug
in ein Gesicht

das anfing
zu bluten

Ein Pfeil
fiel kraftlos zu Boden

Ein Ziel
wurde nicht getroffen

Sehnen
Spannung
Riss
Verfehlung
Verletzung

Etwas
zerbrach

Krach
End


Wie eine Uhr

Ich gehe
nach

wie eine Uhr

die auf
zu
ziehen

Jemand

Vergessen

hat

 

Der Zeit

gehe ich nach

Hinterher
gehe ich
ihr

wie einer Geliebten
die flieht

vor
mir

 

Sie geht
weiter

ist immer

weiter
als ich

Ich bin

ihr

gleich
gültig


gleich zeit ich

Ich will leben
& sterben

gleich
zeit
ich

Oh, Moment –
das tue ich
ja

wie
Alles
Andere
auch

Nichts
hat eine

Wahl


Der Fußabtreter

Das abgegriffene Bild
des Herzens

ich würde es gerne
ersetzen
durch etwas Neues –

Anderes.

Andererseits:
was wäre abgegriffener
als der Gegenstand selber
für den das Herz steht?

Das Gefühl.

Immer wieder:

ergriffen
angegriffen

& oftmals:

unbegreiflich.

Also
(in platten, abgegriffenen Worten):

Ich legte Dir
mein Herz
zu Füßen.

Du hieltest es
für einen Fußabtreter.

Immerhin:
ein anderes Bild –
zur Abwechslung.

Wenn auch
kein Neues.

Egal.

Etwas liegt
am Boden.

Ein Gefühl.

Und das Herz
mag
stehen
bleiben.


Die Kontrolle

Wer die Kontrolle über sich
für immer behalten will,
sollte nicht lieben.

Wer die Kontrolle über sich
immer behält,
kann nicht lieben.

Wer die Kontrolle über alles
liebt –

sollte an mir vorübergehen.

Denn ich verliere
die Kontrolle
über mich

gar zu gern

& gar zu leicht.


Die Traurigkeit der Kassiererin

Da wartete ich nun also auf ein Taxi
an einem Herbstmorgen vor Sonnenaufgang.
Mit meinem Kuchen in der Hand –
Puddingstücke mit zentimeterdickem Schokoladenguss,
Käsequader mit Mandarinen; ein großes,
schweres Päckchen.
(Gleich neben dem Hotel, in dem ich aushilfsweise arbeitete,
gab es eine Bäckerei.)
Das Taxi kam, ich stieg ein.
»Na, Feierabend?« sagte der Fahrer.
»Endlich«, sagte ich.
»Und Sie haben mir Kuchen mitgebracht; das ist aber
nett.«
Kurzes pflichtgemäßes Lachen meinerseits.
»Das ist mein Ritual nach der Nachtschicht«, sagte ich –
»ins Bett, einen Film gucken & dabei Kuchen essen.«
»Ja«, sagte er, »solche Rituale braucht man. Ich trinke
2, 3 Bier nach der Arbeit.«
Ich sagte nichts. Dachte an mein kaputtes Auto. An die
Fleischbatzen, die ich aus dem Motorraum geklaubt hatte.
An den Gestank des Blutes. An den
erschrockenen Blick aus schwarzen, geweiteten Augen.
An das späte Rendevouz auf der Autobahn – ohne Fernlicht,
bei 140 km/h. Es würde nie erwachsen werden – dieses
Reh.
»Trinken Sie gar nicht?« fragte der Fahrer.
»Nein«, sagte ich, »nicht mehr.«
»Also – 2, 3 Bier nach der Arbeit finde ich ok«, sagte er, »oder
ein Glas Wein zum Essen.«
»Klar«, sagte ich.
»Ich hab nen Kumpel – bei dem geht unter 3 Flaschen Wodka am Tag
gar nix. Oder 2 Flaschen Bacardi
Ich fragte mich, warum er ausgerechnet mit mir über dieses Thema sprach.
Wie isser nochmal darauf gekommen? Ach ja, der Kuchen.
»Na, so viel hab ich nicht geschafft«, sagte ich, »aber zuviel war’s auf
jeden Fall; nach einem Glas Wein zum Essen kann ich nicht aufhören.«
»Ach, das kenne ich. Ihnen fehlt diese Grenze im Gehirn, die sagt: Genug!«
Diesmal verkniff ich mir das Lachen.
»Ja, so ungefähr.«
»Bei mir ist das so mit dem Essen. Deshalb bin ich so dick.«
Ich fand ihn nicht besonders dick; aber allzu genau hatte ich ihn mir auch
nicht angeschaut.
»Immerhin«, sagte er, »ich zwinge mich dazu, am Tag nicht mehr als
1 Stück Schokolade zu essen. Aber dieses 1 Stück
muss sein.«
»Und ich zwinge mich dazu, nicht mehr als 1 Tafel am Tag zu Essen, neben
all den anderen Süßigkeiten.«
Er lachte. »Sieht man Ihnen nicht an.«
Über das Rauchen sprachen wir auch noch. Er rechnete mir vor, wieviel
ihn das im Monat kostete.
»Mit dem Rauchen habe ich zur selben Zeit aufgehört wie
mit dem Trinken«, sagte ich.
»Sie werden mir langsam unheimlich«, sagte er.
»Ja«, sagte ich, »unheimlich langweilig.«
Endlich waren wir angekommen.
Ich zahlte den ausgemachten Preis. (Personalfahrt
nennt sich das, ein Abkommen zwischen dem Hotel &
dem Taxiunternehmen. Trotz des Nachlasses
lohnte es sich für mich kaum, überhaupt
zu arbeiten. Busse aber fahren um diese Uhrzeit nicht
in das Kaff, in dem ich wohne.)
»Heute Abend wieder?« fragte der Fahrer.
»Ja«, sagte ich. –
Eigentlich war ich
nach dem ersten mächtigen Puddingstück
bereits satt.
Doch ich aß all die anderen Stücke auch noch.
Genüßlich im gemütlichen Bett.
Ja – im Grunde hatte ich den Alkohol
durch Süßigkeiten ersetzt. (Und dabei
10 Kilo abgenommen.)
Als der Film zuende war,
dauerte es noch lange
bis ich einschlafen konnte.
Schwerer Magen, schwerer Kopf.

Schließlich
fand ich mich wieder
in einem geträumten Supermarkt.
Draußen war es kalt gewesen – doch hier
war es warm. Ich stand vorm Ausgang,
schaute hinaus durch das Glas
der Tür – auf einem Schild der Schriftzug:
Real
neben mir ein Einkaufswagen
voller Flaschen.
Ich hielt eine Flasche Wermut in der Hand.
Trank daraus. Erst vorsichtig. Dann
in großen Schlucken.
Bittersüß.
Irgendwann wandte ich mich um –
der Supermarkt war beinahe menschenleer; wie
kurz vor Schluss…..
Nur eine einzige Kasse war besetzt.
Die Kassiererin sah mich an – als
hätte sie mich schon die ganze Zeit über
beobachtet.
Ich fühlte mich
mit ihr allein.
Fühlte mich
allein
unter ihrem intensiven Blick.
Aus schwarzen, geweiteten Augen.
Bittersüß.
Hatte ich nicht bezahlt?`
Doch. Das hatte ich. Ob
gleich ich es nicht geträumt hatte.
Und sie sagte
über die Distanz hinweg:

»Sie wissen, warum
ich traurig bin.«

Augen
blicklich
erwachte
ich.

Verwirrt.
Mit Herzklopfen
& dem Geschmack von Wer
mut im Mund.

Ein Traum.
Ein Traum!
Nur ein Traum.

Un
fass
bare
Er
leicht
er
ung …..

Beinahe
war ich glücklich

in diesem Augenblick.

Denn – ja,
ich hatte gewusst, warum
sie
traurig gewesen
war.


Gläserne Vasen

Dieser seltsame Raum
den er Tag für Tag betrat
in seinen Tag
träumen

Ein fensterloser Raum
voller Regale
denen die Rückwände fehlten

Regale
die seine innere Leere zer
teilten

kreuz & quer

in regel
lose Ab
schnitte

In den Regalen
Nichts
als Vasen aus farbigem Glas

Bunte Gefäße
ohne In
halt

Überall
Reflexion & Brechung
des Kunstlichtes

Er unterlag nicht
der Illusion
seine Träume zu beherrschen
nur weil es Tagträume waren

Gedanken
Spiele

Frauen
traumwandelten durch den Raum

spielerisch

als hätten sie
etwas ver
standen
das er nicht be
greifen konnte

Er war er
griffen
von ihrem Anblick

Tag für Tag

Maskierte Gesichter
nackte Körper

Verhüllte Körper
entblößte Gesichter

Wesen
die niemals
Etwas
sagten

Wesen
die un
auf
hör
lich
Nichts
sagten

Dieser seltsame Traum
den er Tag für Tag betrat
in seinen Räumen

Räume
deren Fenster
verhangen waren

Eines Traumtages
so glaubte er
würde eine Vase aus farblosem Glas
in einem der Regale stehen

& sein Blick
würde fallen

durch das Glas
durch die Leere
durch das Nichts

auf eine Frau
ohne Maske
unverkleidet & nackt

Ihr Anblick
leicht verzerrt
durch das gekrümmte Glas

in dem er selber
sich spiegelte

Gebrochene Augen
blicke

in künstlichem Licht

& Sie
würde Etwas sagen

von dem er nicht ahnte
dass er es
sich

erträumt hatte