Das Mädchen mit dem Krokodil

[ Für meine Augenblickssammlung ]

 

Es ist doch nur Luft.
Oder ist es der Atem
eines geliebten Menschen?

Ein Mädchen im roten Sommerkleid
überquert die Straße. Auf seinem Kopf,
durch seine Hände gesichert,

balanciert es ein Krokodil, das etwa
zwei Meter lang ist. Beide lächeln,
leuchtend grün das Krokodil,

leicht gerötet das Mädchen,
das sich beobachtet fühlt.
Es ist nicht mehr klein

& noch nicht groß. (das Mädchen).
Wer hat es wohl aufgeblasen?
(das Krokodil)

Ich bin ein Schauer,
und wo mein Blick sich niederschlägt,
da blitzt & donnert Phantasie.

jemand bläst
bis ihm die Puste ausgeht
spricht ins Krokodil
lacht ins Ventil
tritt einen Balg mit nacktem Fuß
man hört es kichern, ganz hell, ganz froh
Schallwellen, die man ins Wasser wirft
um nicht unterzugehen
»Vergiß deinen Bikini nicht!«
»Den hab ich schon drunter.«
»Und creme dich gut ein.«
»Ja-ha.«
flüchtige, sonnendurchschossene Sekunden
ein weißgepunktetes schwarzes Tuch fällt zu Boden
Wo geht es hier zum Pool?
»Hast du auch alles?«
»Ja!«
»Dann grüß schön!«
»Mach ich! Tschühüüs!«

Es könnte auch alles ganz traurig sein:
der Vater gestorben, sein letztes Röcheln
im Krokodil gefangen, die Mutter schickt das Kind,
um es abzulenken, zur Freundin mit dem Planschbecken –

aber ich will es nicht glauben.
Lebensfreude überquert die Straße.
Rot & grün im Sonnenhonig.
Ein bewegtes Bild im Fenster.

Ich hänge es auf
in meinem Gedächtnispalast.
Wenn es dunkel wird, kann ich es betrachten.
Es heißt: Das Mädchen mit dem Krokodil.


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