Schlagwort-Archive: Nacht

Geblendet von der Dunkelheit

Das Licht der Nacht
Tischlampe fiel
Auf die Lider

der Schlafenden                        (Dies könnte ein Plural sein, doch
                                                                    Sie ist einzig & allein.)
Wie tief Sie
Schlief wie tief
Sie atmete

Der Mann im schwarzen An
Zug kam von der Nacht
Schicht

Nach Hause

Sein Blick fiel
Wie das Licht der Nacht
Tischlampe auf

das Gesicht

Der Schlafenden
Die er liebte wie das Licht
Der Nacht

Wie tief
Sie schlief wie
Tief Sie atmete                                      (Sie könnte die Lampe sein, oder
                                                               die Nacht. Doch Sie ist Sie.)
Er beugte sich hinab
Zu Ihr
& machte die Lampe

Aus

Ein leiser Laut des Erschreckens
Aus Ihrem Mund
& die Decke zog

Sie über ihre
Geschlossenen Augen
Als sei Sie

Geblendet von der Dunkelheit

So wie er
Geblendet war
Von Ihr                                                 (Nicht die Lampe, nicht
                                                               die Nacht. Nur Sie.
Geblendet                                                   Wahr.)
Von Ihr
& Ihrer

Dunkelheit


Sperrmüll in der Nacht

Sperrmüll im Licht der Laterne
Ein Sessel am Straßenrand
Ein Mann schlief
darin

Ich fuhr vorüber

Sein Gesicht sah
aus als hätte ein Nachtfalter
sein Unwesen darin
getrieben

Jemand hatte ihn an den Rand gestellt

Da waren Risse in der Oberfläche
Sprungfedern die herausgesprungen waren
& Schatten
auf dem Bürgersteig

Ich schaute in den Innenspiegel

Das Bild entfernte sich
Es blieb zurück
Während ich weiter fuhr
Durch die Nacht

Ein Falter starb in meinem Abblendlicht

Ganz still & leise
Während aus dem Radio irgend
eine Musik kam
die ich vergessen habe


Spiegelkuss & Wolke mit Ei

Elektrisches Insekt
Spiegelkuss im Aufzug
Weißwankende Wolke
Buntes Ei auf Empfang

Zusammenhanglos oder lose zusammenhängend?

Ich hasse das Geräusch des Ventilators im Aufzug.
Nachts hallt es durch die Hotelhalle
wie das Gesumme eines stromgefütterten Insekts:
stechend, störend, nervend.
Es stört mich beim – nennen wir’s ‚Arbeiten’;
aber auch bei allerlei wichtigen Untätigkeiten.
Ich kann ihn ausschalten so oft ich will –
irgendein Mensch (vermute ich) schaltet ihn wieder ein.
Essummtessummtessummtessummt – also
gehe ich zum Lift, greife
nach dem Kippschalter…..
Jemand hat den Spiegel geküsst!
Den Spiegel im Aufzug.
Mit dunkel bemalten Lippen….
Der Abdruck des Kusses wandert über mein Abbild,
wenn ich mich bewege.
Ich hasse Lippenstift. Den Geschmack des Künstlichen.
Doch ich liebe
die Abdrücke – Lippenmalerei
auf Glas, auf Zigaretten, auf meiner Haut.
Die Linien; die Lücken; die Öffnungen.
Eine Erinnerung.
Die mich bewegt.
Wer hat den kalten Spiegel geküsst?
Ich weiß es nicht – & werde es nie erfahren.
Nur ihre Größe kann ich erahnen; die Höhe ihres Mundes;
die Fülle ihrer Lippen (natürlich: ich kann mich täuschen –
wie so oft; doch solange mir Wahrheit & Wirklichkeit nicht
dazwischenfunken, habe ich recht. Und niemand sonst.).
Kipp! Es wird ruhig. Der Schalter steht wieder oben.
Und ich setze mich hinter die Rezeption. Träume dem Kuss hinterher.
Einsam – selbstverliebt – übermütig – wie war sie gewesen?
Während der Fahrt durch die Nacht bitte nicht mit dem Nachtportier reden!
Aber keine Sau hält sich an die Regeln der Träumer.
Die Drehtür fächert eine alte Frau ins Hotel.
Die Frau wankt. Ihre Frisur: eine leuchtend-weiße Schäfchenwolke;
jederzeit könnte sie anfangen zu schneien.
»Gibt’s hier noch was zu trinken?«
»Nein«, sage ich.
»Dassissblöd«, sagt sie.
»Tja. Da ist noch die Minibar.«
»Nee – alleine trinken macht kein´ Spaß.«
(Wie wenig ihre Erscheinung & ihr Alter zu ihrer Trunkenheit passen,
denke ich – & weiß, dass dieser Gedanke unsinnig ist. Immerhin:
sie trinkt nicht allein.
Fast klang es wie eine Einladung. Doch
ich trinke nicht mehr. Und als ich noch trank, tat ich es allein.)
»Ich hab meine Zimmernummer vergessen, können se ma grade gucken?«
(Ob ich grade gucken kann? -)
»Ich vergesse meine auch immer, wenn ich zurück in den Knast muss«, sage ich.
Sie lacht. Rauh, besoffen.
Ihr Lippenstift ist grell.
Sie sagt mir ihren Namen; ich sage: »Drei Null Acht. Dritter Stock, rechts.«
»Dann nehm ich mir noch ein Ei.«
Und sie greift zu.
Erwähnte ich, dass es auf Ostern zugeht?
Also: es geht auf Ostern zu. Karwoche.
Ein grünes Nest steht auf dem Empfangstresen.
Bunte Eier, hartgesotten.
Sie nimmt sich das gelbe. Symbolträchtig.
Sagt »Gute Nacht« – & wankt zum Aufzug.
Ich sehe ihren bewölkten Hinterkopf.
Ob sie den Kuss sehen wird?
Sie dreht sich nochmal um…. »Zweiter Stock?«
»Nein, dritter.«
»Zwei Acht Null?«
»Nein – Drei! Null! Acht! Dritter Stock. Rechts.«
»Ah ja.«
Und sie verschwindet in der Kabine.
Allein. Mit ihrem Ei. Und dem geküssten Spiegel.
Es zieht sie hinan. Mit Ruckelgeräusch. Auch der Aufzug
ist nicht mehr der jüngste.
Sie könnte die Größe der Küssenden haben, und wenn sie
in den Spiegel schaut….

Nächtliche Gedanken. – Vielleicht war es
ein Transvestit, der seinen Abdruck hinterlassen hat?

Die nettesten Gespräche habe ich oftmals mit Transvestiten
mitten in der Nacht.
Ach ja – die Romantik!
Am frühen Morgen
wird die Putzfrau
kommen. Und manchmal
summt sie
beim Wischen.
Ich schwärme ein bisschen für sie –
& mag ihr Summen.
Doch mit dem Kuss
im Aufzug
wird es dann vorbei sein.
Und vermutlich hat die alte Frau
gerade jetzt – auf dem Weg nach oben –
den Ventilator eingeschaltet; und vielleicht
schneit es nun
auf ihre Schultern.


Das gefallene Licht

Das Licht
fällt auf die Straße
geworfen
vom Mond
der es gestohlen hat

Düster strahlendes Plagiat
Nächtliche Variation des Tages

Reflexion

Schöner als das Original
der unsichtbaren Sonne
die woanders sein soll

Es fällt

Und die Straße ist voller Schatten
Risse & Krater

Mir gefällt
das Gefallene
das in die Nacht geworfen wurde

wie ich

in das Leben

mitten in der Nacht


Unterm gelben Zeigefinger

Was oben scheint
ist erneut der Mond.
Der Mond scheint
gelb, getarnt als Sonne.
Als Sonne der Nacht,
gelb wie der Zeigefinger eines nikotinsüchtigen Serienkillers;
er deutet
hinunter auf den Wald……
Knisterschritte in stiller Umgebung.
Was unten scheint
ist erneut die Frau. Getarnt
als Traum.
Traum, Baum, Saum eines Nacht
hemdes…. kurz & durchschimmernd ….
in Stummfilmblau.
Bloße Schenkel in Bewegung,
Nadelgeruch & das Ende der Stille.
Das Heulen des Tieres schneidet
ein Muster in die Dunkelheit & hinterlässt
eine Tonspur.
Ein Wolf träumt in der Ferne,
und seine Sehnsucht reisst die Frau
zu Boden…… fällt
über sie her,
leckt sie ab
mit schweigender Zunge &
zitterndem Schwanz.
Speichel tropft unterm Märchenmond.
Und Licht bricht in den Schweißperlen der Frau.
Rot ist die Lust
wie eine unter
gehende
Sonne….
& ihr Blut sickert
in den Boden
der Nacht.


Die rote Nacht

Rot war die Nacht
wie die Vorstellung der Hölle
wie das Blut, das man erahnt
unter der Oberfläche
Eiskristalle krachten wie spröde Rasierklingen
Und verdunkelte Fenster
waren die geweiteten Pupillen der Schlaflosen
In den Verließen der ungeträumten Träume schmachteten
die von allen guten Geistern Verlassenen
Und gebrochene Blicke aus lidlosen Augen sahen das Nichts
Gedankenkreise, eingesperrt in Quadrate
Schnittstellen vergangener Berührungen
Wahn & Sinn & Losigkeit tanzten spinnenbeinig miteinander
Musik existierte nicht mehr
Und kein Rausch konnte die Leere füllen
In den Handgelenken pochten die Endlosschleifen
Und Alles, was jemals vergessen worden war,
sammelte sich in einem berstenden Totenschädel
Ein Hilferuf passte nahtlos in ein Schweigen &
verschwand darin
ohne Wider
hall

Rot war die Nacht
& dann
ganz

Stille


Mittenindernacht

Mittenindernacht heißt der Ort, wo
die Verlorenen umher-
irren,
die Irren sich
verlieren
& die Sehnsucht zum Wahnsinn mu-
tiert.

Ein schwarzer Mond hängt wie ein
Loch in einem weißen Himmel, der
kein Licht spendet.

Die ins Dunkel verkehrten Gesichter der aus dem Leben Vertriebenen
maskieren wie Abziehbilder die Köpfe, in denen
finstere Gedanken kreisen,
und die Verlassenen ziehen durch die Gassen, die
zu
Nichts
führen.

In den geträumten Häusern wohnt
Niemand
in tausenderlei Gestalt.

Und verzerrte Perspektiven
verschieben die Flucht
linien ins End
lose.

Der heisere Gesang der Trunkenen
prallt gegen Wände & hallt
gefangen in spitzen Winkeln

ohne Ende
ohne Ende

Mittenindernacht heißt der Ort,
und wer hofft,
dort zu finden, was er sucht,
findet die Hoffnungslosigkeit
in den Augen der Anderen –

doch
sie sieht der eigenen ähnlich,
diese Hoffnungslosigkeit –

& mehr Trost ist nicht
zu er-
warten

mitten
in
der
Nacht.