Wie ein schwarzes Insekt
auf einem
dunkelgemusterten Teppich
möchte ich
durchs Leben huschen
in einem Innenraum
auf warmem Untergrund
klein & unbemerkt
– – –
Nur für eine Weile
Solange
bis jemand
der mir fremd ist
unabsichtlich
auf mich tritt
Tagesarchiv: 14. Juni 2012
Wie ein schwarzes Insekt
Das Lachen des Kindes
Mein Neffe lachte.
Immer wieder.
So herzerfrischend.
Und er sagte
mit sich überschlagender Stimme:
»Oma hat gepupst.«
Er sagte es oft, denn
er bekam oft
Gelegenheit
dazu.
Denn
seine Oma
hatte einen
künstlichen
Darmausgang.
Der Abschiedsbrief
»Hast du seinen Abschiedsbrief gelesen?
Ich erinnere mich nicht mehr an die
Gründe, die er nannte – aber
er schrieb:
‚Ich gehe in’s Wasser, weil….’ – –
Und er schrieb
‚Ins’ mit Apostroph!!!
Kannst du dir DAS
vorstellen?
Na ja …
mit Regeln
kannte er sich
nie
gut
aus.«
Die letzte Scheibe Toast
Jeden Tag
hat man 1 oder 2 Scheiben Toast
aus der Packung genommen
& mit Genuss gegessen
Am letzten Tag
nimmt man die vorletzte heraus
& sieht
dass die letzte Scheibe
auf einer Seite
verschimmelt ist
Man wirft die beiden weg
(Vermutlich)
Aber die letzte Scheibe
könnte
schon lange schimmlig gewesen sein
Schon als die Packung
noch halbvoll war –
& prompt
hat man wieder
etwas
zu denken
Der dünne Katalog
Der alte Mann hörte wie
die Klappe vom Briefschlitz
in seiner Haustür
zuschlug
Post!
Nachricht von draußen!
Langsam
erhob er sich vom Sofa &
langweilte sich
durch den kurzen Flur
Die Post
lag auf dem Boden
auf der Fußmatte
Der alte Mann
bückte sich
langsam
beschwerlich
hob die Post auf
Nur eine
als Brief verkleidete Werbung
&
ein dünner Katalog
Als der alte Mann sich
aufrichtete
schmerzte
sein Rücken
Den Brief
der keiner war
warf er sofort
in den Müll
Den Katalog
nahm der mit auf
das Sofa
Denn auf der Titelseite
war
eine junge Frau
Eine junge Frau
in einem kurzen Sommerkleid
Die Frau
lächelte
wie
eine Erinnerung
an schöne Zeiten
Sie war
perfekt
die junge Frau
Denn
ihr Abbild war
retuschiert
wie
die Erinnerung
an schöne Zeiten
Ihr Lächeln
Ihre Schultern
Ihr Dekolleté
Ihre Beine
Ihre Füße
Der alte Mann
betrachtete sie
lange
Dann schlug er
den Katalog
auf
&
blätterte
darin
Seite
für
Seite
Viele Bilder waren
darin
doch er
verfolgte nur
die junge Frau
von der Titelseite
Das Geräusch
des Blätterns
hatte er ausgeblendet
(oder war er schon zu alt
es zu hören?)
Er fror
Auf den ersten Seiten
trug sie
Kleider
Röcke
Hosen
(lange Hosen
Shorts
Hotpants)
Der alte Mann
blätterte
langsam
sehr langsam
Befeuchte
ab & an
seine Finger
mit der Zunge
Einige Seiten weiter
trug sie
Bademode
Der alte Mann
roch
das Meer
fühlte
den Sand
schmeckte
Salz
&
Haut
Bunt waren
die Seiten
Bunt wie
seine Jugend
Das Licht war
künstlich
in der Wohnung
des alten Mannes
denn draußen
war es
düster & grau
Dann kam
die
Unterwäsche
Der alte Mann
suchte
suchte
nach der jungen Frau
Er sah nur
fremde Gesichter
fremde Körper
war
verstört
war
enttäuscht
blätterte um
& –
da war sie
Der alte Mann war
beruhigt
So schön war sie
in
Dessous
So
perfekt
wie seine
Einsamkeit
Die Zeit
verging
seitenlangsam
Die Seiten
färbten ab
& er
schmeckte sie
die Seiten
die Farben
das Künstliche
Ist diese Sehnsucht
dieselbe
wie
früher
dieselbe
wie
damals? –
Das
kann
nicht
sein
Das
kann
nicht
sein
Schließlich
kam
die
Nachtwäsche
Die junge Frau
in
Schlafanzüglichkeiten
Wovon würde sie
träumen
in diesen
Pyjamas
diesen
Shorties?
Nicht
von dem alten Mann
auf dem Sofa
der in diesen Seiten
blätterte
Nicht
von seiner
Sehnsucht
Nicht
von der
Vergänglichkeit
Vielleicht
von
ihrer
Perfektion
Von der Perfektion
die sie nur
in diesem
Katalog
haben konnte
retuschiert
&
gebannt
für
die Zukunft
Eine Zukunft
die
begrenzt war
wie
die Hoffnung
des alten Mannes
Der alte Mann
schlug den Katalog
zu
& legte ihn
mit der Rückseite nach oben
neben sich
Auf der Rückseite
war
eine Waschmaschine
abgebildet
Der alte Mann
legte
die Hände
in den Schoß
In den Schoß
der
tot
war
Kein Papier
Die Nacht war
wie ein fremdes Klo
ohne Papier
wenn bereits
der Dünnschiss
in den eigenen Eingeweiden
brodelt
Zu viele Worte
hatte ich gehört
Zu viele Worte
hatte ich gelesen
Worte
die über den Boden krochen
Worte
die winselten
Worte
die witzig
die beliebt
sein wollten
Worte
die
völlig
leer
waren
Die Worte
der
Anderen
Mir war schlecht
Ich ging zum Kühlschrank
Der Kühlschrank war leer
bis auf 1 Zwiebel
& 1 Flasche Bier
Ich nahm die Flasche
öffnete sie
& ging mit ihr
ins Bett
Und
nach ein paar Schlucken
dachte ich:
Nein,
nicht die Worte
der Anderen
regen dich so auf
Es sind
deine eigenen Worte
die dich aufregen
Denn auch sie
kriechen nur über den Boden
winseln
wollen witzig & beliebt sein
& sind dabei
doch auch nur
leer
Dünnschiss
nichts als
Dünnschiss
Gut
wenn
kein
Papier
da ist
Der Gutschein
Und wieder betrat jemand
mit einem Gutschein in der Hand
das Hotel.
Kam an die Rezeption; fragte
mich nach einem Zimmer.
Es war ein Gutschein der
Deutschen Bahn,
ein Gutschein für
Übernachtung + Frühstück.
Er, der Inhaber des Gutscheins,
hatte seinen Anschluss
verpasst.
Unverschuldet.
Nach dem Grund brauchte ich
nicht zu fragen.
Nach dem Grund brauche ich
niemals zu fragen …..
Er wird mir
immer
einfach so
mitgeteilt.
Und oft,
sehr sehr oft,
ist es
ein & derselbe Grund :
Jemand
hat sich
vor den Zug
geworfen.
Irgend
Jemand.
So auch diesmal.
Der Mann mit dem Gutschein
war verärgert; er hatte
einen wichtigen Termin
versäumt.
Vielleicht
ein Rendezvous,
ein GeschäftsEssen,
einen Fick,
irgend etwas, das ihm
wichtig war.
Irgend etwas
Banales.
Warum nur war er verärgert?
Er hatte doch
einen Gutschein
gewonnen.
Jemand hatte ihm,
ohne darüber nachzudenken,
zu einem Gutschein
verholfen.
Jemand
der vielleicht auch
irgend etwas
verpasst
hatte.
Irgend etwas, das
ihm
wichtig war.
Irgend etwas
Banales.