»Den Titel hab ich
schon«, sagte ich. Ich
schaute nach oben.
Vor lauter
Bewölkung sah man
die Wolken nicht. Der Tag
war dunkel. »Na immer
hin«, sagte der Mann
neben mir. Er saß
auf derselben Bank wie
ich, und das war
kein Zufall. Er trug
einen seltsamen Mantel. Zuweilen
sah es aus, als habe er Flügel. Wahr
scheinlich war er aber nur
kaputt. Der Mann hatte ein Gesicht
wie ein Pferd. Ein Pferd, das
ein Gesicht wie ein Mensch hatte. (Er
gibt das einen Sinn? Ich hoffe schon. Aber
wenn nicht – ist es auch
egal. Man hat sich ja längst
daran gewöhnt, dass kaum
etwas einen Sinn ergibt.) Jeden
falls war es lang, dieses
Gesicht, und ein Gebiss dominierte
darin. »Und wie
lautet er?« fragte der Mann.
»Wie der Alkohol wieder in mein Leben trat
& sich dafür rächte, dass ich versucht hatte
ihn daraus zu verbannen.«
Er sagte: »Das ist ein verdammt
langer Titel.« »Es ist ja auch eine
verdammt lange Geschichte«, sagte
ich. »Was geschieht
darin?« wollte er wissen. Ich gab
eine verschwommene Antwort…..
Wie der Alkohol
in Gestalt einer Frau
durch meine Tür trat.
Jung & schön
& zerstörerisch. Selbst
zerstörerisch im
Besonderen. Und wie
ich mich verliebte. Und nicht
aufhören konnte
zu lieben. »Verstehe«,
sagte er. Tat er
das? Ich hatte meine
Zweifel. »Eine Allegorie«, sagte
er. »Wie der Alk … wieder Alk … ein
Alktraum … Alkegorie …« Wusst’ich’s
doch! Nichts
verstand er. Und wenn er schon
Nichts verstand, wer
konnte es dann verstehen? Er schien
die Wörter abzuschmecken, zu
probieren. Flüsternd. Zähne
bleckend. »Allehohl … Alleholgorie …« Vertieft
in Gedanken,
die ihm nicht
gehörten. Es waren meine
Gedanken. Vielleicht gehörte
ihm nicht einmal
dieser seltsame Mantel. Mit den vermeintlichen
Flügeln. Und wir beide wussten,
dass wir uns nicht mehr erinnern konnten
wann wir uns kennengelernt hatten. Und wie.
Wir sprachen nicht
darüber. Niemals. Da
saßen wir. Im Freien. (Im Freien – das klingt
wie ein bitterer Scherz.) Menschen
gingen vorüber. Alle Menschen
sind vorübergehend. Wir
schauten sie kaum an. Die Sonne
schien. Hinter den Wolken.
Daran erinnerte ich mich. Immer
wieder. Wie verführerisch
Sie aussieht, wie
Liebenswert. So jung
& traurig. Und wie
Sie durch den Rahmen
Der Tür tritt. Meiner
Tür. Und mein Haus
Zu einem anderen
Macht. Und hier ging eine Frau
vorbei, die jeder hässlich
genannt hätte, und
ihre Frisur glich einem übervölkerten
Schlangennest. »Woran denkst du?«
fragte ich
den Mann mit dem Gesicht
eines Pferdes, das aus
sah wie ein Mensch. »An meine
Mutter«, sagte er. Er betrachtete einen Stein. Er
gab das einen Sinn? Wir mochten es
hoffen. Aber sicher
waren wir nicht. Das Haus
roch nach Wein; nach Blut, das in schmalen Wunden gerann. Die Luft schmeckte nach geweinten
Tränen. Leere füllte die Flaschen. Mit Nichts. Und ich
konnte nicht aufhören
zu lieben. Der Mann
sagte: »Wollen wir etwas trinken gehen? Ich muss deine Gedanken ertränken. Damit mir etwas einfällt. Für dich.« Auf seinem Lächeln
hätte man Klavier spielen können.
»Nein«, sagte ich, »ich
trinke nicht.« Schon
Lange
Nicht
Mehr und
Noch
Immer
Nicht