Der Zimmerspringbrunnen

Die Katzen waren längst tot.
Am liebsten hatten sie das Wasser
aus dem Zimmerspringbrunnen getrunken, der
auf der Heizung stand.
Hellgrünes Plexiglas;
der Wasserstrahl beleuchtet
von einer 15-Watt-Glühlampe.
Und als wären sie sich nicht sicher gewesen,
hatten sie meist
zaghaft, fast zitternd
mit einer Pfote
den Strahl berührt,
bevor sie sich mit der rauhen Zunge daran
wagten.

Ein dumpfes Geräusch.
Über mir.
Ein Fleck,
der sich ausbreitete –
an der Decke meines Kellerzimmers.
Ein heiserer Hilferuf.

Ich hatte gelesen.
War in einer Welt
gewesen
außerhalb
des Kellers.

Der Ruf riss mich heraus aus dieser Welt.

Ich legte das Buch beiseite,
verließ
das Zimmer,
ging die Treppe hinauf …..

Betrat das Wohnzimmer
meiner Mutter.

Der Zimmerspringbrunnen auf der Heizung war
leer.
Eine Erinnerung an die toten Katzen, die sie
so oft gerufen hatte.

»Verdammt«, sagte ich.
Sagte ich, obwohl ich es hätte schreien wollen.
»Schon wieder!«

Die alte Antwort:
»Ich wollte ihn doch nur entkalken.«

»Dann sag doch Bescheid, verdammte Scheiße!
Dann trag ich ihn in die Küche.
Guck dir die Sauerei an –
& unten tropft es durch die Decke.«

»Warum bist du immer
so fies zu mir?« vibrierte ihre Stimme.

Ja.
Warum?
Warum?
Warum?

All diese Jahre
ihrer Krankheit.
Das Zittern.
Das Fallen.
Das Verschütten.
Die Hilflosigkeit.

Die Stunden in Wartezimmern.
Die Stunden in Krankenhäusern.

Geduld.
Geduld.
Geduld
am Ende.

Meine Nerven
am Boden
wie all das Wasser aus dem Zimmerspringbrunnen,
das in den Keller tropfte.

In der Sekunde, nachdem
ich meine Worte gesagt hatte, wusste ich,
dass sie mir leid tun würden.

Für lange
lange Zeit.

Später.

Und später
war
schon bald.


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