Flossen

Sie lag auf dem Kanapee. 
Das Prachtstück. Nackt & bloß.
Bäuchlings, die Kniee gewinkelt; das
Blondhaar pferdegeschweift.
Eine warme Nacht, von antiken Lampen erleuchtet.
»Lu«, sagte er. Der Ohrensessel schützte ihn.
»Hm?«
»Hast du jemals in der Badewanne Flossen getragen?«
»Ja«, sagte sie, »als kleines Mädchen. Du nicht?«
»Doch«, sagte er, »ich habe mir sogar
eine Kaffeedose auf den Rücken geschnallt, um
unter Wasser atmen zu können. Die Dose war
mit einem Schlauch verbunden, und den habe ich
mir in den Mund gesteckt.«
»Und du hast es überlebt, wie ich sehe. Ein Glück.«
»Findest du?«
»Sag nicht sowas.«
»Schon gut. – Hattest du eigentlich eine schöne Kindheit?«
»Nein«, sagte sie. »Du?«
»Ja«, sagte er, »aber das wurde mir erst bewußt,
als sie vorbei war.«
Wo treffen sich Blicke? In der Mitte? Diesseits oder jenseits?
Oder in den Köpfen?
»Wie kommst du auf die Flossen?«
»Weiß nicht. – Vielleicht weil du da so liegst.«
Sie lächelte. »Willst du dich nicht auch ausziehen.«
»Noch nicht«, sagte er, »ich will das Bild nicht zerstören.«
Sie verschränkte ihre Hände unterm Kinn. Blasse Hände. »Und –
was machen wir dann?« Sie schlenkerte mit den Füßen.
Auch in dem großen, alten Spiegel, der am anderen Ende
des Raumes stand; alles darin bekam einen Stich ins Türkise.
»Die Halbwelten in Schwingung versetzen.«
»Au ja« sagte sie.
Er stand auf und ging zu ihr. Sie streckte die Beine.
Einhändiger Applaus. Zitterndes Gewebe.
Und dann weinte sie.
»Was ist?« sagte er.
»Zu blöd«, sagte sie, »da wurde wohl eine Erinnerung ausgelöst.
Ist gleich wieder vorbei.«
»Tut mir leid.«
»Nicht schlimm. Und nicht deine Schuld. Manche
Erinnerungen sind so überflüssig. Und die schönen
sind bei mir oftmals verschwommen.«
Sie rückte ein Stück zur Seite, und er legte sich neben sie
auf den Rücken. Nur wenige Tropfen,
die er wegzuwischen hatte. Das schmale Gesicht
reflektierte jeden Schein. »Stell dir vor«, sagte sie,
»jemand würde uns so sehen, uns beobachten, uns zuhören -
was würde der denken?«
»Was für eine Vorstellung. Gut, daß das unmöglich ist.
Uns kann doch niemand begreifen.«
Sie lachte, kurz und hell, mit schimmernden Zähnchen.
»Aber wir uns«, sagte sie - »komm, begreif mich.«
Fließende Bewegungen gingen ineinander über;
sie gingen ineinander über. Es gab
nicht viele freie Flächen auf dem Kanapee,
aber mehr und mehr wurden sie mehr.



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