Das Haus

So einfach & unscheinbar
ist das Haus – keiner
der Vorübergehenden, Vorüberlebenden
vorübergehend Lebenden ahnt
dass es voller Rätsel & Geheimnisse ist.
Zu viele Häuser haben sie schon gesehen,
zu viele Häuser gibt es.
Nur der Architekt kennt seinen wahren Wert,
den Wert, den niemand bezahlen würde, weil er nicht
dem Warenwert, genauer: dem Materialwert entspricht; nur er kennt
alle Bedeutungen, von deren Existenz keiner
sich etwas träumen lässt.
Die Anzahl der Steine ist kein Zufall,
sie bezieht sich auf das Innere des Hauses, auf
das Innere seiner Bewohner;
die Quersumme aller addierten Türen & Wände
erzählen eine exakt berechnete Geschichte.
Alles geht auf. Der Rest ist Gedanke.
Im Mauerwerk: seltenste Perlen.
Der Dachboden spielt
auf den Keller an; der Keller
existiert nur in der Phantasie des Architekten,
die seine Persönlichkeit ist.
Was die Maserung des Parketts zu sein scheint,
ist in Wirklichkeit Schnitzerei: winzige Gesichter,
die man nur erkennt, wenn man sie kennt
und am Boden liegt.

Zuweilen sticht den Architekten
die Eitelkeit fast mückengleich. Dann
würde er am liebsten erklären, um
den Nichtsahnenden die Augen und,
falls möglich, den Verstand zu öffnen.
Doch dieser Juckreiz geht rasch vorüber.
Das Verständnis der Anderen
würde dem Wert des Werkes nichts hinzufügen.
Alles ist da. Ob es gesehen wird oder nicht.
Es wird noch da sein, wenn
sich an die Passanten längst schon
niemand mehr erinnert.
Denn das ist ein weiteres Geheimnis dieses Hauses:
Es ist unvergänglich.

Ich stehe da.
Auf der anderen Seite der Straße.
Ich betrachte es.
So einfach & unscheinbar.
Wohnt überhaupt jemand darin?
Da stehe ich.
Verstehe ich.
Passanten passieren.
Fassadenbeschauer.
Wer hat es gebaut?
War ich es?

Es ist gleich
gültig. Denn so
viel steht fest:

Dieses Haus ist ein Gedicht.


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