Tagesarchiv: 18. Juni 2011

Handgranaten

Nachts wachte sie in ihrer Wohnung
im 3. Stock
Schwere Eisenfesseln an ihren Fußgelenken
an ihrem Hals
Die Ketten dieser Fesseln waren
im Nichts befestigt
Wer sie ihr angelegt hatte
wußte die junge Frau nicht

Das kleine verzweifelte verstörte
verängstigte Mädchen saß am
Schreibtisch & bastelte
Bastelte Handgranaten
Handgranaten aus Wörtern
Wunderschöne Zerstörer
wie nur dieses Mädchen sie
basteln konnte

einzigartig

Wenn das Mädchen fertig war
nahm die Frau die Handgranaten
löschte das Licht, öffnete das Fenster
& warf sie in die Nacht hinaus

Alles sollte zerstört werden
alles vernichtet zerrissen zerfetzt werden

Aber die Nacht war gleichgültig
die Granaten detonierten nicht
sie prallten ab an der Gleichgültigkeit
& blieben liegen

Schön & scheinbar nutzlos lagen sie
auf der Straße &
wenn der Morgen kam waren sie
zu Staub zerfallen. –

Ich ging durch die Straßen
es war Nacht
ein leichter Nieselregen fiel
Die Straßen waren nass
Laternenlicht schimmerte in Pfützen
Alles war still
kaum ein Fenster erleuchtet

Ich war ziellos wie immer
allein wie immer
atmete wie immer
verloren in Gedanken
wie immer

Die Luft war angenehm
Katzen waren unterwegs
Der Mond eine nehmende Sichel
(ab- oder zu- war mir egal)

In einer der Straßen war nur noch 1 Fenster
erleuchtet, ich sah es von weitem
fantasierte über eine glückliche Familie
die dort vielleicht noch zusammensaß
alle lachten & niemand fühlte sich
einsam
während ringsum alles schlief

Ich ging weiter

Der Regen wurde stärker
Das erleuchtete 4eck in der Häuserfront
wurde dunkel

Das Fenster ging auf
ich war nicht mehr weit entfernt
Etwas flog aus der finsteren Öffnung
wie der Ball eines Kindes
klein & dunkel & stumm fiel es durchs Laternenlicht
Wie ein schwerer Gegenstand blieb es
auf der Straße liegen
Der Aufprall machte kaum ein Geräusch

Sofort folgten weitere
Sie landeten überall
auf dem Bürgersteig
auf Autos
auf Müllcontainern
Sie hinterließen keine Spuren

Ich kam näher
Ich hatte keine Angst
Mir war alles egal
in dieser Nacht
wie in den meisten Nächten

Ich sah
dass die Gegenstände schön waren
Ich hätte sie nicht beschreiben können
Ich hatte nie etwas Ähnliches gesehen
Aber ich wußte
wie sie entstanden waren
Ich wußte
warum sie entstanden waren
Ich wußte
was sie bedeuteten
Ich wußte
was sie bezwecken sollten

Ich ging noch ein Stück weiter
& wurde getroffen

Mein Bauch wurde aufgerissen
Lärm tötete mein Gehör
In Zeitlupe flogen meine
Eingeweide durch die Luft
& klatschten auf die nassen Straßen
wie in einem Stummfilm

 

Noch stand ich
& schaute nach oben
während mein Blut den Asphalt färbte
Ich spürte keinen Schmerz
Aus dem Dunkel des 4ecks
erschien ein Gesicht im Licht der Straße
Das Gesicht einer jungen Frau
das zu dem Gesicht eines kleinen
verzweifelten verstörten verängstigen
Mädchens wurde

Erschrocken blickte es mir
in die Augen
Ich sah Leid & Mitleid &
Traurigkeit

Ich lächelte ihm zu
Nicht schlimm, signalisierte ich ihm
signalisierte ich ihr

Wer auch immer sie war
ich mochte sie sofort

Ich fiel hin
& mein Herz hörte auf
zu schlagen


Verloren

Ich ?
habe hier nichts verloren

also
kann ich hier auch nichts finden
was mir gehört

warum also
suche ich ?


Die Grenze

Manche Nächte sind so ….
Ich sitze nur da
nur da
nur da

Nichts geschieht

Nirgendwo ist etwas –
In mir : Nichts

Ich müßte etwas tun
Das wäre vielleicht nicht schlecht
Etwas Schlechtes tun
wäre vielleicht gut

Irgend etwas
Irgend etwas
Irgend etwas

Aber nein
dafür reicht es nicht

Die Spinne, die über den Boden läuft
Ich lasse sie leben
heute
Sie fühlt sich gut &
weiß es nicht

Wie ich mich fühle
weiß ich nicht
aber dass man es nicht
gut nennen kann
weiß ich

Es ist egal
Ich habe kein Mitleid mit mir

Ich hätte mehr Mitleid mit
der Spinne
wenn ich mich jetzt aufraffen könnte
sie zu zertreten

Sollte sie mir allerdings
zu nahe kommen

die Grenze überschreiten

Ich würde meine Apathie überwinden

Sie würde meine Apathie überwinden

& es wäre
ihr

Ende