Beine & Farben

Als sie meiner Großmutter die Beine abnahmen, saß ich in meinem Kellerzimmer & las „Schwarze Spiegel“. Ich war 19.
Sie lebte in Aachen. Die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte sie dort. Ich wurde in Aachen geboren, verlebte meine ersten 9 Jahre dort. Meine Großmutter wurde zur Witwe, als ich 3 war. Sie lebte danach in einer kleinen Parterre-Wohnung voller Bücher. Das Fenster des Wohnzimmers ging auf die Straße hinaus; hinter den Gardinen standen einige Blumentöpfe & 2 durchsichtige Plastikbecher mit Wasser, einer rot, der andere hellgrün. Wenn ich sie besuchte (& bis wir fortzogen, tat ich das häufig), schaute ich immer als erstes von draußen in dieses Fenster. Sobald die Sonne durch das Glas auf die Becher schien, war es, als ob sie von innen leuchteten. Von diesem Anblick, diesen Farben konnte ich einfach nicht genug bekommen; damals war mein Schädel noch genau so sonnig, so bunt, so leuchtend. Diese Becher waren meine Kindheit. Das kleine, uralte Radio, das zwischen all den Büchern im Regal stand, war ebenfalls meine Kindheit. Die Skalen hatten eine so warme Beleuchtung.
Meine Großmutter war, so kam es mir zumindest vor, ständig in der Welt unterwegs. Sie verreiste mehrmals im Jahr & schien alles schon mal gesehen zu haben. – Und sie kaufte sich einen Farbfernseher, bevor es Farbfernsehen gab. Wir hatten zuhause noch ein altes Schwarzweißgerät. Deshalb versammelte sich die gesamte Familie an dem historischen Tag in dieser kleinen Wohnung & schaute zu, wie Willy Brandt (asynchron) auf den Knopf, der wie ein Buzzer aussah, drückte. Und wieder: Farben; Buntheit. – Vielleicht besuchte ich sie danach sogar noch häufiger -: Bonanza in Farbe!
Da wir in Aachen wohnten, gingen wir bei jeder Gelegenheit zum Reitturnier. Springreiten. Bunte Hindernisse. Rote Jacken, schwarze Käppis, schöne Pferde, ‚berühmte‘ Reiter. (Damals wusste man noch nichts von den grausamen Trainingsmethoden.) – Stundenlang saßen wir auf den Tribünen & notierten die Fehlerpunkte auf vorgedruckten Karten. Es war lächerlich, aber ich war mit vollem KinderErnst dabei.
Dann zogen wir fort & hatten unseren eigenen Farbfernseher. Ab dem Zeitpunkt besuchte meine Großmutter uns, und ich sah die kleine Wohnung nicht wieder. Abgeschlossenes Kapitel.
Am Reitturnier verlor ich das Interesse. Mein Vater starb. Meine Mutter & ich zogen noch weiter fort; mein Bruder, 10 Jahre älter als ich, blieb zurück. – Die Großmutter kam nur selten zu Besuch. Sie bekam Parkinson. Schrieb mir Karten in fast unleserlicher Handschrift. Ich antwortete immer seltener. Driftete allmählich in die Hoch-Zeit meiner Verwirrung & Egozentrik. Rastete häufiger aus als ein.
Eine Tante, Schwester meines Vaters, kümmerte sich um die Großmutter – ihre Mutter -; nahm sie zu sich. Verfall. Die Großmutter schiss der Tante, der Tochter, das Sofa voll. Zitterte. Und – ging weiterhin zum Reitturnier. Eines Tages stürzte sie auf der Tribüne & schlug sich die Knie auf. Später sagten die Ärzte, dass dieser Sturz wohl den Knochenkrebs zum Ausbruch gebracht hatte. Dann sägten sie ihr die Beine ab. Es war völlig sinnlos. Der Krebs war längst überall. Für die wenigen Monate, die ihr noch blieben, hätte man sie auch am Stück lassen können.
Am Tag ihrer Beerdigung las ich „Kaff“.
Großvater: Lungenkrebs. Blutiger Auswurf.
Vater: Prostatakrebs. Blutiges Sperma.
Großmutter: Knochenkrebs. Blutiges Mark.
Schäferhund: Hautkrebs. Blutige Wunden.

Meine Mutter hatte grauenhafte Krampfadern.
Blaurote Landkarten mit blauen Flüssen. Offene Beine, als sie um die 40 war. Ständig mussten ihre Beine bandagiert werden. Blutflecken auf den Bandagen, Rot auf Weiß. Ihre Hände waren rauh, rissig, von Ekzemen übersät. Faltig, als hätte man ihr die Hände einer alten Frau angenäht. Sie hatte Asthma. Als ich 14 war, mein Vater war seit einem Jahr tot, bekam sie einen derartigen Anfall, dass Notarzt & Krankenwagen kamen. Bewußtlos wurde sie herausgetragen. Ihr Gesicht war eine Mischung aus Grün & Blau & Violett. Blaulicht, Sirene, Intensivstation. Ich besuchte sie nicht. Es war das Krankenhaus, in dem mein Vater gestorben war.
Es war knapp, aber sie überlebte. Danach kam der zweite Umzug. Und ich – noch weiter gedriftet – landete für 11 Tage in der Klapsmühle. Begann mit 18 einen Roman darüber zu schreiben. Beendete ihn nicht. Wie so vieles in meinem Leben.
Meine Mutter blieb allein. So wie meine Großmutter allein geblieben war.
Mit zunehmendem Alter besserten sich die Krankheiten meiner Mutter. Keine wirklich schweren Asthmaanfälle mehr. Kaum noch Krampfadern. Weniger Risse an den Händen.
Irgendwann fing sie an, beim Gehen zu schlurfen. Ich hasse es, wenn jemand schlurft, die Füße nicht hebt; das Geräusch geht mir auf die Nerven. Ein Schaben über den Boden, das mich an das Sargdeckelkratzen eines Lebendig-Begrabenen denken lässt. – Nun gut, es war das erste Symptom ihrer Parkinson-Erkrankung. Das war eine Entschuldigung. Schlimmere Geräusche folgten. Die Geräusche ihrer Stürze. Da mein Bruder sich um nichts kümmerte, kümmerte ich mich.
Ich schlief tagsüber. Und dieser Schlaf wurde immer seichter. Ständige Alarmbereitschaft. Dumpfes Donnern schreckte mich auf. Dann war sie wieder irgendwo mitsamt ihrem Rollator aufgeschlagen & kam nicht mehr hoch. Oder Gegenstände schepperten, krachten, splitterten zu Boden. Jahr um Jahr zitterten sich meine Nerven in einen schwarzen Abgrund. Schlafentzug. Immer häufiger brauste ich auf. Poe schien mich erfunden zu haben. Allein sein. Allein sein. Ich wünschte mir: Allein zu sein.
Mit 70 sah sie aus wie 90. Und sie bekam Wasser in die Beine.
Eines Morgens kam ich von der Arbeit nach Hause. Sie hatte die ganze Nacht auf dem Fußboden verbracht. Oberschenkelhalsbruch.
Stunde um Stunde verbrachte ich in den diversen Kliniken, in die sie kam. Jahr um Jahr.
Schließlich senkte sich ihre Gebärmutter. Sie trug einen Ring, der die Gebärmutter zurückhalten sollte. Irgendwann saß der Ring so fest, dass er nicht mehr herausgenommen werden konnte. Eine Operation wurde notwendig. Eine harmlose Operation.
Harmlos, wenn die Embolie nicht gewesen wäre.
Am Tag ihrer Beerdigung las ich „Tod auf Kredit“. Die Urne, die ich ausgesucht hatte, war von einem Rot, das mich an das Rot des Plastikbechers im Fenster meiner Großmutter erinnerte. Nur etwas dunkler.
Ich war allein. Meine Nerven erholten sich.
Beim Aufräumen fand ich einen Vibrator, den sie sich ein halbes Jahr vor ihrem Tod bei Quelle bestellt hatte. (Manchmal hatte ich Nachts ein Geräusch gehört, dass ich mir nicht hatte erklären können….)

Ich war immer schlecht in Mathe gewesen.
Dann traf mein Gehirn auf das Gehirn eines Lehrers, das meines erkannte – & es wusste, wie ihm Abstraktes zu vermitteln sei. Er hatte kurze Beine, denn auch die unumstößliche Wahrheit kann kurze Beine haben. Er trug den Bart eines Seemanns, von einer Schläfe zur anderen. Ich wurde zum besten Matheschüler. Gab es einen 5-Minuten-Lösungsweg für eine Gleichung, fand ich einen Weg, der mich 4 Stunden kostete; und er sagte: „Das ist zu kompliziert für diese Klasse – das lassen wir jetzt lieber.“ Und er lächelte. Er konnte aufbrausen wie mein Vater, und selbst dafür mochte ich ihn. Bei einem Schulausflug sah ich, wie liebevoll er mit seinen Söhnen umging. Und ich beneidete die Söhne.
Eines Tages sagten wir Schüler: „Der ist aber gut gelaunt heute. Und so braun. Er sieht erholt aus.“ …….
Die Bräune kam – vom Leberkrebs.
Ich warf einen bunten Blumenstrauß auf seinen braunen Sarg.
Und – ich wurde wieder schlecht in Mathe.

Die buntesten Filme meiner Kindheit waren die Horrorfilme der Hammer Studios. Alles Grün, alles Rot, alles Blau. Christopher Lee mit roten Augen. –
Doch – mein Favorit bis heute ist: Peter Cushing. Peter Cushing hatte O-Beine. Ich las Bücher über ihn. Las immer wieder: der netteste, freundlichste Mensch überhaupt ….. Da wünschte ich mir, er wäre mein Vater gewesen…… Mein Vater schwang die Hundepeitsche. Die Hundeleine. Den Stock. Die Hand.
Peter Cushing hatte blaue Augen. Und er starb an Prostatakrebs.

Die Frau meines Bruders hatte perfekte Beine.
Und sie trug die kürzesten Röcke, die kürzesten Kleider, die knappsten Hotpants. Es waren die Siebziger, und ich bekam jedesmal einen Ständer, wenn ich diese Beine sah. Die Kleider waren bunt, und die Schenkel waren braun – aber nicht zu braun; sie hatten den perfekten Farbton. Und ihre Slips waren weiß (manchmal auch durchsichtig), das heißt sie bargen alle Farben in sich, und der Kontrast zu ihrer Haut hätte nicht feiner abgestimmt sein können.
Aber verliebt hatte ich mich schon, bevor ich ihre Beine sah. In ihre Augen. Grün mit kleinen braunen Tupfen. Ein Grün, das mich an das Grün des Plastikbechers im Fenster meiner Großmutter erinnerte. Nur etwas dunkler.
Da ich so jung war – es war das Jahr des Asthmaanfalls, und sie war 18 – dauerte es ein paar Jahre, bis das große Chaos begann. Bis niemand sich mehr wehren konnte. Bis niemand mehr von Freiem Willen hätte faseln können. Und ich schrieb & schrieb & schrieb. 300, 400 Songs; und Stories; und Gedichte; und sie malte, und dann schrieben wir uns Zettel; und Briefe……. Es fing an, was nicht aufhören konnte. Nicht aufhören konnte nach dem Ende. Nicht aufhören konnte nach dem Tod der einen oder des anderen. Oder des: Anderen. Es war wundervoll, wie es unser aller Leben zerstörte. Scheiss auf alles: Andere!
Und es bleibt immer etwas übrig, das man noch weiter zerstören kann. Selbst zerstören kann. Eine Resterampe, eine schiefe Ebene, die noch weiter hinunter führt.
Als ich sie – nach Jahrzehnten? – bei der Beerdigung meiner Mutter wiedersah (sie trug lange, schwarze Hosen), hatte sie den Gebärmutterkrebs schon hinter sich. Ich erfuhr es erst später, als -:

Sie rief an. Wir hatten seit Jahren nichts voneinander gehört.
„Du wunderst dich sicher“, sagte sie.
„Allerdings.“
„Ich weiß, es klingt blöd, aber ich wollte hören, wie’s dir geht; vor ein paar Tagen hatte ich plötzlich so’n komisches Gefühl. Als ob irgendwas mit dir ist.“
Ihre Stimme war nicht gealtert.
„Alles okay“, sagte ich.
„Wirklich?“
„Ja. Ich war einen Tag lang im Krankenhaus, war harmlos.“
„Siehst du, ich hab mich also nicht geirrt. Was war?“
„Verdacht auf Schlaganfall.“ Ich hörte, wie sie tief einatmete. „Falscher Alarm, ist alles wieder in Ordnung.“
„Aber wie?….“
„Bin mit nem tauben Gefühl in der linken Gesichtshälfte aufgewacht, und mit nem Wahnsinnsdröhnen im linken Ohr. Die haben dann 1000 Tests gemacht & meinten, das sei wohl nur sowas wie ein Streßsymptom. Haben mir ne Infusion verpaßt, und alles war wieder schön.“
„Streß?“ sagte sie.
„Ja, witzig, nicht? Ich & Streß. Ich hab denen natürlich nicht erzählt, wieviel ich trinke.“
Ich hörte wieder, wie sie tief einatmete. „Trinkst du so viel?“
„Es geht.“
„Gibt es jemanden?“
„Nein.“
„Willst du dich immer noch umbringen?“
„Ich arbeite dran, aber du siehst ja, es zieht sich.“
„Das ist nicht komisch“, sagte sie.
„Eigentlich nicht. Aber irgendwie schon. Du weißt doch, dass ich das Leben nicht so ganz für voll nehmen kann.“
„Nein, das weiß ich nicht.“
„Okay, früher war’s anders, aber früher war ja alles anders.“
„Bin ich schuld?“
„Blödsinn. Die Umstände. Und wir beide.“
„Ich zieh mir den Schuh auch nicht an“, sagte sie.
„Sollst du ja auch nicht. Du gefällst mir barfuß eh besser.“
Sie lachte. Verhalten.
Ich sagte: „Erzähl mal lieber was von dir.“
„Da gibt’s nichts“, sagte sie.
„Nichts? In all den Jahren?“
„Findest du’s blöd, dass ich angerufen habe?“
„Nein. Ich find’s schön.“
„Hast du mich noch lieb?“
„Was soll ich denn darauf sagen?“
„Ja oder nein, ganz einfach.“
„Natürlich.“
„So wie früher?“
„Nichts ist so wie früher. Ich hab dir doch schon mal gesagt, dass ich irgendwie innerlich tot bin.“
„Und dass ich es schuld bin“, sagte sie.
„Hab ich mal gesagt, aber das ist zu einfach.“
„Eben.“
„Ich fänd’s toll, wenn du öfters anrufen würdest“, sagte ich.
„Und dann?“
„Einfach quatschen.“
„Du meinst Small-Talk?“
„Warum nicht? Zum Beispiel. Nett plaudern.“
„Das kann ich nicht“, sagte sie.
„Warum?“
Nie zuvor hatte sie große Worte benutzt.
„Scheiße“, sagte sie, „ich kann nicht mit der Großen Liebe meines Lebens telefonieren & Small-Talk machen.“
„Puh.“
„Siehst du, da fällt dir nichts mehr ein.“
„Das muss ich erstmal sacken lassen“, sagte ich.
Sie sagte: „Ich war vor ein paar Jahren auch im Krankenhaus.“
Ich ahnte etwas. „Was war?“ fragte ich.
„Etwas Ernsteres, ich war ziemlich lange da.“
„Was?“
„Ist inzwischen wieder okay.“
„Was, habe ich gefragt.“
„Wenn du das Wort unbedingt hören willst: Krebs.“
Mein Herz fing an zu rasen. Mein totes Herz. Ich konnte dieses Wort nicht mehr ertragen. Selbst das Sternbild hasste ich.
„Und du hast mir nicht Bescheid gesagt, oder Bescheid geben lassen?“
„Und dann?“ sagte sie. „Du wärst ja doch nicht gekommen.“
„Wieso sagst du das?“
„Weil’s so ist.“
„Ich weiß das nicht mal selber; aber ich glaube schon, dass ich zu dir gefahren wäre.“
„Egal, ist eh vorbei.“
„Erzähl.“
„Was willst du wissen.“
„Alles“, sagte ich.
Sie erzählte. Sie erzählte von den Operationen … von den Schmerzen … von Komplikationen … inneren Blutungen … Sie erzählte von den Schmerzen … von der Ohnmacht … von der Hoffnungslosigkeit … Sie erzählte von der Hölle … & immer wieder von den Schmerzen …
„Und er war immer da“, sagte sie. „Das muss ich ihm lassen. Es muss schwer für ihn gewesen sein. Oft, wenn ich halb weg war, wenn es mir besonders dreckig ging, habe ich deinen Namen gerufen … Kannst du dir vorstellen, wie er sich dabei gefühlt haben muss?“
Ich goß mir einen großen Gin ein. „Ja“, sagte ich, „vielleicht.“
Sie hatte meinen Namen gerufen. Immer wieder. Ich hatte nichts gespürt. In meinem Leben. Nichts geahnt. In meinem Parallel-Universum.
„Er hätte mir Bescheid geben können“, sagte ich.
„Hätte er. Aber weißt du, das Schlimmste kommt noch.“
„Was meinst du?“
„Vor kurzem dachte ich mal, dass er stirbt.“
„Was war denn?“
„Es war nicht so ernst, wie ich dachte. Wichtig ist, dass ich es wirklich geglaubt habe. Und weißt du was – ich hab mich gefreut bei dem Gedanken. Kannst du dir das vorstellen? Gefreut. Ich hab mich so beschissen gefühlt. Ich hab mich gefreut, weil ich nur an dich dachte.“
„Oh Mann, du erschlägst mich gerade“, sagte ich.
„Tja, ich kann’s nicht ändern, da musst du durch. Oder soll ich auflegen?“
„Du spinnst. Natürlich nicht.“
„Kann aber sein, dass ich’s gleich muss. Also, wunder dich nicht, wenn ich einfach auflege, er kann jede Minute zurück sein.“
„Versprich mir, dass du von jetzt an, immer wenn etwas ist, mir Bescheid gibst, oder geben lässt.“
„Willst du das wirklich?“ sagte sie.
„Ich würde es sonst nicht sagen. Klar?“
„Ok. Klar. Versprochen. – Ich sehe übrigens nicht mehr so aus wie früher.“
„Was meinst du?“
„Na ja, das ist alles nicht spurlos an mir vorüber gegangen.“
„Ich seh auch nicht aus wie früher“, sagte ich.
Sie lachte. „Ich bin jetzt zu alt für dich“, sagte sie.
„Du hast immer gesagt, dass du zu alt für mich bist. Falls du dich erinnerst.“
„Ich erinnere mich. Und das stimmte ja auch.“
„Blödsinn.“
Sie sagte: „Kein Blödsinn. Du darfst nicht vergessen, dass“
Sie legte auf.
Ich trank meinen Gin.
Und noch einen.
Und noch einen.
Sie rief nicht wieder an.

Einer meiner 3 Schreibtische steht vor einem Fenster. Ein Fenster, durch das ich auf Unkraut blicke. Das Unkraut ist grün. Grün wie die Cordjacke von Little Joe (Manchmal trug er auch eine rote. Im Nach-Spiel mit meinem Bruder war ich Little Joe, mein Bruder war Ben Cartwright – Michael Landon starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs; woran starb Lorne Greene?). Vor der Scheibe, am Fensterrahmen befestigt, hängt eine Glasmalerei. Sie stammt von ihr. Ein seltsames Wesen mit Flügeln ist darauf zu sehen. Schwarz auf Glas. Dieses Wesen hat keine Beine. Weil es keine Beine braucht.
Ich höre Ella Fitzgerald. Ich habe keine Lust in den Keller zu gehen. Ich habe keine Lust zu lesen. Manchmal blute ich rot … aus allen Körperöffnungen. Und auch ich habe Krampfadern. Welchen Absinth soll ich trinken? Es gibt ihn grün, es gibt ihn rot.
[Ich überlese, was ich geschrieben habe – – – Ich denke: Das kann nicht wahr sein! – Doch ich weiß: es ist wahr.]
Ich höre Hundegebell. Ich höre Pferdehufe. Gedanken driften. Pferdeäpfel sind braun.(Pferdeschmiede hämmern). Gleichungen löse ich nicht. U ist ungleich X.
Ich denke an die Beine meiner Großmutter. – – Wo hatten sie die Beine hingetan, nachdem sie
sie abgesägt hatten?


2 responses to “Beine & Farben

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