Steppende Ratten

 
Wie so oft lag ich
im Bett. Im Kopf
Gedichte, Sex & Essen.
Und ich verfolgte
die Berichterstattung über wütende
Unwetter. Unwetter, die woanders stattfanden.
Und ich dachte: Wie schön ist es doch,
in einer gemäßigten Zone zu leben. In
einer Gegend, wo die Natur sich noch zu benehmen weiß.
Und einen in Ruhe lässt (solange sie nicht
in Gestalt von Menschen auftritt).
Still still still war alles – & ich hatte den Ton
abgedreht, während ich den Bildersturm im Fernseher betrachtete.
Sex. Gedichte. Essen. Das ist mir genug
Natur. Ich war satt, geil & träge.
Als der Tanz begann.
Ein Geräusch, an das ich mich nicht erinnern konnte,
obwohl ich es kennen musste. Aus ferner Vergangenheit.
Schläge, die auf mein Haus herniederfielen. Auf meinen
Schutz. Meinen Panzer vor der Außenwelt. Den Donner erkannte
ich. Den Regen erkannte ich. Aber den Hagel erahnte ich nur.
Schrapnellgleich. Ich verließ das Bett. Ging in die Küche. Zog
das Rouleau, das immer herunter
gelassen ist, halb hoch…..
Düsternis; die Schraffur der Regenstriche,
das Fließen der Straße, das Spritzen des Wassers
& die weißen Geschosse, die auf den Asphalt prasseln
aus einem schwarzen Rachehimmel. Bäume & Sträucher
wogen, Alles peitscht & schießt; schlägt & kracht & rauscht.
Und die Geräusche des Regens, das Geschepper des Hagels erreichen den Dachboden
nach dem Splittern des Fensters dort oben. Die Natur kommt näher,
so wie die Einschläge näher kommen, und im Keller steigt das Wasser
aus dem Gully, aus dem Rohr, durch das
die Scheiße schwimmt. Über die Leiter & durch die Luke
klettere ich auf den Dachboden, über die Treppe steige ich hinab
in den Keller. Wasser hier, Wasser dort. Ich schöpfe, wische, stelle
Gefäße auf & warte. Warte, dass es vorüber
geht. Im Keller umspült das Dreckwasser die Stapel alter Zeit
schriften. Magazine mit nackten Frauen auf den Titelseiten. Auf
einigen liegt noch der Ruß eines vergangenen Brandes (eine
andere Geschichte, doch auch dies: Natur). Alte Teppiche
saugen sich voll, während ich mich zu erinnern suche; ich versuche mich
zu erinnern, wann ich zuletzt Hagel erlebte. Ich kann es nicht. Es ist zu lange her. Oder zu erfolgreich
habe ich es verdrängt. Bewegung. So viel Bewegung hatte ich lange nicht.
Und dann
lag ich wieder im Bett. Ruhiger geworden. Alles
war ruhiger geworden. Gelassener. Doch nicht still.
Die Bilder aus der Ferne waren gestört. Die Signale gestört
durch den Regen, der allmählich nachließ. Kein Empfang. Woanders
war alles schlimmer. Gewesen. Woanders ist immer alles
schlimmer. Hofft man.
Durch das zerstörte Fenster im Dach fiel
der Regen. Der Regen fiel
in das Gefäß darunter. Eine Kiste
aus Plastik. Und solange die Kiste fast leer war –
hatten die Tropfen einen eigentümlichen Klang.
Ich lauschte diesem Klang; im Bett, unter der Decke.
Es war nur der Regen. Über der Decke. Doch sein Klang erinnerte mich an
Ratten. Ratten auf dem Dachboden. Tanzende Ratten. Ratten
in Holzschuhen. Steppende Ratten. In einem Ballett oder
Musical. Titel: Das Leben. Denn aus jedem Dreck, aus jedem Scheiß
kann man noch Etwas machen. Etwas. Solange einem nicht
Alles vergeht – & die Poesie nicht gänzlich hinweggespült wird.
In irgendeinem Keller. Durch irgendeinen Gully.
Und vielleicht ist das besser
als in einer gemäßigten Zone
zu leben. Falls
es die überhaupt gibt.


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