Tagesarchiv: 15. Mai 2011

Spinnen

Meine Phobie ist differenziert:

Ich habe nichts gegen ganz dünne Spinnen,
mit kleinem Körper;
sie sind behäbig, beschaulich,
langsam, sie verlassen selten ihr Netz,
erweitern es nur ab & zu; sie
überraschen einen nicht, man kann
sich auf sie verlassen. Solche Spinnen
haben bei mir eine gute Lebenserwartung;
ich gehe an ihnen vorbei, grüße sie, und
sie danken es mir mit Ruhe.

Was ich hasse, was ich fürchte, was mich
anwidert, sind die dicken großen schwarzen Spinnen;
plötzlich sind sie da, man weiß nicht, woher;
plötzlich sind sie weg, man weiß nicht, wohin;
Sie sind schnell, sie huschen, sie jagen, sie
scheinen kein festes Wohnnetz zu haben;
nirgends ist man sicher vor ihrer
rasenden Gegenwart; sie beobachten
dich, sie fliehen vor dir.
Meine Mordgier kennt keine Grenzen,
wenn es um diese Einbrecher geht.

Ich bin dünn. Ich lebe beschaulich.
Ich bin langsam. Ich verlasse selten mein
Netz.
Draußen sind die Raser, die
Huscher, die Jäger, die Störer.
Ich ruhe.

Ich spinne.