Immer wenn ich auf den Eingang des Pornokinos zuging, hatte ich das Gefühl, die Passanten beobachteten mich. Ich war jung, es war mir etwas peinlich. Einmal riefen mir 2 Typen meines Alters hinterher:
„Was willst du da? Das is für alte Männer, ey! Komm lieber mit uns!“
2 Schwule, dachte ich, die noch einen 3. Mann suchen. Aber ich bin nicht Orson Welles.
Ich machte, dass ich die Treppe runterkam. Das Kino lag im Keller.
Tja, was wollte ich hier? Gute Frage. – Ich war der Filmvorführer. Damals wurden Pornos noch auf 35 mm gedreht & und handelten hauptsächlich von behaarten Menschen. Noch nicht einmal Video gab es; allenfalls hatten die Leute Super8-Projektoren zuhause & kurze dänische Filmchen.
Es war ein sehr großer, altmodischer Kinosaal mit uralten Klappsitzen; immer 2 zusammen, und dann kam ein Tischchen, auf dem es einen kleinen Abfalleimer & ein Päckchen Papiertaschentücher gab. Keine Platzanweiser. Es liefen immer 2 Filme im Wechsel. Zwischen den Filmen streifte sich die Frau, die ansonsten an der Kasse saß, einen Gummihandschuh über, schnappte sich eine Plastiktüte & die sogenannte Spermabürste. Ich zog das Licht ein bisschen hoch, und sie ging durch die Reihen, sammelte die vollgewichsten Tücher ein & strich, wo es nötig war, mit der Bürste über die Sitze. An der Kasse hing solange das Schild: Bitte warten! Bin gleich wieder da!
Ich fand es interessant, durch mein Fensterchen die Silhouetten der Leute zu beobachten, während neben mir der Projektor ordentlich Lärm machte. 2 alte Projektoren standen nebeneinander, man musste von Hand überblenden; aber immerhin passten hier Spulen drauf, die ca. 45 Minuten lang liefen, so dass man es während eines Films nur einmal machen musste. Ich hatte auch schon mit Projektoren gearbeitet, auf die nur 20min-Spulen passten.
Natürlich kamen hauptsächlich Männer mittleren Alters. Aber durchaus, vor allem abends, auch Pärchen. Ich sah die beiden Schattenköpfe im Gegenlicht des Films, und irgendwann verschwand dann immer der Kopf der Frau nach unten. In der letzten Reihe wurde manchmal auch gefickt, aber die konnte ich von meiner Warte aus nicht überblicken. Frauen, die alleine kamen, gab es nicht. Oder ich habe sie verpasst.
Gelegentlich machte ich mir den Spaß & setzte mich selber ins Kino. In eine Reihe, in der ein Paar saß. Dann holte ich meinen Schwanz raus, lies ihn ein bisschen in der unfrischen Luft stehen & freute mich, wenn die Frau ihn betrachtete. Ich war schon damals viel allein, wie man sieht. Den Männern, sofern sie es überhaupt mitbekamen, war das egal. Meistens holte ich mir dabei keinen runter. Des öfteren passierte es, dass sich sofort irgend ein älterer Herr neben mich setzte & anfing heftig zu wichsen. Dann packte ich schnell ein & verzog mich wieder in meinen Vorführraum. Ich war noch etwas zimperlich damals.
Man konnte solange in dem Kino bleiben, wie man wollte, und nicht wenige sahen sich die beiden Filme mehrmals an; verbrachten den halben Tag dort. Manche der Schattenköpfe waren sehr einsam….
Hin & wieder musste ich noch in 2 anderen Kinos einspringen, die demselben Eigentümer gehörten & und sich ein paar Straßen weiter befanden. Dort liefen normale Filme.
Wenn ich Pech hatte & zuviele Kollegen krank geworden waren, musste ich wie ein Sprinter zwischen den Kinos hin & her rennen, um rechtzeitig zur Überblendung am jeweils richtigen Ort zu sein. Irgendwie schaffte ich’s immer. Und meine Gebete, dass der Film im soeben vorführerlosen Kino nicht reissen möge, wurden auch erhört.
Dann hatte ich eine Idee. Wie wäre es, in einen der normalen Filme einen kleinen, passenden Pornomoment einzufügen? Nichts wäre leichter gewesen; schließlich musste man ständig an den Filmen herumschnippeln. Deshalb gab es damals so viele schlechte, holprige Kopien mit vielen Jumpcuts. Geliefert wurden die Filme immer in sogenannten Akten von 10 bis 15 Minuten; erst der Vorführer fügte sie zusammen. Wenn man allzu verkratzte Stellen herausschneiden wollte, steckte man dort einfach ein Stückchen Papier in die sich drehende Spule, um sie später wiederzufinden.
Mir schwebte zum Beispiel eine Restaurantszene in irgendeinem Beziehungsdrama vor. Das Paar sitzt am Tisch, ißt & diskutiert…. Es gab da diesen Porno (leider habe ich seinen Titel vergessen), wo ein Ober vor den Gästen auf einen Salat wichst. Das hätte man wunderbar einbauen können; zumindest den Cumshot in Großaufnahme. Dieser grandiose Film hatte auch eine Szene, wo eine Restaurantbesucherin in die Küche geht & dort in eine Rührschüssel pisst. Das hätte gut in einen Autorenfilm gepasst. Fand ich. Ich überlegte mir, wie weit ich FSK-technisch gehen könnte. Und was wohl am besten in einen Walt-Disney-Film passen würde.
Das Ganze hatte einen Haken: Ich brauchte den Job. Natürlich hätte ich auch mit dem Unterbewußtsein der Kinogänger experimentieren können. Es wäre möglich gewesen, nur wenige Frames einzufügen, so dass man sie nicht bewußt wahrgenommen hätte, wohl aber unbewußt. Ich stellte mir vor, dass der Familienvater sich morgens vielleicht wundern würde, warum er von einem spritzenden Schwanz geträumt hatte (Bin ich also doch schwul, wie Mutti immer gesagt hat?)
Ich fragte mich, wieviele Einzelbilder ich bei 24 Bildern pro Sekunde wohl würde nehmen müssen….
Was soll ich sagen, ich tat es nicht. Der Job war mir wichtiger. Ich blieb schön artig. Dort in meinem Kabuff bei den ratternden Projektoren. Ab & zu holte ich mir einen runter, und während die anderen wichsten, las ich den Ulysses.
Kurz bevor ich kündigte, hätte ich es noch tun können; aber vielleicht hätte man mir dann den Lohn gekürzt.
Und ich brauchte das Geld. Für Bücher, Essen & Alkohol.
20. Juni 2011
Pornoschnipsel
Von flederzombie
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am Montag, 20. Juni 2011 um 01:19 und getaggt mit Alkohol, Film, Kino, Kultur, Sex, Stories und veröffentlicht in Alles, Autobiographische Prosa, Erotik/Sex (eine Auswahl). Du kannst den Antworten zu diesem Eintrag per RSS 2.0-Feed folgen.
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