Der Nachtportier

Die Fahrt schien endlos.
Wie oft musste ich kotzen?
Ich weiß es nicht mehr.
Es gab genug Beutel im Handschuhfach,
genug Beutel in der Seitentasche der Tür.
In meinem geliebten
Peugeot 404.
Konnte mein Vater rechtzeitig anhalten,
kotzte ich eben
am Straßenrand.
Die Fahrt schien endlos.
Es wurde dunkel.
Das Ziel war
noch fern.
Er nahm eine Abfahrt.
Irgendwo.
Im Abseits leuchtete
ein Hotel.
Mein Vater stieg aus,
betrat das
Abseits.
Kam zurück.
»Sie haben noch etwas frei«,
sagte er.
Er parkte den Wagen.
Wir stiegen aus, nahmen
das Nötigste
mit ins Hotel.
Wie klein ich war!
Wie groß das Haus
mir erschien –
selbst wenn es ebenfalls
klein war.
Und wie fasziniert war ich
von dem großen Mann
hinter der Rezeption, der
um diese finstere Uhrzeit
noch wach war
& arbeitete, als sei
das
selbstverständlich.
Mein Vater sprach mit ihm.
Sie wurden sich einig.
Wir betraten fremde Zimmer,
mit faszinierend-fremden Nachttischlampen,
die fremd leuchteten.
Die Betten rochen fremd,
die Wasserhähne glänzten fremd,
die Türen der Kleiderschränke führten
in die Fremde.
Ich liebte es.
Diese spontane Unterbrechung der Reise –
ich liebte sie
mehr als
das Ziel der Reise.
Denn die Unterbrechung war kurz.
Kürzer als das Leben zuhause,
kürzer als der Aufenthalt am Urlaubsziel
sein würde.
Ich liebte die Kürze.
Und das Spontane.

Mein bester Freund war
Nachtportier.
Viele Jahre später.
Eines Tages sagte er zu mir:
»Wir suchen eine Aushilfe.«
Ich zögerte.
Ein Job.
Eine Abirrung vom Wesentlichen.
»Du könntest Dir Bücher kaufen«,
sagte er.
Ich zögerte.
Bücher. Wein. Musik.
»Ich kann’s mir ja mal ansehen«,
sagte ich.

Als ich das Hotel betrat,
dachte ich nicht an meine Kindheit.
Nicht an die Faszination, die ich
in jenen Nächten
empfunden hatte.

Es war nur
ein
Job.

Aber er bedeutete
Musik. Wein. Bücher.

& Magenschmerzen.

Es war alles
nur
Zufall.


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