Der Schlagerstar

Der Schlagerstar saß
in der Hotelbar.
Es war nach seinem Konzert.
Der Barkeeper kam zu mir
an die Rezeption.
»Der gibt sich ordentlich die Kante«,
flüsterte er. »Und die Ische da neben ihm
scheint’n Groupie zu sein; sieht geil aus,
aber redet einen unglaublichen Müll zusammen.«
„Wie interessant», sagte ich, »ich glaub,
ich muss gleich
gähnen.«
Der Barkeeper grinste.
»Na ja, ich kann ihn auch nicht leiden.«
Er ging zurück in die Bar.
Wieder klapperte Eis im Shaker.
Die anderen Gäste schauten
ab & zu
verstohlen
in Richtung der Berühmtheit.
Ich tat, was man so tun muss
als Nachtportier.
Genervt von der schrecklichen Musik, die es
in jedem Hotel gibt.
Irgendwann kam die Berühmtheit
aus der Bar; ihr Blick war
verschwommen;
leicht unsicher
durchquerte sie die Lobby
& verschwand im Aufzug.
Der Aufzug fuhr nach oben.
Ein paar Minuten später
kam die Frau aus der Bar.
Der Gang ihres Minirocks war
sicher & bestimmt.
Ich blickte ihr hinterher, während sie
klack! klack! klack!
auf denselben Aufzug zuging.
Die Türen schlossen sich.
Ich schaute in die Bar,
der Kollege grinste mich an. Ich
hievte eine Augenbraue in Richtung Stirn.
Klock … Klock … Klock … machte die
altmodische Uhr hinter mir.
Ich achtete nicht auf die Zeit; aber
es dauerte nicht allzu lange, bis
die Frau wieder aus dem Aufzug trat,
mich anlächelte &
klack! klack! klack!
zurück in die Bar ging.
Sie setzte sich an die Theke, bestellte
etwas & plauderte
mit dem Barkeeper.
Ich tat, was man so tun muss
als Nachtportier.
Als die Bar sich endlich geleert hatte,
die Lichter waren aus, kam
der Kollege zu mir. Er setzte sich.
Auch die schreckliche Musik war aus.
»Mannomann«, sagte er, »die hatte
echt einen an der Waffel. Hat erzählt,
dass der die Frauen durchnummeriert …
seine ganzen Groupies, und sie fand das
richtig toll,
die Nummer so&so gewesen zu sein.«
»Hmm.«
»Der Fick selber soll aber wohl
ein bisschen unter dem Alkoholkonsum
gelitten haben.«
»Wie in…«
»Interessant, ich weiß.«
»Genau«, sagte ich.
Dann wechselten wir das Thema.

2 Nächte später.
Gegen 4 Uhr der übliche Aufprall
der Zeitungen vor dem Eingang.
Ich holte den Stapel herein, schnitt
die Bänder auf, verteilte die Zeitungen
im Ständer.
Den meisten Dreck an die Fingerkuppen
bekam man immer von der BILD-Zeitung.
Ich musste mir jedes Mal die Hände
waschen nach dem Einsortieren.
Auf der Titelseite war das Foto
einer Schauspielerin. Sie war
die Ehefrau des Schlagerstars.
An die Überschrift erinnere ich mich
nicht mehr genau (es ist sehr lange her);
es war wohl irgend etwas in der Art:
„Die Große Liebe veränderte ihr Leben“
oder
„Wie sie ihn zähmte“.
Der übliche Müll eben.
Ich überflog den Artikel.
Nun doch leicht interessiert.
Er beschrieb das noch junge Glück …
Den früher so unsoliden Lebenswandel
des Sängers … Die Frauen … Den Alkohol …
Aber jetzt …
Jetzt war ALLES ALLES anders! …
Er war treu, endlich! … Hatte
dem Alkohol entsagt, endlich!
Friede, Freude, Omelette!
Ich faltete die Zeitung wieder so, dass sie
ungelesen aussah, tat sie zu den anderen &
ging mir die Hände waschen.
Ich glaube, ich grinste dabei.
Dichtung & Wahrheit, dachte ich.

Es dauerte ein paar Jahre, bis
von der Scheidung berichtet wurde.
Wieder musste ich
mir die Hände waschen.


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