»Wer ist das?« fragte sie.
Sie schaute über meine Schulter.
Wir teilten uns einen Sessel
in meinem Keller. Sie
saß rittlings auf meinem Schoß.
»Poe«, sagte ich.
»Nein«, sagte sie, »das ist doch nicht Poe;
der sah doch ganz anders aus.«
»Da dies die Reproduktion einer Daguerreotypie, und die
Daguerreotypie ein Vorläufer der Photographie ist,
sah er in jenem Moment wohl genau so aus – & da
diese Reproduktion seitenverkehrt ist &
Daguerreotypien ihrerseits seitenverkehrt sind, ist er
auf diesem Bild sogar richtigherum zu sehen.«
»Nein«, sagte sie, »auf meiner Poe-Ausgabe zuhause
ist auch ein Bild. Da sieht er ganz anders aus.«
Ich sagte: »Keine Ahnung, was du da zuhause hast, aber
auf allen Daguerreotypien, die ich von ihm kenne, sieht er
ungefähr gleich aus. Also – wie er selbst.«
»Ich mail dir mal ein Foto.«
»Ja, tu das. Bin gespannt.«
Nun gut, ich weiß bis heute nicht, wie ihre Poe-Ausgabe aussieht.
Es ist ja auch egal. Rückblickend betrachtet. Es war
unser erstes Treffen. Sie kletterte
von mir herunter. Auf den Boden. Zwischen meine Beine.
Poe schaute zu. Über meine Schulter
hinweg.
11. Februar 2014