Was tue ich hier?
Vergessen.
Die Schlagschatten der Fremden bewegen sich
wie verzerrte Scherenschnitte
über das Kopfsteinpflaster der Gasse.
Die Abendsonne: eine bittere Blutorange.
Das Geräusch schwierig-hoher Absätze prallt
gegen Fachwerkfassaden.
Verlaufen.
Ich habe mich verlaufen.
Es ging los, als ich die Wohnung verließ.
Es geht immer los, wenn ich die Wohnung verlasse.
Sobald ich einen Fuß vor die Tür setze, habe ich mich
schon verlaufen.
Verlassen. Verwirrt. Verirrt.
Irgend jemand
hat mich gerufen.
An-
gerufen.
Wollte mich
treffen.
Aber wo?
Im Zweifelsfall
dort
wo
ich
nicht
hinge-
höre.
Warum habe ich mich nur darauf
eingelassen –
die Wohnung zu
verlassen?
Es endet
doch immer
gleich.
Ähnlich.
Sofort.
Ja, warum?
Weil ich
hinhörte –
vielleicht.
Wegen
dieser Stimme –
vielleicht;
der Stimme in meinem Kopf.
Hineingetragen
in meinen Kopf
auf dem Wege der
Fern-
melde-
technik.
Eine Stimme – weiblich & fremd.
Hat sie
wirklich
mich
gemein
t?
Oder
war’s doch nur eine
Ver-
wahl.
Aber halt – sie kannte meinen Namen!
Nicht dass dieser Name einzig wäre;
oder auch nur selten – aber
wieviel Zufall würde es brauchen,
dass sie
nicht
mich
gemeint hätte?
Zu
viel
doch wohl…..
Der Mann betrachtet
die sommerlichen Frauen.
Auf dem Muster des Kopfsteinpflasters.
Steinerne Würfel ohne Augen.
Hätte das Kopfsteinpflaster Augen,
könnte es unter Röcke schauen.
Unter Kleider.
Unterröcke, Unterkleider……
Und er träumt sich in den Boden
& schaut
& schaut
aufwärts……
Eine von ihnen vielleicht?
Was wenn
ich mich gar nicht verlaufen habe?
Hier richtig bin?
Oder doch verlaufen – & zwar
so oft verlaufen vom Verlaufen, dass ich
dort angekommen bin, wo ich hin wollte?
Wenn ich mich recht ver-
irre,
könnte es
so
sein.
Und überhaupt – wenn ich
vergessen habe,
wo
ich
hin
wollte,
kann
über-
all
der
richtige
Ort
sein. –
Was tue ich hier?
Vergessen.
Ich habe nicht vergessen,
was ich hier tue,
sondern –
was ich hier tue,
ist
vergessen.
Vielleicht.
Das Licht
ändert sich.
Ich nicht.
Die bittere Blutorange geht
unter.
Ich nicht.
Die Scherenschnitte verlieren
ihre Konturen.
Ich nicht.
Die Geräusche verstummen.
Ich nicht.
Jemand
wird den Mann finden.
Irgend
jemand.
Irgend
wann.
An einem
anderen
Tag.
Schlagwort-Archive: Traum
Verirrung
Vergessen
Ich hatte sie liegenlassen
in der Eile des Erwachens
das wie eine Flucht aus der Nacht gewesen war
Ich hatte sie liegenlassen
in einem kleinen Zimmer
in dem eine Tote lag
Eine Tote
die soeben erwacht war
um mich anzulächeln
Ich hatte sie liegenlassen
die Kamera
die ich durch meine Träume trage
Die ich durch meine Träume trage
um zu fotografieren
was mir begegnet
Ich hatte sie liegenlassen
eine altmodische wertvolle Spiegelreflexkamera
voller Bilder
Bilder von
den Sehenswürdigkeiten meiner Träume
den Traumwürdigkeiten meines Unterbewusstseins
Ich hatte die Bilder
entwickeln wollen
eines Tages
Hatte sie einkleben wollen
in das Album
meines Bewusstseins
Ich hatte sie liegenlassen
die Kamera
in der Eile des Erwachens
Ich hatte sie
vergessen
in dem Zimmer der lächelnden Toten
die ich nicht
vergessen
konnte
Vielleicht
werde ich sie
wiederfinden
Ich werde
sie
suchen
in
einem anderen
Traum
Fern Beziehung
Ich existiere
die meiste Zeit
für Dich
nur
als Stimme
als geschriebenes Wort
als Phantasie
körper
los
beziehungs
weise
fern.
So
wie
Du
für
mich.
Ledig
lich
im Traum
bist Du
immer
mir
so
nah
wie ein
eigener Gedanke
begreif-
doch
auch
unfassbar
Das verschwundene Zeichen
Ich weiß nicht wohin
ich fuhr
in diesem Traum
Der Weg
war mir un-
bekannt
Irgendwo
warf ich ein Buch
aus dem fahrenden Zug
Ich hatte das Buch noch nicht gelesen
Ich wollte zurückkehren an den Ort
wo ich es fortwarf
Ein Lesezeichen
in meinem Traum
Doch ich wusste
ich würde es nicht wiederfinden
den Ort nicht wiedersehen
Und ich träumte
dass jemand das Buch fand
& mit nach Hause nahm
Und das Haus war
der Ort zu dem ich zurückkehren wollte
Ich hatte es
noch nie gesehen
Doch ich wusste
Du
wohntest
darin
R.E.M.
Wenn Du träumst
bin ich
es
der Deine Augen
so schnell
bewegt
Wenn ich träume
bist Du
es
die meine Augen
so schnell
bewegt
Schnelle Blicke
die sich treffen
hinter geschlossenen Augen
die sehen können
über alle Entfernung
hin-
weg
Eine Handbreit über dem Eis
Es war so still,
dass ein schmelzender Eiswürfel einen erschrecken konnte.
Ein ausgebuchtes Hotel des Schlafes; aber vielleicht
waren die Gäste auch nur
tot.
Die Zeit verstrich
auf stehengebliebenen Uhren.
Nichts passierte.
Niemand ging vorüber.
Das Ich: ein unterbezahlter Nachtportier.
Immer wieder
nickte ich meiner Müdigkeit zu.
Nickte ich ein.
Die Tagträume der Schlaflosigkeit verwandelten sich
in traumlosen Schlaf.
Staub war von fremder Haut
gefallen
auf die Teppiche am Boden.
Totes Gewebe
das ich einatmete.
So gleichmäßig
wie man niemals atmet, wenn man
wach ist.
Endlos
hätte ich schlafen können.
Andere hätten es meinen Tod genannt.
Und ich wäre kalt gewesen.
So kalt & still.
Doch
Alles
vergeht.
Alles endet.
Auch solche Nächte.
Und jemand betrat meine Ruhe.
Das schwarze Kleid der Putzfrau endete
eine Handbreit über ihren Knien.
Die Hand
hätte meine sein können.
Was habe ich getan?
Ich wusste nicht, was ich tat.
Einmal mehr.
So oft
hatte ich nicht gewusst,
was ich getan hatte.
Hatte ich jemanden
geschlagen
oder
geküsst?
Jemanden
erschossen
oder
geliebt?
War ich
in einen Abgrund gestürzt
oder
gesprungen?
War ich gestorben
oder
flog ich auf einem Teppich
durch die Lüfte?
Ich wusste es nicht.
Ich weiß nie, was ich tue
in
Deinen
Träumen.
Tinnitus
Der Schwindel …..
Der Rausch …..
Ein lautes Pfeifen im rechten Ohr.
Situationen, mit denen ich
nicht
fertig werde,
erinnern mich an Situationen,
mit denen ich nicht fertig geworden bin,
und sie
haben ihren eigenen
Klang.
Denselben Ton
von Dauer.
Und dunkle Gefühle
pfeifen am lautesten.
Eine monotone Melodie, die
keine ist.
Ich wälzte mich im Bett,
atmete schwer,
träumte wirr,
schlief leicht.
Und jedes Mal, wenn ich erwachte
– & ich erwachte oft -,
schaute ich auf die Uhr, ohne
die Zahlen zu erkennen
& hörte die Melodie, die
keine war.
Sie war nicht neu.
Das alte Lied.
Sozusagen.
Und auch die Angst,
sie könnte für immer bleiben,
war nicht neu.
Die Hintergrundmusik für
den Rest meines Lebens –
kurz oder lang.
Monotonie.
Doch später,
irgendwann –
wurde der Ton so leise, dass ich
mir nicht mehr sicher war,
ob ich ihn
noch
wirklich
hörte –
oder mich nur
an ihn erinnerte …..
exakt erinnerte,
denn ich habe das
Absolute Gehör,
von dem man heute behauptet, es
existiere nicht – es sei nur
ein extrem gutes Gedächtnis.
(Aber was ist schlimmer?
: Das Absolute Gehör
oder
: Ein extrem gutes Gedächtnis?)
Also –
ich hörte den Ton ….
oder glaubte ihn zu hören ….
& der Unterschied ist
gar nicht groß,
wenn man Phantasie besitzt.
Und ich dachte an
die dunklen Gefühle,
die nur die Schatten der hellen sind –
& ich fragte mich:
Waren sie noch da
oder
erinnerte ich mich nur an
Sie?
Zumindest
der Schwindel
war noch da.
Und ein Rest
des Rausches.
In meinen Träumen
Die Fliege seilte sich ab
aus dem Netz der Spinne
über meinem Kopfkissen
& tauchte
in meine Träume
in denen Spinnen fliegen
& Fische
Netze spinnen
aus denen Fliegen sich abseilen
um in meinen Träumen zu
schwimmen
Im Traum eines Fremden
Ein Raum, ein Bett. Eine Laterne
mit verschiedenfarbigen Glasfenstern, die
bunte Flecken auf die beiden Gesichter malte.
»Ich bin mir sicher, dass wir uns schon mal
begegnet sind«, sagte die Frau. »Ich komm
nur nicht drauf, wo.«
Der Mann sagte: »Ich habe auch das Gefühl.«
»Nein«, sagte sie, »kein Gefühl. Gewissheit.«
»Hmm, vielleicht. Aber es muss lange her sein.«
»Ja«, sagte die Frau, »lange.«
Dann schwiegen sie.
Grübelten im bunten Licht.
Vergebens.
Sie waren Fremde.
Ich kannte sie nicht.
Aber nur ich wusste, wo
sie zuerst einander begegnet waren. –
Sie hatten sich getroffen
in einem meiner wirren Träume.
Vor nicht gar so langer Zeit.
Sie hatten den Traum vergessen.
Ich nicht.
Kakerlaken
All diese Gedanken & Ideen
All diese Erinnerungen
die
in Dunkelheit
in Finsternis
durch die Schädelräume huschen
wie Kakerlaken …..
faszinierende Tiere
schnelle Tiere
ekelerregende Tiere
gepanzerte Tiere
schillernde Tiere
wimmelnde Tiere
schwarze Tiere
feige Tiere
dreiste Tiere
kopulierende Tiere
stinkende Tiere
changierende Tiere
fühlende Tiere
gehasste Tiere
fressende Tiere
geliebte Tiere
kitzelnde Tiere
scheißende Tiere
widerstandsfähige Tiere
unausrottbare Tiere
Tiere der Nacht
die in dunklen Schädelräumen
Schädel
träumen
husch
hush
hush
Doch
sobald
das Licht an-
geht
suchen sie
ihre Verstecke
auf
verschwinden
scheinbar
in Ritzen & Winkeln
in Löchern &
Hinter-
gründen
wo
das Licht
….. des Tages
das Licht
….. der Lampen
das Licht
….. der Glücksgefühle
niemals
hin
kommen
kann
…..
Dort
warten sie
Dort
lauern sie
immer wieder
auf Blicke
die sie nicht treffen
können
auf die Dunkelheit
des Vergessens
auf den nächsten Moment der
Finsternis
der
mir
willkommen
ist.
Geträumter Asphalt
Ich lag rücklings auf geträumtem Asphalt
& starrte in den Himmel
Der Himmel war dunkelgrau
& an Stelle der Wolken
zog kreisender Schaum über ihn hinweg
In dem Schaum glänzten unzählige
Luftblasen
Mein einziger Freund stand neben mir
& schaute zu wie das Moos an
meinen Häuserwänden emporwuchs
»Ich werde wahnsinnig!« schrie ich
Der Anblick des Himmels war
unerträglich
doch ich
konnte meinen Blick
nicht von ihm wenden
Ich hörte die gluckernde Bewegung
des Schaums
Mein Freund sagte nichts
Ich befürchtete in den Himmel
gesogen zu werden
Das Haus wächst zu dachte ich
Nie mehr werde ich
hineinkommen
Und eine
fremde Frau
beugte sich
sinnlos
über
mich
Ein Guter
Ich träumte von
zu hohem Gras
in meinem Garten
Von wucherndem Unkraut
& den vergangenen Katzen
die darunter ruhten
Von dem toten Hund
der den Katzen
liebevoll die Köpfe leckte
& nirgends
war ein Mensch in Sicht
Das war
ein
Guter
Traum.
Der didaktische Traum
Es war ein Albtraum, keine Frage.
Ich befand mich in einem Raum, wo
Menschen der Job weggenommen wurde.
Man nahm mir meinen &
gab mir einen anderen.
Von einem Moment auf den nächsten
sollte ich
Lehrer sein.
Ohne Ausbildung.
Man drohte mir Gewalt an &
drückte mir 2 beschriebene Blätter in die Hand.
Das eine enthielt eine kurzen Text mit der
Überschrift »Schuld« –
auf dem anderen stand:
»Diskutieren Sie diesen Text mit Ihren Schülern.
Klasse 6b.«
Ich wollte den Text nicht lesen.
Ich tat es nicht.
Und dann irrte ich durch
ein gigantisches Gebäude.
Verwinkelte Gänge … unzählige Türen …
Rolltreppen … Einsamkeit & Angst …
In einer Nische stand mein bester Freund.
»Der Job ist nichts für Dich«, sagte er.
»Ich weiß«, sagte ich. »Aber vielleicht
gewöhne ich mich daran. Im Laufe der Jahre.«
Der Freund war fort, ich ging weiter.
Lief über die Rolltreppen ins oberste Stockwerk,
Regen trommelte auf das gläserne Dach.
Klasse 6b, Klasse 6b … Wo zur Hölle ist
Klasse 6b?
Es gab keine Hinweise, keine Schilder,
keine Menschen, die ich hätte Fragen können;
und hätte es sie gegeben, würde ich wohl nicht den
Mut gehabt haben, zu fragen.
Ich ging immer weiter. Weiter. Dachte darüber nach,
wie ich
unterrichten würde ….
Ich betrete den Klassenraum.
Ordentlich & aufrecht sitzen sie da.
Jungs & Mädchen.
Eine eher kleine Klasse.
Sie schauen zu mir auf, während ich
zu meinem Pult gehe.
Ich sage:
»Morgen, Ihr Freaks.«
Und setze mich.
Werfe die beiden Blätter auf den Boden.
Lege die Füße hoch.
Ich sehe das Erstaunen in den
kleinen Gesichtern.
Entgeisterung.
Sie blicken sich gegenseitig an.
Fragend.
Einige lächelnd.
»Guten Morgen«, sagen sie dann.
Im Einklang.
Einstudiert.
»Ihr wollt was lernen?« frage ich.
»Ja«, antworten sie.
Im Einklang.
Einstudiert.
»Ich kann Euch aber nichts beibringen«,
sage ich. »Ich weiß
nichts.«
Schweigen.
»Ihr solltet lieber
zu Hause sein, im Bett liegen &
Musik hören. Oder durch den Regen laufen
& in die Pfützen springen. Ihr
solltet nicht hier sein.«
Wieder lächeln einige Wenige.
Und setzen sich bequemer hin.
Und
Ich ging weiter.
Öffnete wahllos eine der Türen.
Köpfe auf Hälsen bewegten sich, wandten mir
Gesichter zu – viele kleine Menschen +
1 Lehrerin.
Alle stumm.
Schnell machte ich die Tür wieder zu.
Weiter. Weiter.
Unterm Regengetrommel.
Und dann sah ich
hinter Glasfenstern & Glastüren
ein riesiges Atrium.
Ein Atrium im obersten Stockwerk!
Überall Bänke & Tische.
An denen Menschen saßen,
offenbar Schüler & Lehrer.
Sie waren beim Essen.
Der Regen fiel auf sie herab,
verdünnte ihre Suppen, füllte ihre Gläser.
Sie mussten verrückt sein.
Alle.
Durch eine der Türen betrat ein Mann das
Innere des Gebäudes. Er trug
eine Polizeiuniform, führte einen Hund;
Hund & Mann waren nass.
Ich nahm
meinen Mut zusammen.
»Entschuldigung«, sagte ich zu der
Uniform. »Ich suche
Klasse 6b.«
Der Hund trug einen Maulkorb.
Der Mann sagte:
»Da müssen Sie ins Untergeschoss.
Und dort gehen Sie dann ….«
Er beschrieb einen Weg, den ich sofort
vergaß.
Ich bedankte mich, wandte mich ab &
suchte die Rolltreppe, die mich
nach unten bringen sollte.
Ich konnte sie nicht finden.
Mir fiel auf, dass
die beiden Blätter nicht mehr
da waren. Ich musste sie verloren haben. –
Ja, vielleicht
würde ich mich
an den Job gewöhnen –
im Laufe der Jahre.
Durchbrochene Einsamkeit
Der Rückenschmerz weckte mich.
Ich lag verkehrt.
Langsam, ganz langsam
drehte ich mich im Bett; dann
ließ der Schmerz nach.
Der Wecker gönnte mir noch 2 Stunden.
Der Traum war abgebrochen.
Nach all diesen Jahren
war Sie wieder da
gewesen –
in einem unbekannten Haus;
sie roch & schmeckte wie früher;
unsere Vertrautheit schien niemals
unterbrochen worden zu sein.
Gegenwärtige Vergangenheit ….
vergangene Gegenwart.
Sie schenkte mir
Nacktfotos von sich; ich tat sie
in eine geträumte Tasche.
Dann folgte:
Vergessen. – –
Wovon war ich noch gleich
aufgewacht?
Ach ja, vom Schmerz.
Ich hatte verkehrt
gelegen.
Ich wollte nur weiterschlafen –
jetzt! Sofort!
Aber ich wusste, es würde mir
nicht gelingen.
Wo war die Tasche?
Ach ja, ich hatte sie
im Traum liegen gelassen.
Langsam drehte ich mich
im Bett auf eine Seite,
die nicht schmerzte –
& ich dachte:
Bitte, noch so einen Traum von
durchbrochener Einsamkeit!
Der Schneestrand
Eigentlich hätte da
Sand & Sonne sein müssen, aber
es lag Schnee am Strand, und
der Himmel war schwer & dunkel.
Das Meer fast schwarz,
regelmäßig gemustert von sanften Wellen.
Wir liefen barfuß durch die weiße Kälte.
Ich wusste nicht, wer sie war, aber
sie schien mich zu kennen.
Schön war sie
&
jung
&
einsam.
Ich war
einsam
&
alt
&
hässlich.
Wir lachten, bis uns warm wurde.
Das Meer war ein Rausch
im Hintergrund.
Es war eine
verkehrte Welt,
durch die wir liefen.
Aber für uns war es
die
einzig
wahre.
Der Traum
In einer Stadt, die ich nicht kannte,
in einem Haus, das mir fremd war,
lag ich nackt in einem Bett, das mir nicht gehörte,
neben einer Frau, die mich liebte.
Ich weiß nicht, wer sie war – ihr Gesicht
changierte.
Nackt las sie in einem Manuskript.
Unsere Beine waren ineinander verschränkt.
»Das ist gut«, sagte sie. »Warum schickst Du
es nicht an einen Verlag?«
»Nein«, sagte ich.
»Hast Du nie davon geträumt?«
»Als Kind vielleicht. Und vielleicht als
Jugendlicher noch – aber schon nicht mehr
so richtig.«
»Schade«, sagte sie & reichte mir einen
Umschlag.
Ich saß an einem Tisch, zitternd trotz
dicker Winterkleidung, und schob das Manuskript
in den Umschlag. Ich verschloss ihn mit meiner
Spucke & schrieb eine Adresse darauf, die ich
auswendig zu kennen schien. Ich war allein.
Allein in einer kopfsteingepflasterten Gasse.
Abenddämmerung.
Vor einem geschlossenen Geschäft hing der
Briefkasten. Als ich den Umschlag einwarf, sah ich
hinter einem der Fenster das Gesicht einer
alten Frau; es kam mir bekannt vor. Hinter ihr
war Dunkelheit. In die sie verschwand.
Das Haus, in dem die Gedanken kamen, war ein
anderes als das Haus, das mir fremd war. Und
das Bett war leer.
Ich habe den Begleitbrief vergessen! Verdammt! –
Obwohl …. Nein, vielleicht ist das gut …. So
wissen sie nicht, ob es ein unaufgefordert eingesandtes
Manuskript ist …. Vielleicht lesen sie es dann
wirklich ….
Längst hatte ich vergessen, um welchen Text es sich
handelte. (Hatte ich es je gewusst?)
Mir fiel auf, dass dieses Haus keine Fenster hatte.
Zumindest nicht in dem Moment, als es mir auffiel.
Und dann
: DER ABSENDER!
Habe ich den Absender auf den Umschlag…..?
Oben links. Links oben. Habe ich?- – – Ja …. Nein ….
Nein … Ja …
Mal sah ich meinen Namen & meine Adresse, mal sah ich
sie nicht – & dann wieder wußte ich nicht, wie meine Adresse
lautete ….
Je länger der Zweifel nagte, desto mehr Buchstaben
bekam die Anwort.
Was wollte ich eigentlich?
In diesem Traum …..
Der nicht aus meiner Kindheit stammte
& nicht aus meiner Jugend.
Dass ich den Absender geschrieben hatte?
Oder dass ich vergessen hatte, ihn zu schreiben?
Oder dass es ein fremder Absender war?
– – Über all diesen Fragen & Zweifeln
wachte ich auf ….
Nackt in dem Bett, das mir gehörte,
neben der Leere, die mich liebte, mit ihrem
unveränderlichen Gesicht;
unsere Beine waren ineinander verschränkt,
in dem Haus, das mir vertraut war,
in der Stadt, die ich
kannte.
Das Traumbuch
Und dann ging ich
zum Bücherregal & suchte
nach diesem
einen Buch.
Unbedingt
wollte ich es lesen.
Jetzt.
Ich war überzeugt
es zu besitzen.
Ich schritt die Reihen ab,
hin & her,
Meter für Meter –
erst langsam, dann
schnell, dann
wieder langsam.
Die Verzweiflung wuchs.
Der Wunsch, es zu lesen
wuchs
mit der Verzweiflung.
Wo war dieses Buch?
Ich wusste, es existiert.
Ich schwitzte.
Kam außer Atem.
Hielt schließlich inne &
setzte mich auf den Boden vor dem Regal.
Und dann
irgendwann
wurde es mir klar – :
Ich hatte dieses Buch
nur
in einem Traum gekauft.
Schatten
Ich träumte, ich sei
der Schatten auf dem glitzernden
Kopfsteinpflaster
in einer verregneten Sommernacht.
Ich war der Schatten einer jungen Frau
in einem kurzen Kleid.
Das Licht der Laternen hatte mich geboren,
und ich glitt über den Boden,
so schnell sie es wollte.
Ich hörte den Rhythmus der Schritte,
die mich berührten.
Der Himmel war schwarz,
der Mond war neu,
und die Frau war hell.
Und ich blickte hinauf
über nackte Schenkel
auf das
feuchte
Höschen, das
sich im Schatten bewegte.
Die Frau war allein,
und sie träumte
in ihrer Einsamkeit
von dem
Schatten,
der
ich
war.
(Inwendig vorgetragen:)
Fahndungsfotos & Steckbriefe
All diese Fahndungsfotos & Steckbriefe,
die an den Wänden meiner Träume hängen….
Und dann wache ich auf, und
die Wände sind leer.
Ich bin wach & gehe durch die Straßen ….
In meiner Erinnerung:
die Fahndungsfotos,
die Steckbriefe ….
Doch niemand in der Realität
sieht diesen Fotos ähnlich,
auf niemanden
passen die Beschreibungen der
Steckbriefe.
Gesucht –
Nicht tot, sondern lebendig.
Kein zurück
Niemals gelingt es,
einen Traum fortzusetzen, wenn man einmal
aus ihm erwacht ist.
Selbst wenn man sofort
wieder einschläft, findet man nicht mehr
in ihn zurück.
Man findet sich wieder in
einem neuen Traum.
Zumindest mir
geht es so – mit jeder Art von Traum.
Egal, ob ich schlafe
oder wache.
Und jedes Mal
tut es mir leid.
Jedes Mal.
Selbst wenn es sich
um einen
Albtraum handelte.
Ein allzu einfacher Traum
Im Nachhinein kam der Schlaf mir vor wie eine Vollnarkose; irgend
etwas traumlos-Schwarzes aus Alkohol, Nikotin, Kopfschmerz & As-
pirin. Und als ich aufwachte, konnte & wollte ich nicht aufstehen.
Noch mehr Kopfschmerz.
Ich blieb liegen, schlief wieder ein. Wieder erschien alles
traumlos-schwarz.
Gegen 1 Uhr Nachts machte ich mir schließlich Frühstück; Spiegel-
ei auf Toast, Grüner Tee & Aspirin.
Es gab keinen Grund, aufzustehen (wie fast immer), ich tat es
trotzdem. Fühlte mich wie ein stolpernder Schwindel.
Als erstes checkte ich, was für einen Mist ich mal wieder im Voll-
rausch geschrieben hatte. Es war wie immer: Manches ging so,
anderes war mehr als überflüssig. Egal. Den Kopf konnte ich nicht
schütteln – wegen der Schmerzen & des Schwindels; obwohl ich ihn
gerne geschüttelt hätte.
Und irgendwann war sie da – die Erinnerung an einen Traum.
Ich hatte mich geirrt. So traumlos-schwarz war mein Schlaf nicht ge-
wesen. Natürlich nicht.
Schwarz waren die Vogelspinnen meines Traums. Und sie waren überall.
Überall in meinem Haus, in dem die Möbel fehlten. Und sie huschten
über den nackten Boden, diese Spinnen. Und mit einer Schnapsflasche
ging ich umher; und immer, wenn mir eine Spinne zu nahe kam, erschlug ich sie
mit dem Boden der Flasche. Zurück blieben die zerstörten schwarzen
Körper.
Dieser Traum war so simpel,
seine Deutung ist so naheliegend,
dass ich glaube,
hinter seiner Einfachheit
muss
etwas
Anderes
verborgen
sein.
Irgend etwas
Anderes,
das ich
nicht
wissen
will.
Das geometrische Licht
Zuweilen, wenn ich in der Nacht
mit aufgeblendeten Scheinwerfern
an einem dunklen Haus vorüberfahre –
Fenster unerleuchtet,
Jalousien nicht heruntergelassen –
male ich mir aus, dass hinter einem dieser Fenster
jemand im Bett liegt …..
schlaflos
allein
mit offenen Augen in die Fastdunkelheit starrend.
In Gedanken & Wachträumen gefangen. – –
Und plötzlich
gleitet mein Fernlicht als geometrische Figur
über die Wände des Zimmers ….
über die Tapete
über die Bilder
über die Zwischenräume
über die Leere ….
Eine geometrische Figur, die
womöglich
Assoziationen weckt
andere Gedanken
andere Träume –
Erinnerungen …..
Bevor sie das Zimmer wieder verlässt.
Vielleicht hätte ich langsamer fahren sollen.
Vielleicht hätte ich anhalten sollen.
Meist fahre ich zu schnell.
Und die Fastdunkelheit, die nach dem
Fernlicht kommt, erscheint dem starrenden Auge
wie Finsternis.


